Die SPÖ und die Königsdramenfalle.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 965

Armin Thurnher
am 15.03.2023

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Salbung eines altägyptischen Königs mit Öl Abbildung: Wikipedia

Ist das eine Überraschung! Hans Peter Doskozil will Parteiobmann der SPÖ werden. Mit seinem Antrag auf Mitgliederbefragung möchte er die von Pamela Rendi-Wagner angestrebte schnelle Entscheidung um Vorsitz und Kanzlerkandidatur auf einem Sonderparteitag verhindern.

Die Freunde des Konflikttheaters, das den Medien Aufmerksamkeit bringt und den Schwarzen und Blauen Ablenkung, leben auf. Man kann aber auch einmal ein Wort zur Beruhigung sagen. Zwei von drei Landtagswahlen sind geschlagen, ob der Konflikt in Salzburg noch ein paar Prozent hinauf oder hinunter bewegt, ist auch schon wurscht.

Kanzler Nehammer hat sich durch seine neueste Offensive trotz harter Fronarbeit der meisten Medien nicht eben gestärkt. Er wird keine Wahlen gewinnen. Was Herbert Kickl betrifft: Weniger seine Scharfmacherei führte zu Umfragekonjunkturen der Blauen, als vielmehr die Schwäche der anderen Parteien.

Eine SPÖ mit deutlich über 30 Prozent böte die Möglichkeit einer Ampel. Sie wäre die einzige Möglichkeit, diesen Staat zu retten, indem die ÖVP von der Macht entfernt und die FPÖ redimensioniert wird. So etwas muss Teil eines politischen Konzepts sein; nicht der in der SPÖ immer starke kabinettspolitische Machtinstinkt, der wieder auf Schwarz-Rot (oder umgekehrt) zusteuert.

Zugleich bietet das Schauspiel in Niederösterreich neue Tiefpunkte. Dort erniedrigt sich die ÖVP so scharf, dass Johanna Mikl-Leitner vor Scham und Empörung über sich selber bebt, weil sie eine Koalition mit Landbauer, Waldhäusl und anderen Koryphäen eines sich neu formierenden Faschismus anstreben muss.

Wie anders als neu formierenden Faschismus soll man diese scharfmacherisch, verlogene Zusammenballung aus Dunkelmännertum, Xenophobie, Wissenschaftsfeindlichkeit und Corona-Revisionismus bezeichnen, die so tut, als wäre diese Pandemie, die Millionen Todesopfer forderte, eine Einbildung zwecks Erniedrigung der anständigen und fleißigen Österreicher gewesen. Und als wäre nun eine „Wiedergutmachung“ zu leisten; allein dass solche Leute die Stirn haben, dieses Wort zu verwenden und ihnen Frau Mikl-Leitner daraufhin nicht die Tür weist, sondern von Gräbenzuschütten redet, allein das zwänge eine Sozialdemokratie, sich zusammenzureißen.

Die Erfrischung der Demokratie in Österreich erfordert endlich einmal einen Machtwechsel, und der kann nur bedeuten: die ÖVP in die Opposition zu schicken.


Immerhin bietet sich nun die Gelegenheit einer Erneuerung der SPÖ.

Sie hat zu viele offene Fragen zu klären, und sie hat das Glück, dass bis zu den nächsten Wahlen noch eineinhalb Jahre Zeit ist. Weder die ÖVP noch die Grünen können derart vom Todestrieb geritten sein, dass sie ihre Regierungsfrist verkürzen wollen.

Ich wiederhole mich gern: in Wirklichkeit sind weder Pamela Rendi-Wagner noch Hans Peter Doskozil optimal geeignet, die Partei zu führen. Auch wenn vermutlich Doskozil bei Wahlen mehr Stimmen bekäme, ist er doch aufgrund seiner Kehlkopfprobleme in Zeiten, da es entschlossene öffentliche Widerrede gegen rechte Verführer und konservative Dunkelmänner zugleich braucht, als Spitzenkandidat ungeeignet.

Pamela Rendi-Wagner hingegen war erst so richtig überzeugend, als sie Schulungen und Tipps der schlechten Ratgeber kübelte und sich für sich selbst ins Zeug legte. Einer klugen Frau wird Unrecht getan, zweifellos. Erstens durch ihr schwaches Beraterteam, zweitens durch die ihr aufoktroyierte Zurückhaltung und das verordnete „staatsfrauliche“ Auftreten, vor allem in der Corona-Krise.  Ob sie dieses Feuer auch „unchained“ entwickeln kann? Fast scheint es dafür zu spät.

Wo bleibt der Jugendputsch in der SPÖ? Den hätte man, nach Beobachtung des Kurz-Plans, halt vorbereiten müssen. Geeignete Leute sollte es geben. Wo bleibt der Versuch, das vorhandene intellektuelle Potential wiederzugewinnen oder sichtbar zu machen?

Die Forderung der Stunde lautet jedenfalls: Öffentliche Auseinandersetzung ist keine Schande, sondern demokratisch. An zu klärenden Fragen fehlt es nicht.

Die vorerst spannendste Frage wird sein, ob es der SPÖ gelingt, sich aus der Königsdramenfalle zu befreien – in guten Königsdramen sind am Ende alle tot – und sich dem österreichischen Drama zuzuwenden. Dabei muss sie sich weder hetzen lassen, noch braucht sie die Öffentlichkeit zu scheuen. Vielleicht ist sogar ihr Verhältnis zur Öffentlichkeit ein Teil ihres Problems. Nein, das ist keine andere Geschichte.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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