Elegie auf Reinhard Gerer.
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 985
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Reinhard Gerer! Ich war auf der Autobahn, südlich von Vösendorf,
Stauwarnung, als der Schneeberg schob sich ins Bild und stoppte den
Atem. Und noch etwas stoppt ihn: Reinhard Gerer gestorben, „der
erste Koch mit vier Hauben“*, als wäre das wichtig, nicht eher
lächerlich, angesichts des Todes, naturgemäß. Doch
deine Natur war das Kochen, das Brodeln, das Übergehen, ein
Heferl in jeglicher Hinsicht. Wir kannten einander nicht gut, für
wechselseitig Respekt hat’s gereicht. Um regelmäßig zu
essen im Korso, in der Zeit deiner Blüte, da reichte es
nicht, doch es reichte, um zu ermessen, was du dort konntest.
Warst du nicht da, ging die Klage, fehlte sofort der Ésprit. Das
zeigte nicht nur dein Genie, das zeigte, das Organisieren
war dir nicht wichtig; am Herd, da ließest du’s krachen.
Risiko nahmst du gerne, und war ich mit Freunden, befreundet
besser mit dir, zu Gast, dann liebtest du es, auszureizen das
Material, den Fisch zumal. Ich erinnere einen
Saibling, den brietst du auf einer Seite, bis knapp vors Verkohlen, und
brachtest ihn selbst an den Tisch, ein Ineinander von schmelzender
Zartheit und harschem Knuspern, ein Spektrum von Strukturen, wie
Gastrokritiker sagen würden, in einer Sprache,
die du belächelt hättest. Spaß? Das war‘s nie, das Risiko
war voller Ernst, es ging ums Gelingen, die Niederlage stets
lauernd. Als ich einmal, eingeladen vom Meisinger auf ein
Fresser-Duell mit dem Pilz-Peter, vom Buffet einer Falter-
Präsentation (ein Buch des Tierwizard Iwaniewicz) ’ne
Heuschrecke brachte, frittiert, und sie aus der Küche auftragen
lassen wollte, als Amuse Geule, da hast du’s verhindert. Nicht
lustig, fandest du damals, Witze geh’n hier nicht auf deine
Kosten. Die Promis hast du hofiert im Korso, wenn auch nicht
immer aus vollem Herzen, halb entschuldigt hast du dich
manchmal bei uns fürs Servil-Sein; das lag dir nicht, du warst Künstler.
Rausch inklusive, verschiedener Arten, der Liebesrausch tat dann ein
Übriges, und fortan ging’s bergab, zumindest raus aus dem
Korso, der Welt der Hauben und Sterne. Einmal trafen wir
uns im Augarten, wo du kochtest, und der Falter
einen Jour Fixe hielt; großartig einfach war dein Menü, wir
neigten das Haupt, war auch die Toilette nicht mehr aus Marmor wie
jene im Bristol. Am Ende entwarfst du Menüs für Hunde;
Gut gelaunt sah im Fernsehen ich dich das Zeug präsentieren.
Spitzenköche in Frankreich kochen zur Lehrzeit für Hunde,
so schloss ein Kreis sich. Über deine Bedeutung, Reinhard
Gerer, brauchen wir hier nicht zu streiten, Kochbücher gibt es, die
meisten sind prima, lernte draus viel. Saßest du manchmal mit
Häupl zusammen am Naschmarkt, bei Urbanek, Spritzwein und Schmäh,
konnte es scheinen, als wären zwei Sterne der Stadt aufgegangen, aus
unterschiedlichen Sphären, leuchtkräftig schmähstark wohl beide.
Meisinger wird sie erzählen im Falter, deine Bedeutung für
Wiens und Österreichs Küche; dein mutiges Herz lass mich rühmen,
Gerer, am Ende, denn ohne Mut zum Verbrennen gibt kein
Glück es am Herd und im Leben. Dieses aber hast du
Vielen bereitet, mehr als die meisten, sinnliches Glück. Das ist
viel, nicht viele können es von sich sagen. Danke.
Und Adieu.
*Er war nicht der erste, wie überall kolportiert, sondern der zweite, teilt mir Klaus Egle korrekterweise mit. Der erste war Helmut Österreicher vom Steirereck. (Nachtrag vom 7.4.)
Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.
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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.
Ihr Armin Thurnher