Demokratiepathetisches Neobarock und Apfelkuchen.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 925

Armin Thurnher
am 27.01.2023

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Es gibt kein richtiges Leben im Falschen. Gerade mache ich mich an den staatstragenden Kommentar zum Tage, da sehe ich Vera Russwurm, wie sie sich im TV auszieht. Es geht um Werbung für die ORF-Nachlese mit ihrer bezaubernden Kennmelodie, die schon manche Sympathieträgerin umsäuselte, die Wettermoderatorin, die beim Fliegenfischen über das rutschige Wehr im Fluss balancierte, oder jene andere, die im Opernhaus stiegenauf schwebt, oder jene wieder andere, die versonnen am Klavier komponiert, aber was, frage ich euch, ist das alles gegen Vera, die die Hüllen fallen lässt, also fast, ich meine, das ist ja noch schärfer als Sobotka, der in ihrer Show Cello spielte.

Es ist ein gutes Land! Die Medienministerin glänzt derweil mit Auftritten in echt seriösen Medien, wo sie kundtut, was sie sich vom ORF erwartet. Es geht eben nichts über Taktgefühl und Geschmack. Von der Un-Idee, die Wiener Zeitung einzustellen, rückt sie nicht ab. Da ist einmal eine, die hat Stil und einen Zug zum Sturz, soll heißen zum Kassasturz.


Ich bin aber mit dieser Republik versöhnt, seit heute Bundespräsident Alexander van der Bellen wieder angelobt wurde. Seine Rede im beliebten Parlandostil, hervorragend zur leichten Selbstparodie geeignet, was er auch glänzend zu nutzen versteht, war nur durch das optische Problem getrübt, dass hinter dem Redner der untere Teil des Gesichts des ersten Nationalratspräsidenten sichtbar war. Die ganze Zeit! Dieses cäsarische Unterkiefer! Dieser sinnlich-drohende Mund! Diese kantig mitbebenden Mundwinkel!  Die ORF-Bildregie übt noch, die Panne war vermutlich dem drohenden Kassasturz geschuldet.

Selbst dieses Bildmalheur konnte nicht davon ablenken, dass Van der Bellens Meisterschaft in der zugleich beschwichtigenden und mahnenden, warnenden und ermunternden Rede ein ganz eigenes Genre prägt. Ich lasse zur Feier des Tage jede kolumnenübliche Polemik beiseite, das heißt, ich sage nichts über die anderen Darbietungen an diesem Tag, nicht einmal etwas über jene vielkommentierte Applausenthaltung der FPÖ.

Österreich hat das unverschämte Glück, seit 18 Jahren Männer an der Spitze zu haben, die das Land geradezu idealtypisch repräsentieren. Nach Heinz Fischer sorgt Alexander Van der Bellen als Staatsschauspieler für den adäquaten Ausdruck der Befindlichkeiten, für eine dem Volk gerade noch zumutbare Dosis an Politik. Es ist wunderbar, und ehe der Schmierer und seine Freunde aus dem Ausdruck Staatsschauspieler den Vorwurf ableiten, ich hätte den Präsidenten verurteilenswerter Neigungen bezichtigt, beeile ich mich, hinzuzufügen, dass Staatsschauspielertum einen unabdingbaren Teil der Rolle staatlicher Machtausübung darstellt.

Man muss vor dem Volk darstellen können, was man politisch nur behaupten kann. Wie leicht verfehlt man diese Aufgabe. Wie leicht gleitet man ins Verlogene ab, ins Übereifrige, ins Stottrige, Unartikulierte, Unsouveräne. Ich nenne keine Beispiele, sie waren zeitnah zu bewundern. Mit seinem Zug zum zart-fauligen Schmäh machte Van der Bellen den im renovierten Parlament überbordenden Zug zum postdemokratischen, nein besser gesagt zum demokratiepathetischen Neobarock gerade noch erträglich.

Ich bin für jetzt mit dieser Republik wie gesagt versöhnt. Schaue mir nicht einmal die Diskussion zur Niederösterreichwahl an. Ich schaue natürlich doch, die zwei vom ORF machen es tapfer, und gerade sagt Frau Mikl-Leitner zum Thema ORF: „Wer mehr arbeitet, kommt mehr vor“. Ich höre also friedvoll lieber gleich wieder weg, wer nicht arbeitet, soll auch nicht vorkommen, backe zur Feier dieses Tages einen zu Friede und Freude passenden Apfelkuchen, und zwar (Kachelmann liest eh schon lange nicht mehr mit) im Rohr meines mit Holz geheizten Herds. Der Bundespräsident gab mir die Zuversicht, und ich schaffte es!


Das Rezept ist dem Kochbuch „Apfelmania“ von Martina Meuth und Bernd Neuner-Duttenhöfer entnommen. Es erinnert mich an den Apfelkuchen meiner Oma, die legte zwar meiner Erinnerung nach ein Teiggitter über die Äpfel, das wäre möglich, dann müsste man entsprechend mehr Teig vorsehen (etwa 25% mehr). Aber er schmeckt auch so, darf ich Ihnen versichern, und gelingt einigermaßen deppensicher. So geht er:

Sie brauchen eine Springform (22-24 cm), ein Blatt Backpapier (etwas über den runden Boden stehend zuschneiden).

FÜR DEN MURBTEIG 200 g Mehl, 100 g kalte Butter, 50 g Zucker, 1 Ei

FÜR DIE FÜLLUNG 800 g feste, säuerliche Äpfel, Zitronensaft, 2 Eier, 2 EL Honig, 1 EL Zucker, je ½ TL gemahlener Zimt und gemahlener Piment, 125 g geriebene Haselnüsse

ZUM BESTREICHEN: 2 Eigelb, 2 EL Schlagobers.

Den Teig rasch kneten, in Frischhaltefolie einschlagen und eine halbe Stunde im Kühlschrank ruhen lassen. Dann die Teigmenge teilen, zwei Drittel für den Boden und ein Drittel für den Rand, die Menge für den Boden auf Backpapier dünn ausrollen und auf dem Springformboden bei 160 °C Heißluft (180 °C Ober / Unterhitze) vorbacken. Auskühlen lassen, den Rand der Springform ansetzen und ebenfalls mit Teig auskleiden.

Für die Füllung die Apfel vierteln, schälen, vom Kerngehäuse befreien und mit Zitronensaft hell halten. 250 g Äpfel fein reiben und großzügig mit Zitronensaft verrühren, damit die Äpfel nicht zu braun werden. Die Eier dick und schaumig schlagen, dann Honig, Zucker und die Gewürze zufügen. Die geriebenen Äpfel und die geriebenen Haselnüsse unter diese Creme rühren. Diese Masse in die vorbereitete Form füllen. Die Apfelviertel, Rundung nach oben, dicht aneinander obenauf setzen. Die Eigelbe mit dem Obers glatt rühren und die Äpfel damit bepinseln. Bei 180 °C Heißluft (200 °C Ober-/ Unterhitze) etwa 40 Minuten backen.


Möge der Kuchen gelingen. Freude und Friede seien mit euch!

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:

Weitere Ausgaben:
Alle Ausgaben der Seuchenkolumne finden Sie in der Übersicht.

12 Wochen FALTER um 2,50 € pro Ausgabe
Kritischer und unabhängiger Journalismus kostet Geld. Unterstützen Sie uns mit einem Abonnement!