Das Antreten von Niklaus Kowall ist ein Segen für die SPÖ (merkt sie’s?)

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 972

Armin Thurnher
am 23.03.2023

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Vorgestern in Steyr. Erste Präsentation meines Buchs „Anstandslos“. Sehr freundlicher Moderator, Martin Dunst von den Oberösterreichischen Nachrichten. Sehr freundliches Publikum, das aufmerksam bis zum Schluss blieb und – wichtig für den Autor – fleißig Bücher kaufte und signieren ließ. Noch wichtiger aber war die Diskussion. Kaum Zweifel am Befund des verrotteten schwürkisen Systems.

Einschub: falls es Zweifel gibt, ob man das Genehämmer „schwarz“ oder „türkis“ nennen sollte, schlage ich als Alternative diesen Neologismus vor: SCHWÜRKIS. Es beinhaltet das Schlimmste aus beiden Welten, ist ein bisserl verschwitzt, ein bisserl fies, ein bisserl mühsam und beladen, bückt sich aber am Ende doch freudig nach der Seife, die ihm die Rechtsextremen in der Dusche des Fitnessstudios vor die Füße werfen. Und wird es am Ende nicht gewesen sein wollen. Schwürkis: mit Schwung in den Untergang!

Melancholie kam in Steyr auf, als es um die SPÖ ging, um die Machtfrage an der Spitze. Die rote Stadträtin fragte, wie man mit den Prozessionen der Corona-Verhetzten umgehen solle, die wöchentlich durch Steyr ziehen. Ich verwies auf das Argument des alten Ernst Bloch (Erbschaft dieser Zeit), man dürfe den Braunen nicht leichtfertig Versatzstücke seiner Kultur überlassen. Und man müsse in der Teilmenge der Frustrierten die Geprächsbereiten ansprechen; nicht alle, die gegen Impfungen sind, haben den Verstand verloren. Sie haben nicht recht, aber man muss und kann mit ihnen reden; auch über die autoritären Fehler bei Corona, etwa den triumphalistischen Missbrauch der Impfpflicht. Eine gewisse Zahl der total Verhetzten ist vermutlich verloren, sagen wir zehn Prozent; es sind jene, die sich entschlossen haben, ihren rechten Führern zu glauben, auch wenn sie wissen, dass diese lügen (dem entwurmten Kickl oder der bellenden Belakowitsch zum Beispiel).


Geredet wurde naturgemäß über die Machtfrage in der SPÖ und die Kandidatur Nikolaus Kowalls. Jeder hat jetzt seine Kowall-Anekdoten, so auch ich. Einst, es war in unseren goldenen Kindertagen, so um 2016, als ich mit Harald Mahrer (of all people) in einer zivilgesellschaftlich inspirierten Konspirationsgruppe saß, die das Ziel hatte, eine Regierungsbeteiligung der Strache-FPÖ zu verhindern; einst, als mich eine ÖVP-Organisation einlud, eine Debatte  zwischen Mahrer, dem potentiellen Wirtschaftsführer und Kowall, dem potentiellen Arbeiterführer zu moderieren; da ging es um Sozialpartnerschaft, und es war ein ernsthaftes Gespräch, wie man sagt, auf Augenhöhe und voll gegenseitigem Respekt. Es war, als lausche man den Exponenten einer zukünftigen Nebenregierung.

Mahrer wurde schnell zum Verräter und schwenkte von seinem Protektor, dem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zu den türkisen, nicht einmal schwürkisen Geschwadern von Kurz und Sobotka um, denen der Geruch von Dolchstoß und Meuchelmord am Parteifreund Mitterlehner bis ans Ende ihrer Tage anhängen sollte. Sollte, würde sie nicht das Kurzzeitgedächtnis in Unschuld baden. Mahrer wurde für seine Untat mit zahllosen Funktionen belohnt.

Kowall aber wurde wie zahllose mögliche junge Leader von der SPÖ abgewiesen oder abgestoßen. Kowall hatte in Wien das Verbot des Kleinen Glücksspiels durchgesetzt und wurde für diese volksfreundliche Tat von der Volkspartei SPÖ geächtet. Er ging ins Ausland und begann eine akademische Karriere als Ökonom, die er mittlerweile an einer hiesigen Fachhochschule fortsetzt.

Die Ansage, er kandidiere gleichsam mit Vorbehalt, falls sich geeignetere Personen melden würden, disqualifiziert ihn nicht gerade, er nimmt sich jedoch selbst damit den Nipf, wie wir Teilzeitoberösterreicher sagen.

Seine Bewerbung ist zudem ausnehmend schlecht geschrieben. Aber mit ein paar zentralen Dingen hat er völlig recht.


Weder Rendi-Wagner noch Doskizil sind geeignete Kandidaten.

Die Diskussion um die Revitalisierung der SPÖ gehört politisch geführt, nicht als Yellow-Press-gerechtes Kammerspiel der Charaktere. Trägt Kowalls Kandidatur, von der man zur Stunde nicht weiß, ob sie überhaupt zugelassen wird, dazu bei, hatte sie schon einen Sinn, sagt Eva Linsinger im Profil. Richtig.

Mir ist das zu wenig. Kowall mag wie Rendi-Wagner keine Hausmacht haben (die Unterstützung der Wiener SP gibt ihr nicht Macht, sie ist, weil sie Rendi mit unfähigen Zwangsberatern ausstattet, eine Entmächtigung). Aber Kowall stellt sich der Rechten entschlossen entgegen (anders als Doskozil). Und er kann es glaubhaft begründen (er braucht keine Konfrontation zu fürchten, anders als beide anderen).

Das ist es, was beiden anderen fehlt: die glaubhafte Verkörperung von Überzeugung, der Kampfgeist, der aus einem Ziel entsteht, das außerhalb der persönlichen Interessen der wahlwerbenden Person liegt. Und der intellektuelle politisch-ökonomische Hintergrund, um das auch argumentativ durchzuhalten, jenseits von ein paar gespindokterten Vorbereitungsfolien.

Man kann mit erschwindeltem Charisma (das aber auf gewissen Fähigkeiten beruhen muss, wie jenes von Kurz) eine gewisse Zeit lang reüssieren.

Die Sozialdemokratie aber braucht eine andere Form von Glaubwürdigkeit an der Spitze. Kowall ist vielleicht nicht die Lösung, aber ein brauchbarer Fingerzeig darauf. Und wer ihn mit durchsichtigen Tricks verhindern möchte, verdient sich das Prädikat „Totengräber der SPÖ“. An denen mangelt es in dieser Partei offenbar nicht.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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