Endlich aufgedeckt: Was das österreichische Unwesen antreibt.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 980

Armin Thurnher
am 01.04.2023

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Der österreichische KU-Algorithmus (Ausschnitt)

Einem Rechercheteam der Seuchenkolumne (SK) gelang es in monatelanger mühevoller Aufdeckungsarbeit, eines der bestgehüteten Geheimnisse des österreichischen Wesens zu entschlüsseln.

Lange wurde die SK von der Frage umgetrieben, was der Motor hinter diversen Wahnsinnsaktionen der österreichischen Politik sein könnte. Es fällt so viel Unerklärliches vor im Land, dass man doch nach Erklärungen sucht. Was wurde zum Beispiel nicht alles über den legistischen Dilettantismus der schwürkisen Regierungen gemutmaßt! Der Autor der SK verstieg sich in einem Seinesgleichen-Kommentar einmal sogar zur Mutmaßung, der Dilettantismus sei wie in Viktor Orbáns Ungarn Absicht, um das Parlament mit der nötigen schnellschüssigen Reparatur untauglicher Gesetzesentwürfe zu überfordern und aus der Bahn zu werfen.

Die Frage wurde aufgeworfen, aber nicht aufgefangen, geschweige denn beantwortet. Sie blieb gleichsam in der Luft hängen. Bis jetzt.

Ebenso schwebt dort die Frage, was einen Bundeskanzler Nehammer antrieb, sich in einer Rede an die Nation zu wenden, die keine Rede war, sondern nur das öffentliche Einbekenntnis, kein Redner zu sein, und die im veröffentlichten Transkript ein grammatikfernes Gestammel offenbarte, das man nur mehr als Verhöhnung aller volksschulischen Ambitionen eines Deutschunterrichts für Eingeborene verstehen konnte.

Auch die paradoxen rhetorischen und symbolischen Interventionen des Nationalratspräsidenten Sobotka gehören zu den nationalen Rätseln. Dessen in weiten Teilen Niederösterreichs „Sobotkinesisch“ genanntes Gelalle gibt zu denken; auch dessen Onomatomanie, wie man auf neugriechisch die Krankheit nennt, Dingen (etwa Zimmern im Parlament) unangemessene Namen zu verpassen; oder dessen Protzsucht, wie sie sich im Anschaffen von goldenen Flügeln oder exzessivem Plastikblumenschmuck äußert.

Man kann auch das unartikulierte Schwänzen der SPÖ bei der Selenskyj-Rede im Parlament dazuzählen, das in seiner Sprachlosigkeit, seiner stummen Bockigkeit und seinen lahmen Entschuldigungen nur den Schluss zuließ, man solidarisiere sich mit der Kickl-Partie.

Ein neueres rätselhaftes Ereignis ist die öffentlich geäußerte Freude der Ministerin Susanne Raab und der grünen Mediensprecherin Eva Blimlinger über den Vorschlag eines neuen Mediengesetzes, das ebenso Wege findet, die gute alte Medienkorruption festzuschreiben ­– nämlich als Förderung jener, die nicht förderungswürdig sind, der Boulevardmedien –, wie es die Ermordung der Wiener Zeitung feiert, die zugleich umgebracht und mit Geld zugeschissen wird, das sie für eine Form staatsnaher Medienausbildung verbrennen soll. Ein Schlag ins Gesicht der Demokratie, der versucht, sich als Schulterklopfen auszugeben.

Die Chats, deren neuerdings aufgeflogene Teilnehmerin Eva Dichand diese Form der brenzligen digitalen Schriftl-Giftl-Kurzunterhaltung wieder in Erinnerung rief, müssen ebenso als Ausformung unseres Phänomens betrachtet werden.

Wir lassen Sozialpolitik, Finanzpolitik, Bildungspolitik, Niederösterreich, die Führung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und den ganzen Rest außen vor, dessen Bemühungen man alle in diesem Sinn ad infinitum weiterbeschreiben könnte, und kommen zum Ergebnis, zur Lösung des Rätsels. Hinter alldem steckt, so ergaben die Recherchen der SK, der österreichische Algorithmus, etwas, das man in Fachkreisen Künstliche Unintelligenz nennt, kurz KU.

Naturgemäß bleiben die Komponenten dieses Algorithmus geheim, das verlangt ja das neue dunkle Zeitalter der digitalen Intransparenz von jedem verhaltensprägenden Algorithmus, und jedes digitale Unternehmen nimmt das Recht auf Verdunkelung für sich in Anspruch, befindet es sich doch im Wirtschaftskrieg aller gegen alle. Gehts der digitalen Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut. Also Vorhang zu, Scheuklappen auf, Augenbinde justiert, Profite und Bonusse gesichert. Nur im Dunkeln ist gut Munkeln!

Die SK konnte immerhin ermitteln, dass Dummheit und Bosheit entscheidende Ingredienzien des KU-Algorithmus sind, gemischt mit dem üblichen persönlichen und parteipolitischen Egoismus, einem Schuss Servilität, einer Prise Hinterfotzigkeit und, ganz wichtig, mit Selbstüberschätzung bei zugleich völliger Abwesenheit historischer, kosmopolitischer oder jeder anderen Art von Bildung.

Alle Versuche, diesen Algorithmus zu verbessern oder auch nur zu veröffentlichen, führen automatisch dazu, dass sich seine Wirkweisen verschärfen und seine Abläufe radikalisieren. Aus Nehammer wird Kickl, Mikl mutiert zu Landbauer, Dichand zu Fellner (oder umgekehrt) die Gräben werden flacher und flacher und so geht es immer weiter hinein in die totale Einebnung.

Land der Berge, sei’s gewesen! Vor uns erstreckt sich die Freiheit der Flachheit. Wissen ist Ohnmacht, und im Finstern ist es warm. Hier regiert die KU! Es lebe die NÖMP!


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!): Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate!

Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!