Ich liebe meine Politikberater. Ich liebe meinen ORF.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 973

Armin Thurnher
am 24.03.2023

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Screenshot ZiB2 vom 22.3. © ORF

Ich liebe meine Politikberater. Ich liebe meinen ORF. Die Berichterstattung über die Sozialdemokratie ist dort so eminent politisch, dass man sich nach etwas menschlicher Wärme und unpolitischem Gelaber sehnt. Am Mittwochabend widmete die Sendung „Zeit im Bild 2“ neun Minuten und dreißig Sekunden dem Chaos bei der SPÖ-Mitgliederbefragung, das gerade die Republik in den Grundfesten erschüttert, während man sich bei der gescheiterten Mietpreisbremse mit sieben Minuten begnügte. Jeweils fast die Hälfte dieser kostbaren Sendezeit war Thomas Hofer gewidmet, meinem Lieblingspolitikberater. Oder sollte ich sagen Politiklieblingsberater?

Sie wissen, was ich meine.

Ich weiß zwar nicht genau, wen Hofer berät, es werden schon nicht jene sein, über die er sich in Nachrichtensendungen des ORF äußert, dort ist man mit Compliance-Regeln bekanntlich päpstlicher als der Papst. Vermutlich habe ich das Wort „Politikberater“ nicht verstanden. Er berät gar nicht die Politik, sonst dürfte er sich ja nicht zugleich kritisch über sie äußern. Nein, er berät uns, wie wir uns der Politik gegenüber zu verhalten hätten. Das ist schön, vor allem, weil es gratis geschieht. Ich bin rundum wohlberaten, von Hofer über Filzmaier bis Kalina, ja, sogar Kalina, habe aber noch nie eine Honorarnote erhalten (außer von der GIS).

Als alter, verknöcherter weißer Mann pflege ich von Politik die nebulöse Vorstellung, es ginge dabei um Interessen und deren Durchsetzung mit demokratisch errungener Macht; wobei die Vertretung der Interessen öffentlich zu begründen und die Interessen selbst in ihrer Berechtigung gegeneinander abzuwägen wären.

Höre ich unseren Politikberatern zu, bekomme ich allerdings einen anderen Eindruck.

Ich bekomme den Eindruck, es gehe um eine Seifenoper oder um ein Intrigenstück. Das mag durchaus Teil von Politik sein, aber dafür gibt es andere Fachleute, Priester, Psychologen, Dramaturgen, Dichter.

Ich finde Thomas Hofer persönlich sehr nett, würde ihm jederzeit einen Staubsauger abkaufen oder ihn zwecks Präsentation einer Kochtopfkollektion zum Tee einladen. Der Mann ist beredt, er geizt nicht mit plastischen Sprachbildern, und während er redet, vergeht die Sendezeit wie im Flug.

Jedoch, während ich danach lechze, die nunmehr drei bekannten Leute, die für die Führung der SPÖ kandidieren, politisch eingeschätzt zu sehen, erfahre ich aus dem Eingangsstatement des Thomas Hofer folgendes:

„Also das, was wir gerade erleben, sind Chaostage in Rot, das ist einfach so. Man prolongiert die Geschichte der vergangenen Wochen, muss man sagen. Jetzt gibt es am Montag die nächste Sitzung, heute sind nach der Präsidiumssitzung eigentlich fast mehr Fragen offen als wirklich beantwortet werden konnten. Es war unklar, wann ist jetzt genau die Mitgliedschaft gültig. Am Freitag wäre es jetzt so, muss man schon ordentliches Mitglied sein, oder reicht es wenn man einen Antrag abgegeben hat? Es ist auch die Frage nicht beantwortet worden noch jedenfalls, wie das ist, wenn ein Kandidat, eine Kandidatin, dann bei der Befragung nicht über 50 Prozent kommt. Wie geht es dann weiter? Ist dann der Parteitag das entscheidende Gremium? Et cetera. Also da ist einfach sehr, sehr viel offen und da hat es offensichtlich auch nicht genutzt, dass sich die SPÖ am Wochenende noch Hilfe vom SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat aus Deutschland geholt hat. Der ist nämlich nach Wien gekommen und hat ein bisschen Ratschläge gegeben, wie Mitgliedereinbindung so funktioniert. Aber man hat nicht den Eindruck bei der SPÖ, dass das auf fruchtbaren Boden gefallen ist.“

Also, was ich da erlebte, war ein innerer Aufruhr. Aus mir riefen Stimmen: Selbst wenn es prozedurale Unsicherheiten und parteiinterne Streitereien bei der SPÖ gibt, was ja bis zu diesem Zeitpunkt breit berichtet wurde, in wessen Interesse ist es, dieses Zeug derart breit und inhaltslos auszuwalzen? Und warum brauche ich dazu einen Politikberater?

Es ist selbst der Feuerwehr von Kikeritzpotschen zuzutrauen, dass sie eine Migliederbefragung oder eine vereinsinterne Abstimmung irgendwie hinbekommt, also wird das auch die SPÖ schaffen. Sonst kann man ja die Vereinspolizei holen. Oder die Feuerwehr. Aber bitte keine Politikberater!

Ich habe nicht den Eindruck, dass dieser mein Ratschlag beim ORF oder auch bei Hofer auf fruchtbaren Boden fallen wird. Man holt dort wieder den Fesser Filzmaier – den ich ebenfalls sehr schätze –, damit nicht nur der Hofer redet, und der Hofer kommt wiederum dran, damit nicht nur der Filzmaier im Bild ist. So gibt eines das andere. Es ist wie bei den Journalistinnen, dort holt man die Linsinger, damit nicht immer der Klenk und die Konzett oder die Tóth im Bild sitzen, weil die aber nicht gern eingeladen werden, und Abwechslung sein muss, holt man wieder die Linsinger.

Ich liebe meinen ORF!

Um es in Hofers unwiderstehlicher Diktion leicht abgewandelt zu sagen:

„Und das, was man verhindern muss aus Sicht des ORF ist jedenfalls, dass das weiter eskaliert. Schon jetzt ist eine Situation eingetreten, dass eigentlich beide aussichtsreichen Berater, also Hofer und Filzmaier Schaden genommen haben. Und was auf keinen Fall passieren darf aus Sicht des ORF ist, dass das jetzt in Richtung ,negative campaigning‘, nämlich innermediales ,negative campaigning‘ abgleitet. Und dafür gibt es schon Anzeichen, weil das Misstrauen, das gegenseitige ist einfach überbordend.“

Das erste Anzeichen für ,negative campaigning‘ konnten wir in der „ZiB2“ minutenlang nicht überhören.

Und Obacht, der Thurnher schreibt auch schon eine Suada …

Haltet inne!


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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