Elegie auf Reinhard Gerer.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 985

Armin Thurnher
am 07.04.2023

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Reinhard Gerer! Ich war auf der Autobahn, südlich von Vösendorf,

Stauwarnung, als der Schneeberg schob sich ins Bild und stoppte den

Atem. Und noch etwas stoppt ihn: Reinhard Gerer gestorben, „der

erste Koch mit vier Hauben“*, als wäre das wichtig, nicht eher

lächerlich, angesichts des Todes, naturgemäß. Doch

deine Natur war das Kochen, das Brodeln, das Übergehen, ein

Heferl in jeglicher Hinsicht. Wir kannten einander nicht gut, für

wechselseitig Respekt hat’s gereicht. Um regelmäßig zu

essen im Korso, in der Zeit deiner Blüte, da reichte es

nicht, doch es reichte, um zu ermessen, was du dort konntest.

Warst du nicht da, ging die Klage, fehlte sofort der Ésprit. Das

zeigte nicht nur dein Genie, das zeigte, das Organisieren

war dir nicht wichtig; am Herd, da ließest du’s krachen.

Risiko nahmst du gerne, und war ich mit Freunden, befreundet

besser mit dir, zu Gast, dann liebtest du es, auszureizen das

Material, den Fisch zumal. Ich erinnere einen

Saibling, den brietst du auf einer Seite, bis knapp vors Verkohlen, und

brachtest ihn selbst an den Tisch, ein Ineinander von schmelzender

Zartheit und harschem Knuspern, ein Spektrum von Strukturen, wie

Gastrokritiker sagen würden, in einer Sprache,

die du belächelt hättest. Spaß? Das war‘s nie, das Risiko

war voller Ernst, es ging ums Gelingen, die Niederlage stets

lauernd. Als ich einmal, eingeladen vom Meisinger auf ein

Fresser-Duell mit dem Pilz-Peter, vom Buffet einer Falter-

Präsentation (ein Buch des Tierwizard Iwaniewicz) ’ne

Heuschrecke brachte, frittiert, und sie aus der Küche auftragen

lassen wollte, als Amuse Geule, da hast du’s verhindert. Nicht

lustig, fandest du damals, Witze geh’n hier nicht auf deine

Kosten. Die Promis hast du hofiert im Korso, wenn auch nicht

immer aus vollem Herzen, halb entschuldigt hast du dich

manchmal bei uns fürs Servil-Sein; das lag dir nicht, du warst Künstler.

Rausch inklusive, verschiedener Arten, der Liebesrausch tat dann ein

Übriges, und fortan ging’s bergab, zumindest raus aus dem

Korso, der Welt der Hauben und Sterne. Einmal trafen wir

uns im Augarten, wo du kochtest, und der Falter

einen Jour Fixe hielt; großartig einfach war dein Menü, wir

neigten das Haupt, war auch die Toilette nicht mehr aus Marmor wie

jene im Bristol. ­ Am Ende entwarfst du Menüs für Hunde;

Gut gelaunt sah im Fernsehen ich dich das Zeug präsentieren.

Spitzenköche in Frankreich kochen zur Lehrzeit für Hunde,

so schloss ein Kreis sich. ­ Über deine Bedeutung, Reinhard

Gerer, brauchen wir hier nicht zu streiten, Kochbücher gibt es, die

meisten sind prima, lernte draus viel. Saßest du manchmal mit

Häupl zusammen am Naschmarkt, bei Urbanek, Spritzwein und Schmäh,

konnte es scheinen, als wären zwei Sterne der Stadt aufgegangen, aus

unterschiedlichen Sphären, leuchtkräftig schmähstark wohl beide.

Meisinger wird sie erzählen im Falter, deine Bedeutung für

Wiens und Österreichs Küche; dein mutiges Herz lass mich rühmen,

Gerer, am Ende, denn ohne Mut zum Verbrennen gibt kein

Glück es am Herd und im Leben. Dieses aber hast du

Vielen bereitet, mehr als die meisten, sinnliches Glück. Das ist

viel, nicht viele können es von sich sagen. Danke.

Und Adieu.

*Er war nicht der erste, wie überall kolportiert, sondern der zweite, teilt mir Klaus Egle korrekterweise mit. Der erste war Helmut Österreicher vom Steirereck. (Nachtrag vom 7.4.)


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Was wir aus der Pandemie gelernt haben könnten: Distanz kann nicht schaden, Händewaschen ist nie falsch, benützen Sie Masken, wenn es sich empfiehlt, und bleiben Sie rücksichtsvoll.

Ihr Armin Thurnher

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