ORF: Roland Weißmann als Gaskassier

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 960

Armin Thurnher
am 09.03.2023

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ORF-Chef Roland Weißmann in der ORF-Sendung „Report“ am 7.8.

Es ist kein Geheimnis: konservative Regierungen fürchten den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das kommt davon, dass sie keine Konservativen sind, vielmehr eine Art konservative Revolutionäre. Ihre Waffen sind nicht mehr (noch nicht mehr) frustrierte Weltkriegssoldaten, wie in den 1920er Jahren. Ihre Waffen sind rein ideologisch, mit Medienkapital unterfüttert. Sie beziehen sich auf das freiheitliche Arsenal der Wirtschaftshegemonie, welche Neoliberale über uns gebracht haben, und haben das bereits so verinnerlicht, dass Alternativen undenkbar scheinen. Das Unwort „freiheitlich“ scheint in diesem Zusammenhang einmal angebracht.

There is no alternative, lautete Margaret Thatchers berühmter Kern- und Merksatz. Statt ihn als Inbegriff der Idiotie zu brandmarken (es gibt immer eine Alternative), wurde er zur Maxime von Entstaatlichung und der Verherrlichung privaten Unternehmergeists. Der, wie in Silicon Valley ersichtlich, stets auf dem Boden staatlicher Interventionen und Investitionen gedieh.  Das nur nebenbei.

Bitte, ich bin als Unternehmer selbst ein Freund von Unternehmungsgeist und weiß, was gemeint ist, wenn unsereiner über Bremsklötze gewerkschaftlicher Natur jammert. Das ist noch immer etwas anderes, als die Berechtigung von Gewerkschaften in Frage zu stellen oder die Notwendigkeit, den Schwächeren und Ärmeren eine politische Vertretung zu missgönnen.

Dass die Konzepte des rheinischen Kapitalismus oder des New Deal oder des leistungsfrohen Sozialismus, wie immer man das nennen will, allesamt in Verschiss geraten sind, ist natürlich Folge der erwähnten ideologischen Großoffensive. „Solidarische Hochleistungsgesellschaft“ nannte es übrigens Alfred Gusenbauer, der letzte SPÖ-Vorsitzende, der sich noch für Ideen interessierte; daran scheiterte er nicht.

Inzwischen ist mit Händen zu greifen, dass es falsch war, die Idee zu kübeln, auch die arbeitenden Klassen in gerechter Weise am Fortschritt teilnehmen zu lassen. Vielleicht kann das Neue nur entstehen, wenn das Alte kaputt genug ist; und vielleicht ist das Alte, der Sozialstaat, in unserem Fall noch nicht kaputt genug.

Dass es etwas Neues braucht, ist mit Händen zu greifen. Aber das Neue, das es braucht, wird sich nicht gegen Sozialstaat oder rheinischen Kapitalismus, sondern gegen den losgelassenen Extraktionskapitalismus richten.

Was der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit alldem zu tun hat? Man kann sagen, die postsozialstaatliche Medienszene, ohne jede öffentliche Rechenschaft, im Zentrum geheime, profit-programmierte Algorithmen und ebensolche Künstliche Intelligenz, tut alles, um erstens gesetzliche Regelungen zu beseitigen oder zu unterlaufen, die sie einhegen. Zweitens versucht sie, möglichst viele Elemente eines Journalismus zu diskreditieren und zu eliminieren, die sich öffentlich legitimieren wollen.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist so etwas wie die mediale Entsprechung des Sozialstaats. Deswegen attackieren ihn die Rechten. Am hässlichsten ist das in Großbritannien zu besichtigen, wo die Tories seit Jahren versuchen, die BBC kaputtzumachen, was stückweise zu gelingen scheint. Das zeigt sich in Phänomenen wie der Zurückstutzung der drei Orchester und jüngst der Einstellung der BBC-Singers, aber auch in diversen Korruptionsskandalen und einer Berichterstattung über Gemüseengpässe, die regierungstreu dem schlechten Wetter und nicht dem Brexit zugeordnet werden.

Bei uns ist Matthäi am letzten. Der schwache ORF-Generaldirektor Roland Weißmann zeigte sich jüngst, o Wunder, in der Politiksendung „Report“ und argumentierte für ORF-Beiträge auf dem Niveau eines Gaskassiers, der seinen Kunden erklären möchte, warum die Stadtwerke auf den Energiemärkten herumspekulieren. Auf die Idee, Argumente für den Sender und für das öffentlich-rechtliche Wesen vorzubringen, kam er nicht.

Das von mir gern bei solchen Gelegenheiten empfohlene Medium Übermedien brachte vor kurzem die vernichtende Kritik  einer missratenen Debatte über öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auch wenn diese Debatte eine Katastrophe war, was ich dem Stefan Niggemeier gerne glaube, enthebt es die Anstalten nicht solcher und vieler anderer, besserer Versuche. Wenn man nichts tut, wie der ORF, bringt man in der Sekunde höchster Gefahr nichts mehr zusammen und wird zum wehrlosen Verweser seines eigenen Untergangs. Wer vorbereitet Weißmann?


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

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