Frau Dichand ist ein Medienopfer. Sie verdient jede Unschuldsvermutung!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 979

Armin Thurnher
am 31.03.2023

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Das traf sich nicht besonders günstig. Am Tag, als die Heroinen der NÖMP, der Neuen Österreichischen Medienpolitik, Susanne Raab und Eva Blimlinger, freudestrahlend den Entwurf des neuen Mediengesetzes einbrachten, der allseits mit virtuellen Backpfeifen und Aufforderung, ihn zurückzuziehen begrüßt wurde; am Tag, als die Gratiszeitung „Heute“ stolz ihre prachtvollen Verbreitungszahlen und Reichweiten veröffentlichte; just an diesem allseitigen Freudentag fand eine Hausdurchsuchung bei „Heute“ statt.  (Samt Vorgeschichte hier nachzulesen).

Mutmaßlichen Anlass dazu bot eine Zeugenaussage des Thomas Schmid, der Frau Dichand bezichtigen soll, für Inserate sowie eine stiftungsfreundliche gesetzliche Regelung bei ihm interveniert und dafür angeboten zu haben, sich für eine freundliche Berichterstattung in „Heute“ und in der „Kronen Zeitung“ einzusetzen. Daraufhin soll die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft die Hausdurchsuchung bei „Heute“ veranlasst haben.

Frau Dichand dementiert alles und schreibt auf Twitter, die Behauptung, sie hätte positive Berichterstattung im Gegenzug für Inserate vereinbart, sei „einfach FALSCH“. Die Redaktion von „Heute“ dementiert in Gestalt des blitzpromovierten Chefredakteurs Doktor Nusser, Frau Dichand hätte je Einfluss auf die Berichterstattung von heute genommen. Hätte ich nodiger Professor doch nur früher gewusst, dass der Nusser ein echter Doktor ist! Das ändert einfach ALLES!


Und ALLES wollen wir in Bausch und Bogen gerne glauben. Die Staatsanwaltschaft, die eine lebendig-krabblige Grauzone, den sogenannten politmedialen Komplex, in totes Strafrecht ummünzen muss, ist nicht zu beneiden. Thomas Schmid hat gewiss wie Eva Dichand den Lügendetektortest auf sich genommen, allerdings wird die Ehrlichkeit der Detektoren-Herstellerfirma bereits angezweifelt, und wir alle stehen unter dem heiligen journalistischen Skepsis-Eid. Das heißt, ich glaube einmal gar nichts, ehe ich nicht etwas weiß.

Zwar mögen manche Menschen Zahlen für gesichertes Wissen halten, aber über die Ursache ihrer Veränderung werden sie stets geteilter Ansicht sein.

Die Zahlen, hier in einer Grafik von der Website Substanz,  weisen einen sprunghaften Anstieg der Inserate für alle Boulevardanzeigen ab dem Jahr 2017 aus, dem Beginn des Kabinetts Kurz-Strache.

Andy Kaltenbrunner hat das Ganze erforscht und weist heftige Umsatzsteigerungen für Boulevardmedien aus, die ganz gewiss vollkommen zufällig auftreten; ein Naturphänomen, über das Forscher in aller Welt rätseln. Ebenso wie über die Rückstufung des Falter im gleichen Zeitraum auf beinahe Null; die hastig dafür herangezogene Erklärung, von Fleischmann und Kurz zum „Feindmedium“ erklärt worden zu sein, leuchtet allzu schnell ein. Das würde ja bedeuten, dass jene Medien, die gleichzeitig millionenschwere Steigerungen ihre Regierungsinserate-Umsatzes erlebten, „Freundmedien“ waren. So einfach kann es doch nicht sein!

Was bleibt uns übrig, als an den Zorn beziehungsweise die Gunst Gottes zu glauben, was wir und die WKStA allerdings noch viel weniger nachweisen können.


Also gut: Regierungsinserate sind ein umkämpfter Markt, und eine korruptive Medienpolitik will verleitet werden, ihr Füllhorn weiterhin in die falschen Taschen auszuschütten. Sie betreibt nicht Medienpolitik, also das Ausgleichen von Marktnachteilen für als fördernswert betrachtete Medienprojekte. Sie finanziert Medien, die kein Mensch braucht außer deren mächtigen und ohnehin bereits ausreichend vermögenden Inhaberinnen. Sie steckt Steuergeld in die Taschen von Menschen, die kein besonders augenfälliges Interesse daran haben, mit ihren Medien etwas für die Gesellschaft zu leisten, sondern vorzüglich für ihren privaten Profit arbeiten.

Dass Frau Dichand ihre Taschen offenhält (ebenso wie ihr Ehemann, andere Familien, etwa die Brüder Fellner), wer kann es ihr verdenken? Sie hat Kunst zu sammeln, Kinder zu ernähren und Fashion-Shows zu besuchen. Frau Dichand verdient jede Unschuldsvermutung!


Was die Staatsanwaltschaft ihr vorwirft, weiß ich nicht. Wir werden es erfahren. Es ist mir auch nicht so wichtig, ob die WKStA auch das andere Ende der Kette in Augenschein nimmt, jene politischen Big Spender, die Inseratengeld in die falschen Taschen stecken, oder neuerdings digitales Fördergeld, das ebenfalls den falschen Lauf der von GOTT vorgezeichneten Dinge nimmt.

Allerdings würde ich gern von Frau Ministerin Raab und Frau Blimlinger wissen, welche Experten ihr die entscheidenden Ratschläge gegeben haben, die zu dieser verkorksten „Reform“ des Medienförderungsgesetzes geführt haben, die alles beibehält, was mies ist? Auch ich wurde dazu einmal gehört (zum Schein), danach versackte der Prozess für mich im opaken Dunst des medienpolitischen Komplexes. Aber selbst wenn Frau Dichand eine entscheidende Rolle dabei gespielt haben sollte, dass die Sache weiterhin zugunsten ihrer Tasche ausgeht: strafrechtlich wäre da saubernichts dabei, und Chats liegen gewiss keine mehr vor. Man lebt und lernt, in aller Unschuld. Lang lebe die NÖMP!


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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