Gestern war Tiertag. Und Sägetag.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 959

Armin Thurnher
am 08.03.2023

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Als ich gestern über die Brücke ging, sprengte die Rehgeiß nach rechts davon. Ich weiß nicht, ob Rehgeißen sprengen, das sagt man sonst den Pferden nach. Aber die Flucht der Rehgeiß hatte etwas von Galopp, wenngleich die Geräusche ihrer Schalen (so nennt man ihre kleinen Hufe, ich habe nachgeschaut, die Frau hat den Jagdschein und wüsste das, ist aber nicht da) durch das matte Heu und Stroh gedämpft wurde, durch das sie federnd schnellte.

Es würde ein Tiertag werden, das sah ich bereits in der Früh beim sehnsuchtsvollen Blick nach dem Falken. Meist war dieser Blick in den vergangenen Monaten vergebens geblieben, außer einem turtelnden Pärchen (turteln Falken?), das sich mit lichtdurchbrochenen Schwingen flatternd und keckernd als ginge es nicht ans Vögeln, sondern ans Killen, um die Turmspitze herumgetrieben hatte.

Wobei, um der Wahrheit die Ehre zu geben, der Rostbraune (oder war es die Rostbraune?) sich manchmal schon auch in die Fensterlaibung unter dem Dach gesetzt hatte; aber sie sind wieder im Haus, das sind gute Nachrichten. Und jetzt saß er oben, auf der spitzigsten Spitze, der Herr Falke, nicht auf dem Sporn oberhalb der Dachluke, wie es ihn seine Altvorderen gelehrt haben müssten, dort wo der Falkenkot von Generationen weiße Spuren auf den Ziegeln hinterließ. Nein, dieser hier war ein Weitschauer und ein Besserwisser. Er klammerte sich an die haarnadeldünne Spitze ganz oben auf der Turmspitze, von wo er so gleichmütig Ausschau hielt, als säße er auf einem bequemen Ästchen.

Hundert Meter in die andere Richtung hing eine fette Taube auf der Schwarznuss, ein großer Vogel, aber wenn wir ihn im Feldstecher näher betrachten, sind wir enttäuscht; bei dieser Größe würden wir doch etwas Mörderisches erwarten, nichts harmlos Rollendes. Der freundliche Türkischmann von der Pizzeria am See sagte uns, ihm seien ein paar Rolltauben ausgebüchst, die er und seine Verwandten als Hobby züchten. Wir beschrieben die bei uns untergeschlüpften Exemplare, und er erkannte sie wieder. Trotz Einladung hat er sie aber nicht geholt.

In der Märzsonne ließ sich auch Fredi sehen, der weiße Kater, der Schwarzenegger unter den weißen Katern, Muskel durch und durch. Zu mir hat er Vertrauen gefasst, denn ein Kater braucht Streicheleinheiten, und ich brauche Katerstreicheln; so hat sich eine Zweckgemeinschaft gebildet. Er will gebeten sein, der Kerl, und poussiert dann herum, als wolle er nicht, in Wahrheit hat er mir aber das Zeichen gegeben, dass er will, und wir nähern uns einander vorsichtig, schon wirft er sich auf den Rücken, geht wieder ein Stück weg von mir, aber durch gutes Zureden lässt er sich herbei, sich herbeizulassen, und da liegt er schon auf dem Buckel und schnurrt.

Doch was ist das? Er schrickt auf und schaut zur Garage hinüber. Dort steht sein Freund und Zwetschkenröster, der rote Kater Fuzzy, und beobachtet uns. Geniert er sich, der Fredi? Macht ihn Fuzzy nervös? Jedenfalls fehlt auf einmal die Konzentration bei der Hingebung. Na gut, denke ich, schleichst dich halt, und fasse treulos den Roten ins Auge, welcher für seine Scheu weit und breit bekannt ist. Aber heute bleibt er stehen, das, was der Fredi bekam, will er jetzt auch. Ich rede ihm zu. Das gleiche Spiel wie mit dem Weißen kann auch mit ihm gespielt werden. Zwei fette, scheue Kater hintereinander in die Schnurr-Ekstase gestreichelt, wenn das kein Tiertag ist!

Hannibal lächelt verständnisvoll von oben. Sofort werden die Meisen gefüttert, die im Innenhof schon gemeldet haben, dass sie ihre Kost als zu schmal empfinden.

Für die SPÖ-„Debatte“ gerüstet Foto © privat

Dann fällt mir unversehens die SPÖ-„Debatte“ ein. Voller Dankbarkeit über diese Erinnerung hole ich die Kettensäge heraus und mache ich mich ans Projekt Naturzaun. Einmal war auch ich bei Stöckl und saß dort neben Elisabeth Feichtinger, damals SPÖ-Bürgermeisterin aus Altmünster, sehr jung, proper und lustig, die freudig erzählte, ihr Hobby sei Kettensägen, allerdings tendierte sie eher in die Schnitzrichtung, während ich doch ein brutaler Zusammensäger geblieben bin. Sie schenkte mir und allen anderen ein hübsches Schneidbrett aus Holz, das ich  noch in Verwendung habe. 2021 wurde sie als Bürgermeisterin abgewählt und sitzt jetzt im Nationalrat.

Ich weiß nicht, ob es mir gelingen wird, aber ich habe vor, die ausgewachsenen Bäumchen hintaus abzuschneiden, einige aber nur in Kopfhöhe und diese als natürliche Zaunpfosten stehenzulassen, zwischen die ich die abgeschnittenen Bäume und Äste klemme. Mal sehen, ob was draus wird. Sonst mache ich es wie der Mann aus dem Süden. Ich lege, was mir zu hoch ist, einfach um und schneide es kurz und klein.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate! Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!