Das öffentliche Interesse ist ein Hund.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 983

Armin Thurnher
am 05.04.2023

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„Bald werden auch die Hunde in der Krone-Tierecke Kurz wählen“ [Thomas Schmid an Sebastian Kurz] Foto © Wikipedia

In der umfassend über die neueste Inseraten-Affäre informierenden Falter-Geschichte von Barbara Tóth und Florian Klenk steht ein Schlüsselsatz: „Der Vorwurf der WKStA: Diese Inseratenschaltungen wurden ,in erheblichem Umfang entgegen den Interessen der Republik Österreich und ohne konkretes allgemeines Informationsbedürfnis in Auftrag gegeben‘“.

Diesen Satz, denke ich,  könnte man ­– von allen strafrechtlichen Implikationen abgesehen –­­ in Marmor meißeln, seine Buchstaben vergolden und am Medienministerium anbringen. Er trifft nämlich auf so gut wie alle öffentliche Inserate zu, die in Richtung Boulevard gehen.

Die „Interessen der Republik Österreich“, was wären diese? Das zu fragen erspart sich jede Medienpolitik in diesem Land. Die Interessen der Republik Österreich würden es erfordern, dass die Republik Republik bleibt. Das heißt: sie fördert nicht die Interessen einiger weniger, sondern die Interessen der Allgemeinheit. Was wäre die Allgemeinheit? Die überwiegende Zahl von Menschen, hätten darauf utilitaristische Ethiker des 19. Jahrhunderts geantwortet, die stets das Glück der größten Zahl im Auge hatten.

Dagegen kann man manches einwenden, zum Beispiel, dass Quantität nicht das einzige Kriterium des Glücks ist.

Aber, aber: die Quantität, die aus dem Glück der Happy Few spricht, die steht ganz sicher nicht für die Interessen der Republik Österreich. Republik kommt bekanntlich von res publica, was lateinisch ist und öffentliche Sache bedeutet.

Ich sage mal so: Die Interessen der Republik erfordern es also, eine Öffentlichkeit herzustellen (denn es gibt sie nicht oder nur mehr als Schein), die dazu dient, die Interessen der Republik nicht nach Kriterien des Reichtums und der Macht ihrer Reichen zu definieren, sondern nach Kriterien des öffentlichen Gebrauchs der Vernunft.

Ha, sagen Sie darauf, Vernunft ist das Privileg der Besitzlosen!  Solche wie Sie, Herr Thurnher, fühlen sich im Besitz der Vernunft, sie fühlen sich vernunftreich, also sind auch Sie nichts anderes als so ein Privilegienpinkel!

Darauf antworte ich wiederum (ohne gleich in einen Katerdialog zu verfallen), dass Vernunft keinen Preis hat, sie ist mit etwas Glück und halbwegs geeigneten gesellschaftlichen Voraussetzungen, die in Österreich legendärerweise seit Bruno Kreisky einigermaßen vorhanden sind, allen zugänglich. Vor allem aber wird sie durch öffentlichen Gebrauch geübt, geschärft und verbessert. Wohingegen die von der Republik Schmid & Kurz geförderten Medien, Boulevardmedien, Fellner & Dichand-Medien, es nicht auf den öffentlichen Gebrauch der Vernunft anlegen, sondern auf Unterhaltung. Und auf Beeinflussung der Massen.

Beides trifft im wunderbaren  Satz „Tiere würden Faymann wählen“ zusammen, den die Kronen Zeitung ganz ohne Ironie auf Werner Faymann münzte, den Neffen des Rufonkels Hans Dichand. Der Satz wurde von Thomas Schmid auf Sebastian Kurz aktualisiert, um zu zeigen, dass Sebastian, der neue Neffe wusste, worum es ging. „Bald werden auch die Hunde in der Krone-Tierecke Kurz wählen“, textete Schmid an seinen geliebten Kanzler, der ihn allerdings kaum kannte und keine Ahnung hatte, was er tat.

Wobei die Kronen Zeitung, verglichen mit dem völlig haltlosen Abgrundmedium Österreich ja noch aussieht wie ein Reservat der Vernunft, und man der Gratiszeitung Heute attestieren muss, sich um unauffällige Harmlosigkeit zu bemühen. Im Fellnermedium Österreich spielten SK (Schmid und Kurz, hat nicht mit der SK-Management zu tun, der neuen Firma von Kurz) mit gefälschten Umfragen ein Stück Gangsterpolitik.

Aber das ist nicht, wie man so sagt, der Punkt. Der Punkt ist, dass harmlose oder weniger harmlose Unterhaltung der Untertanen möglicherweise im Interesse der Republik liegen, die diese Untertanen gerne beruhigt und stillgestellt sieht, aber nicht auf dem Umweg der Bereicherung der Familien Dichand, Fellner und anderen.

Neigte man einer weniger harmlosen Interpretation zu, müsste man sagen, die Interessen der Republik werden nur durch die Förderung von Medien gewahrt, die ausreichend vernünftige Elemente in sich tragen, seien diese Medien nun privat oder nicht.

Freilich müsste das jemand entscheiden. Das wäre die Politik, die das selbstverständlich an kompetente Fachleute delegieren kann. Das tut sie aber nicht, weil sie in Angst und Schrecken vor den Machthaberinnen des Boulevards ist und nichts mehr fürchtet, als von diesen fallengelassen zu werden. Die sogenannten Medienministerin ist nichts als eine Vernunftvermeidungsministerin. Sebastian Kurz war ja kaum mehr als eine von seinen Scheindoktoren fabrizierte Medienfiktion, und Thomas Schmid sein fleischgewordenes Medienangstgespenst, das jetzt aus Eigeninteresse das Leintuch fallen lässt.

Der „Terror“ von Eva Dichand, den Schmid wahrnahm, musste vielleicht gar nicht ausgeübt werden, obwohl die Dame bei der Artikulation ihrer Wünsche gewiss nicht zimperlich war. Für den Terror der Tycoons reichte es aus, dass sie da waren, eine stete Drohung über den Häuptern der Politik, eine Macht über der Macht, die ihren Tribut forderte. Sie brauchten nur da zu sein. Allfälliger Terror war bloße Zuwaag. Deswegen können sie so lautstark behaupten, sie hätten nichts getan.

Die „Interessen der Republik“ stellt man sich anders vor.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


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Ihr Armin Thurnher

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