Blauer Montag, Sven Hergovich und Apfelkuchen.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 928

Armin Thurnher
am 31.01.2023

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Leserinnen und Leser backen Apfelkuchen: Wolfgang Grammel…

Sylvia Resel und …

… Martin Weismann

Auch diese Kolumne kennt ihren stillen Protest. Er drückt sich zum Beispiel so aus, dass der Apfelkuchen, den ich buk, als Alexander Van der Bellen angelobt wurde, von mehreren Leserinnen und Lesern nachgebacken und hoch gelobt wurde. Zu Recht; es gab auch Kritik, eine Leserin merkte – ebenfalls zu Recht –­ an, den Rand hätte ich wegschneiden oder wegkrümeln können. Ich habe es aus zwei Gründen nicht getan: Erstens wollte ich keinesfalls den Eindruck erwecken, eine Art Backprofi zu sein; ich habe den Kuchen so fotografiert, wie ich ihn gebacken hatte. Zweitens lasse ich ganz gern den Rand dran, der wird dann etwas stärker gebacken und schmeckt keksartig, das mag ich.


Dass das Publikum sich stärker für den Kuchen interessierte als für die Van-der-Bellen-Show hatte vielleicht auch inhaltliche Gründe. Wie geht man mit Herbert Kickl um? Dieser Mann vergiftet mit seinen Slogans seit dreißig Jahren die österreichische Innenpolitik, als Dienstleister Haiders, Straches und nun seiner selbst. Er ist rhetorisch wirklich gut, demagogisch hochtalentiert und auch mit hinreichend Intrigenfähigkeit begabt, sodass alle Korruptionsvorwürfe an ihm und seiner Partei abperlen.

Er schafft es als einziger, jenes Protestpotential in der Bevölkerung zu mobilisieren, das Oppositionsparteien wie die SPÖ offenbar nicht interessiert. Die fühlt sich so lange als Regierungspartei, bis sie in den ersten Bundesländern an den parlamentarischen Hürden scheitert.

Kickl schafft es auch, jene Form von Korruption zu thematisieren, welche die FPÖ in Kärnten selbst bis zum Exzess pflegte, als sie einmal an die Futtertöpfe gelangte: die Korruption von unten, auf Gemeindeebene. Nach der Wahl sagte ein freiheitlicher Anhänger aus Wiener Neustadt im ORF, es hätten sich (schwarze) Bürgermeister mit Baugenehmigungen und anderem einfach über gesetzliche Vorgaben hinweggesetzt, und der blaue Wahlsieg präsentiere nun die Rechnung dafür. Das schien mir plausibel. Für jeden dritten Bürgermeister und jede dritte Bürgermeisterin, die brav und aufopfernd ihres Amtes walten, gibt es einen, der sein Amt in dieser oder jener Weise missbraucht, für den eigenen oder den Vorteil seiner Partei. Das macht bitter, und man sollte den Anteil solcher Verbitterung am niederösterreichischen Wahlergebnis nicht unterschätzen.

Die Korruptionsvorwürfe auf höchster Ebene bündeln nur, was an der Basis passiert und täglich erfahren wird; und wenn es nicht erfahren wird, stellt man es sich erfahrungsgestützt vor. Daraus lassen sich Impulse des Aufbegehrens ableiten, aus denen sich oppositionelle Energien speisen. Nur die SPÖ pfeift drauf und stattet sich mit schaumgebremsten Personal aus, das alles andere tut, als genau das zu thematisieren.

Wie bekämpft man Kickl und die Seinen? Sicher nicht, indem man ihre Diagnosen leugnet, wo sie korrekt sind. Man muss ihnen widersprechen, wo sie Grundlagen unserer Zivilisation bedrohen, wie das Hans Rauscher kürzlich glänzend gemacht hat. Was man aber nicht tun darf: Überschießend, alarmistisch oder gar mit falschen Aussagen gegen sie agieren, wie das leider Van der Bellen tat. Kickl hat nämlich mehrfach die Aggression Putins gegen die Ukraine verurteilt, wenn er sich auch gleich danach schlangenartig als Moskaus Propagandist betätigte. Faktisch ungenaue Polemik ist eine Vorgabe für den Gegner und sollte unterbleiben; durch Ungenauigkeit diskreditiert sie ihr edles moralisches Anliegen.

Man muss sich den Freiheitlichen nicht anbiedern. Man muss ihnen entschlossen widersprechen, und wenn sie Menschenrechte angreifen, muss man sie ausgrenzen. Aber man muss das begründen, und zwar richtig, sodass sie die Ausgrenzung nicht als Argument für sich verwenden können. Aus Suhlen in der Opferrolle besteht ja die ganze Raketenwissenschaft der Kicklschen Politologie.  Die politische Sprache der Opposition darf man ihr nicht überlassen.


Das Traiskirchner Wahlergebnis von Andy Babler und Genossinnen zeigte handfest, dass persönliche glaubwürdige Praxis, Hands-on-Politik und Engagement auch in einer ganz „schwierigen“ Gemeinde zum Erfolg führen können. Vielleicht schafft auch der – wie man nach einem Armin-Wolf-Encounter weiß (Wolf musste selbst über seine Glatteisführkünste  lächeln) – nicht unslicke, politisch nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommene, allerdings bereits zur Sprachregelung neigende neue SP-Nö-Chef Sven Hergovich eine Trendwende. Immerhin erwähnte er bereits mehrfach die Interessen der arbeitenden Menschen, die es zu vertreten gilt.

Wenn er was draus macht, backe ich ihm einen Apfelkuchen.

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung erhalten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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