Besuch eines weisen alten Herrn. Waldhäusl: über Hetzer sprechen.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 931

Armin Thurnher
am 03.02.2023

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Gestern hatte ich Besuch eines alten weisen Bauern aus der Gegend. Ein eindrucksvoller Mann, ein Schwarzer naturgemäß (wie könnte es hier herum anders sein), aber menschenfreundlich. Er leistete Entwicklungshilfe aus eigenem, nicht mit Organisationen, verwirklichte Bauprojekte auf dem Balkan und in Lateinamerika, unterstützt Flüchtlinge, gründete genossenschaftliche Initiativen für Landwirte.

Er ist politisch äußerst wach, war von Kurz anfangs begeistert (das hat sich gegeben) und verfolgt nicht nur die Nachrichten, sondern auch das Geschehen dies- und jenseits der Grenze. Ich hatte nicht mitbekommen, dass sich in Tschechien nach der Herrschaft der Kommunisten und ihren verheerenden Kolchosen eine neue Art landwirtschaftlicher Totalisierung abspielt. Mein Besucher klärte mich auf. Es spielt sich diesmal im Zeichen des Großkapitals ab. Der EU-geförderte Kapitalist/Oligarch führt seine Leute mit Bussen zu Versammlungen in den kleinen Gemeinden, wo sie sich in die vordersten Reihen setzen und die Abstimmungen dominieren.

Dieser Mann sagte mir, er sei trotz allem ein Anhänger der Zusammenarbeit, man müsse aufeinander hören können, Rote und Schwarze. Man müsse doch so miteinander reden, dass die Basis des Gesprächs nicht zerstört werde, das sei das Schlimmste. Eine Art Friedrich Heer vom Land. Außerdem ist er dagegen, immer nach dem Staat zu rufen, es braucht Eigeninitiative, man muss die Dinge selbst in die Hand nehmen, sagt er. Es geht ja um Freiheit. Und er mache sich Sorgen, denn man müsste längst den Anfängen wehren. Wer aber von den Jungen könne noch wissen, was mit den Anfängen gemeint ist?


Mein Besucher ließ mich nachdenklich zurück. Dann bekam ich mit, was der Landesrat Waldhäusl auf Puls24 TV angerichtet hatte, und schrieb meine Kolumne. Absichtlich schlug ich Ermahnungen meines alten Freundes in den Wind, was die Schärfe der Formulierungen betrifft. Ich bin gewöhnt daran, dass mir nicht nur Faschisten und ihre Sympathisanten das Wort im Mund umgedrehen, darin besteht ihre Rhetorik; die Wort- und Sinnverdrehung ist längst Teil der digitalen Kommunikation geworden, die man zumindest in Teilen deswegen als faschisiert bezeichnen muss.

Das ist leider kein psychologisches Phänomen, es wird vielmehr durch die Wirkweise der Algorithmen begünstigt, die alles Zuspitzerische nach vorne bringen, weil es für kommerzialisierbare Aufmerksamkeit sorgt. Das haben mittlerweile schon viele verstanden, und mehr oder weniger ungläubig beobachten wir, wie unser durch diese Mechanismen zur Sucht gewordenes Verhalten einer unguten Modifikation unterliegt.

Ich wusste also, was ich tat, als ich Waldhäusl „Landesunrat“ nannte. Ich meine, auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil. Der „Unrat“ war naturgemäß eine Anspielung auf Heinrich Manns berühmten Roman, aber es schien mir das Faktum unzumutbar, dass offen rechtsextrem agierende Menschen wie Herr Waldhäusl in öffentlichen Ämtern zu besichtigen sind und dass sie in den Medien nicht zuletzt aufgrund ihres Provokationswerts ständig zu Wort kommen. Er ist ein Un-Rat, ein un-gehöriger, ein un-zumutbarer Rat. Kein Landesrat, ein Unlandesrat, ein Landesunrat eben. Wer daraus den Vorwurf ableitet, ich bezeichne Menschen als Müll, der soll sich selbst den Hals umdrehen.


Grob war der Keil allerdings. Er darf nicht unbegründet bleiben. Der entscheidende Unterschied zur Kommunikation der Faschisten, Neonazis und Rechtsextremen muss darin bestehen, dass man eben nicht Retorsion betreibt, nicht nur zurückschlägt, verdreht oder nachäfft, sondern hart und offen spricht, aber sein Sprechen begründet. Hart und offen, weil verklausuliertes Betroffenheitsgesäusel nichts bringt.

Meine Begründung bestand in drei Argumenten. Das erste war nur angedeutet. Erstens ist es nämlich dumm, „Wien bleibt Wien“ zu sagen und dabei an ein rein deutsches Wien zu denken. Was ist denn mit den Tschechen, den Jugos, den Juden, den Ungarn und all den andern, ohne die Wien nicht wäre, was es ist? Es ist nur, was es ist, weil es alle integriert hat (die mörderische Säuberungstätigkeit der Nazis musste mit Jahrzehnten der Entbehrung und noch längerer Dauer geistiger Provinzialisierung bezahlt werden).

Arbeitskräfte mit ausländischer Staatsbürgerschaft in Wien, via @JohannesKopf

Zweitens ist es ganz wichtig, Rechtsextremen entgegenzuhalten, dass sie gegen die Interessen jener Menschen handeln, für die sie angeblich sind. Ohne kontrollierte Zuwanderung (nur um diese geht es, für die lügenhafte Umdrehung, unsereiner sei für unkontrolliertes Grenzöffnen, gebührt dem Verdreher jedesmal eine aufs Maul, metaphorisch selbstverständlich) lässt sich unsere Gesellschaft nicht aufrechterhalten.

Das dritte Argument betraf das Asyl: wer eine Neudefinition von Menschenrechten im Sinn eines Zwei-Klassen-Menschenrechts fordert, wie das Udo Landbauer und Herbert Kickl wiederholt kaltschnäuzig taten, der ist gegen Menschenrechte, und wer gegen Menschenrechte ist, der ist ein Menschenfeind.

Dieses Argument tat weh und brachte zum Beispiel den faschistischen Verleger Stefan Magnet gleich auf Zweihundert, was nur zeigte, dass es sitzt. Man muss es regelmäßig vorbringen, damit es dem verführten und aufgehetzten Publikum dämmert, welcher Art die Vorschläge ihrer vorgeblichen Freunde sind: am Ende zahlen diejenigen den größten Teil der Rechnung, die anfangs am lautesten Heil schrieen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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