Niederösterreich zurück ins Mittelalter! Oder: die Verschütt-Koalition.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 968

Armin Thurnher
am 18.03.2023

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Das Positive zuerst. Das Koalitionsabkommen der ÖVP mit der FPÖ in Niederösterreich sieht keine finanzielle Unterstützung für Putins Armee vor. Nein, keine Scherze heute. Nichts Positives zu sehen. Nichts.

Frau Mikl-Leitner übersprang ihren Schatten und schüttete Gräben zu, sogar ihre eigene Befindlichkeit spielte keine Rolle. Es ging um die Koalition mit der FPÖ, von Oskar Deutsch, dem Vorsitzenden der israelitischen Kultusgemeinde „politischer Arm der deutschnationalen Burschenschaften“ genannt.

Ich lernte also, dass Befindlichkeiten in der Politik keine Rolle spielen dürfen. Außer, es geht um die SPÖ. Im Fall der SPÖ war es reine Befindlichkeit der ÖVP, die Gräben aufriss. Die roten Rotzer waren zu frech.

Man kann ja nicht Dinge fordern, die im Interesse der Bevölkerung sind, das schadet dem Standort.

Es waren keine Argumente, bloß Befindlichkeiten, aufgrund derer die ÖVP nicht mit der SPÖ weiterverhandelte sondern sich mit der FPÖ einigte. Und zwar auf einen Dunkelmänner- und -weibervertrag, wie man ihn in Zeiten, da es vorgeblich um Standortattraktivität geht, lange suchen muss.

Die Kröten sprangen aus den Mündern der beiden Protagonisten, als sie das Abkommen präsentierten; Udo Landbauer, der sich als Art Vollzugsengel der Geschichte aufplusterte und seinen Wortbruch als heroische Tat aufputzte, wobei er nur „die Niederösterreicher“ ansprach, macht mich, wenn er so weitertut, noch zu einem Anhänger des Genderns. Der Boden des Landhauses war ganz bedeckt mit den schleimigen Amphibien, die jedesmal heraussprangen, wenn eine Lüge gequakt wurde.

Danach sah man die beiden Protagonisten auseinander gehen. Landbauer wandte sich grußlos ab, der Kerl verzichtet ostentativ auf die primitivsten Benehmensregeln. Solche Rüpelhaftigkeit ist Programm, wir kennen das. Mikl-Leitner heckte, ihm finsteren Antlitzes nachblickend, schon das erste Revanchefoul aus.


Im Zentrum ihrer Einigung steht der Corona-Revisionismus, ich bin versucht zu sagen, der Corona-Faschismus. Ein Revirement der Irrationalität. Wissenschaftsfeindlichkeit gehört also zur Standortattraktivität, das lernten wir schon aus dem Kanzlergestammel an die Nation. Klima, naja, da wollen wir uns nicht so aufregen. Wir brauchen Verbrennungsmotoren, denn wir sind ein Standortland, pardon, ein Bewegtland. Wer uns in unserer Bewegung einschränkt, wird uns kennenlernen: „Ein Bekenntnis zum Individualverkehr schließt auch den Willen ein, diesen vor mutwilligen Störungen zu schützen. Dies erfordert ein entschlossenes und rechtlich effektiveres Vorgehen gegen sogenannte ,Klimakleber‘“ (Arbeitsübereinkommen, Seite 30).

Corona? Da ist viel Unrecht getan und zu wenig Entwurmungsmittel verschrieben worden. Das Positive will ich herausheben: es sind vorläufig keine peinlichen Vernehmungen vorgesehen, die Wiedereinführung öffentlicher Züchtigungen für nicht kooperative Fremdlinge ist noch sistiert, von Hexenverbrennungen wird bis auf weiteres abgesehen. Wir kennen allerdings die Sideletter noch nicht.


Corona ist Teil der Präambel des Gräbenschüttabkommens, sein Punkt Eins, der im Inhaltsverzeichnis aber nicht vorkommt.  Ein einziger Satz zeigt brennpunktartig, dass die Herrschaften nicht nur nichts verstanden haben, sondern dass sie vollkommen verantwortungslos gegen die Interessen der vielbeschworenen Menschen handeln. Punkt Acht im Kapitel Corona lautet:

„Das Land Niederösterreich wird keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung durchführen“ (Arbeitsübereinkommen, Seite 6). Das heißt, der Staat, diesfalls das Land, verpflichtet sich, seine Fürsorgepflicht gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern zu verletzen.

Ich bin kein Staatsrechtler, aber das scheint mir doch ein ziemlich flagrantes Offizialdelikt zu sein. Nicht wissend, wann und ob die Pandemie in welcher Form wiederkehrt oder wiederauflebt oder weiterlebt, verpflichtet sich der Staat, zu unterlassen, was im Interesse seines Staatsvolks ist.

Dies bei wissenschaftlicher Klarheit, dass die Impfung weltweit Millionen Menschen das Leben gerettet hat. Das ist, als würden sie ins Abkommen schreiben: Die Regierung verpflichtet sich, künftig auf Aufklärung zu verzichten. Das ist es wohl, was sie meinen. Sie wollen auf Aufklärung verzichten. Das Opfer des Intellekts wurde von den Rechtsextremen gefordert und von den ihnen geneigten Schwürkisen dargebracht.

Um nicht missverstanden zu werden: die Politik hat sich in der Pandemie nicht besonders gut verhalten, ist oft weit übers Ziel hinausgeschossen, vor allem dann, wenn sie versuchte, Corona für ihre Kurz-süchtigen (har har) Zwecke zu vereinnahmen. Aber daraus zu lernen, indem man nicht nur Lernverweigerung postuliert, sondern sich gleich auf schädliches, antiaufklärerisches Verhalten festlegt, das ist ein Kotau vor Dunkelmännertum und Gegenaufklärung, der sich gewaschen hat.

Standortvorteil Mittelalter! Vielleicht möchten Frau Mikl und Herr Landbauer gemeinsam beim Europaforum eine Springprozession abhalten, wobei sie Wälle gegen die seuchenversessene Wissenschaft aufzuschütten?

„Niederösterreich weiterbringen“ ist das „Arbeitsabkommen“ genannte Pamphlet betitelt. Vielleicht sollte man es umbenennen in „Niederösterreich umbringen“. „Das Land Niederösterreich wird keine Werbemaßnahmen mehr für die Corona-Impfung durchführen.“ Das heißt natürlich alles und nichts. Nichts, weil man im Fall einer neuen Krise naturgemäß eine andere Impfung vorliegen haben wird als „die Corona-Impfung“. Also ist die Formulierung wertlos. Alles, weil solche Subtilität im Zeitalter des Kanzlerstammelns nicht mehr unterstellt werden kann. Es heißt, was es heißt. Wenn die Pandemie kommt, seht ihr selber, wie ihr damit fertig werdet.

Ein Satz genügt, man weiß Bescheid.

Ich habe zum Schluss noch ein Lied für die Liederösterreichkoalition:

Hoppe, hoppe Reiter

Wenn er fällt, dann schreit er

Fällt er in den Graben

Fressen ihn die Raben.

Fällt er in den Sumpf

Macht der Reiter plumps.

Frohes Weiterschütten!


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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