Zur medialen Verdunkelung des Landes. Und ein Wort an den ORF.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 966


ARMIN THURNHER

16.03.2023

Foto: ZIB 1

Der Himmel über Sankt Pölten verfinstert sich. Das bedeutet nichts Gutes. Der Bundeskanzler von Verniederösterreich hat in seiner vielbeschwatzten Rede vielerlei gesagt, wenig aber über den ORF. Das ist ein Alarmzeichen. Zumal seine türkisgrünen Schwestern im Geiste eine Medienpolitik betreiben, die klarmacht, dass sie auf öffentlich-rechtlichen Geist keinen Wert legen.

Die Verniederösterreicherung des ORF ist durch die Besetzung des steuerbaren Roland Weißmann gut vorangekommen; allerdings sind Pannen zu vermerken wie der Fall des niederösterreichischen Landesdirektors Robert Ziegler. Seine Zukunft ist dennoch licht. Er tappte in eine Falle für weiße Elefanten.

Der kurz unterbrochene kometenhafte Aufstieg des Herrn Grasl erweist sich hingegen als Vorteil für die mediale Verdunkelung des Landes. Eigentlich vorgesehen für Weißmanns Posten und nicht steuerbar, sondern bereits so kursfixiert, dass keine Steuerung nötig ist, eine Kombination aus unguided und unnecessary to guide, vielleicht das giftigste aller Giftpakete, hat Grasl längst die Macht in den Raiffeisen-Medien übernommen, sodass dort mit dem laffen Liberalismus des Christian Konrad Schluss ist.

Die Meldung, dass Grasl mit Sebastian Kurz bei Fabios zum Lunch war, passt sehr gut zu einer weiteren Meldung, dass nämlich der Kurier die digitale Vermarktung des sogenannten Mediums Exxpress übernimmt. Dessen Chefredakteur Richard Schmitt, ein von allen Boulevardmonstern wegen boulevardesker Monstrosität gefeuerter Rabauke, gefällt sich in der Rolle eines Austro-Desinformanten im Stile von Breitbart. Es fehlt seinem Medium an Breite, aber nicht an Bösart. Ein Austro-Schmalbart, gewissermaßen, die digitale Version des gemeinen Gamsbarts.

Zwar formiert sich im Kurier auf unterer Ebene Widerstand gegen diese Idee, aber der Durchgreifer Grasl wird sich von dieser genialen Strategie nicht abhalten lassen. Wir dürfen annehmen, dass beim Lunch mit Sebastian Kurz solche Kooperationen durchaus wohlwollend erwogen wurden. Kurz’ Partner, der reiche Investor Alexander Schütz ist bekanntlich mit seiner Frau Eva Hieblinger-Schütz, der Mehrheitseigentümerin, Financier von Schmalbart.

Kurz wiederum hat von seinen US-amerikanischen Freunden gelernt, wie man sogenannte Mainstream- oder Legacy-Media meier macht. Man animiert Milliardäre, Desinformations- und Schmutzmedien zu finanzieren, der Rest ergibt sich wie von selbst. Vor allem, wenn man mit mächtigen rechten Verlegern traditioneller Medien im Bund ist. Raiffeisen schickt sich unter Grasl also an, den Austro-Murdoch zu machen, von Fox News bis zu Wallstreet Journal alles da.

Zugleich muss man, will man die traditionelle Öffentlichkeit diskreditieren, alles tun, um alle den journalistischen Verfahren, dem redaktionellen Journalismus und der Unabhängigkeit der Publizierenden verpflichteten Medien anzugreifen, mit Klagen oder gegen Personen gerichteten Kampagnen einzuschüchtern oder anzupatzen und ihnen wirtschaftlich den Boden unter den Füßen wegzuziehen. Da hilft der Schmitt vom Exxpress, ein Steve Bannon für Wohlstandsverwahrloste.

Das alles läuft vor unseren Augen ab. Kurz hatte sich mit seinem Lieblingskoalitionspartner Heinz Christian Strache und dessen Innenminister Herbert Kickl ja intern darauf geeinigt, den ORF kleinzukriegen, um dort endlich dieser grassierenden Seuche namens journalistische Unabhängigkeit Herr zu werden, sprich, die rot-grün-pinken Gfrieser abzuschießen, die täglich aus der Glotze grinsen und zu Kanzlern aller Arten frech sind.

Die Regierung muss aufgrund eines Verfassungsgerichtsurteils das Inkasso des ORF neu ordnen und hat sich zu einer Haushaltsabgabe entschlossen, nicht die schlimmste Variante. Zugleich maßt sie sich an, in die Finanzierung des ORF einzugreifen, was sie – bei wehrhafter Interpretation der Stiftung – nichts anginge. Aber die Stiftung hat sie über ihren Freundeskreis (noch) fest im Griff. Noch? Bis zu den nächsten Wahlen. Dann können Blauschwarz den Faden von Kurz und Strache aufnehmen und dem ORF den Strick daraus drehen.

Was aber tut dieser ORF derweil zu seiner Verteidigung? Er veröffentlicht eine Umfrage. Eine Umfrage! Eine Umfrage, die zeigt, dass mehr als 50 Prozent der Bevölkerung mit der Haushaltsabgabe einverstanden sind. Wütende gegensperrfeuernde Desinformanten, von Exxpress bis zu VP- und Kickltrolllen, sind das Ergebnis.

Leute im ORF! Die Zeit mag schon abgelaufen sein, aber vielleicht wären mindestens drei Sofortmaßnahmen angebracht:

  1. Gebt Stefan Kappacher und seinem Team der Ö1-Sendung Doublecheck schleunigst eine TV-Sendung, um das Thema „öffentlich-rechtlich und seine desinformativen Feinde“ der Öffentlichkeit IM FERNSEHEN zu erklären!
  2. Macht ein wöchentliches Diskussionsformat, in dem ihr unter einer vernünftigen Moderation über nationale und internationale Medienfragen debattieren lasst, ja auch über Gebühren!
  3. Macht ein wöchentliches politisches Diskussionsformat, das den Namen verdient!

Ich höre ja schon auf. Aber wenn ich sehe, wie die Zeit der Dunkelmänner heraufzieht; wie der Corona-Revanchismus in offenen Corona-Faschismus umschlägt und die Frau Mikl-Leitner vor lauter Macht- und Postenerhaltsgewinsel vor einem Udo Landbauer in die Knie geht; wenn ich sehe, wie die Sozialdemokratie, die medienmäßig eh schon immer auf der falschen Seite war, sich selbst erledigt; wenn ich dem Kanzlergestammel die Entschlossenheit ablausche, den Kurz-Strachekurs fortzusetzen: wenn ich den Grasl in aller satter Zufriedenheit in jenem ORF aufglänzen sehe, den er lieber heute als morgen kaputtmachen würde; ja, wenn ich all das sehe, dann wird’s mir doch ein wenig anders.

Ihr – das heißt die noch nicht durchverniederösterreicherten Bereiche in euch – müsst doch als das größte Medium des Landes imstande sein, Argumente und Informationen für euch selbst vorzubringen, die sich auf ein Niveau erheben, das jenes der hilflos-tückischen politischen Parteien beschämt. Und nicht mit Umfragen daherkommen, die das Parteiengetriebe bloß nachahmen und womöglich unterbieten. Kommt ins Tun! Tutet in den Kamm! Oder schämt euch für alle Zeiten.

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.

Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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