Masken, Aufklärung, Kickl. Und wen VdB bitte am Ohr ziehen sollte

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 954

Armin Thurnher
am 02.03.2023

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Der Fasching ist vorbei, außer für Kickl, permanent im Bösclownmodus. Aber die Masken in den Öffis dürfen weg. Endlich! Kollektiver, aus den Medien widerhallender Seufzer. Sozusagen der Schlussstrich unter den Versuch, aufgeklärt mit Corona umzugehen. Masken musste man dergestalt als Einschränkung individueller Freiheit begreifen, nicht als Schutz, weder der eigenen Person noch gar von anderen. Das wäre ja noch schöner, wenn wir lernen würden, Rücksicht zu zeigen.

Die Anstandslosigkeit triumphiert, aber sie ist nur ein Symptom der triumphierenden Gegenaufklärung. Dafür sind die schlechten Manieren des Sittenstrolchs Kickl nur ein Zeichen, denn er benähme sich gewiss lieber wie der Schwiegersohn aller Mutterträume, der er insgeheim sein möchte. Sein politisches Konzept erfordert halt den Kampf gegen die öffentliche Vernunft.

Den Manierenlosen mit Manieren zu bekämpfen ist schwer; aber der Bundespräsident hat völlig recht, sich in die juristische Arena zu begeben würde nur die Aufmerksamkeit für den Rüpel erhöhen, auf die es diesem ja vor allem ankommt. Es ist also gut, dass er den Behörden nicht die Ermächtigung erteilt, Kickl strafrechtlich zu verfolgen. Der würde sich weiterhin zum Opfer stilisieren.

Das Ganze kommt mir vor wie ein rückwärtslaufender Film der Aufklärung, rückwärtslaufend und zugleich auf dem Kopf stehend. Der vorgeblich um Freiheit und Volksfreundlichkeit bemühte Kickl gibt den räudigen Raubritter, dem alles erlaubt ist, im Vorgriff auf seine ihm kraft Popularität zustehenden Privilegien. An die Macht kommt man heute nur als neuer Feudalherr, und am besten mit schlechten Manieren.


Freiheitskämpfer der Aufklärung ergingen sich auch in der Produktion von Anstandsliteratur; bürgerliche Freiheit inkludierte gutes Benehmen als Zeichen einer Sittlichkeit, die sich vom Raubrittergestus, von der verlogenen Heuchelei des Klerus, von der gottlosen Autorität der absoluten Herrscher angenehm und gefällig abheben sollte. Gewiss, die sittsamen Bürger erwiesen sich schnell als Heuchler. Und auch die eisernen, unbeugsamen Proletarier mit den schwieligen Fäusten, die ihnen folgten, waren kaum je gute Demokraten.

Bürger und Proletarier erlagen jener Dialektik der Aufklärung, die ihre eigenen Kinder frisst, und mittlerweile so viele Kinder gefressen hat, dass Strolch Kickl und Konsorten als falsche, verlogene Aufklärer die Szene unsicher machen können, und es höchst an der Zeit ist, die Aufklärung wiederzubeleben.

Zu diesem Zweck hätten wir öffentlich-rechtliche Medien, seien es Zeitungen, digitale Redaktionen, Fernseh- oder Rundfunkanstalten. Sie zu stärken, zu ermutigen, in ihnen die Diskussion darüber laut und kräftig werden zu lassen, in welcher Form Aufklärung verteidigt und wiederbelebt werden kann (neu erfunden braucht sie bei Gott nicht zu werden), wie man vielleicht dem, was man einmal „Geist“ nannte, zu seinem Recht verhelfen kann, gegen Ungeist und Manierenlosigkeit der Rüpel und Strolche, solche Arenen der Öffentlichkeit zu stärken oder neu einzurichten muss Ziel jeder Politik sei, die vernünftig heißen möchte.

Eine Politik aber, die solche Arenen ausrotten will, weil sie meint, darin selbst zu Schaden zu kommen, die kommt so oder so mit Recht zu Schaden. In ihrer Medienpolitik legen Grüne und Schwarze die Maske ab. Sie zeigen sich als Werkzeuge der Strolche und Rüpel. Als schäbige, kleingeistige Machterhalterinnen, die ihre Macht auf eine Art erhalten, der es egal ist, ob die Demokratie dabei flöten geht.

Solche Grüne und Schwarze sind wahre Freunde Kickls und wahre Feindinnen der Aufklärung. Vielleicht sollte der Bundespräsident sie, wenn nicht klagen, so doch in aufklärerischer Absicht am Ohr ziehen.


Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Im Sinn des Maskenfalls habe ich übrigens mein stehendes Seuchenschlusswort neu formuliert (native speakers aller Länder, feilet daran!):

Distance preferably, hands when possible, masks when needed, always considerate!

Ihr Armin Thurnher

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