Herr Hafenecker kocht. Über Sendezeiten und andere ORF-Probleme.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 923

Armin Thurnher
am 25.01.2023

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Würden Sie einem Politiker vertrauen, der behauptet, das Volk würde lieber seine Reden hören als die Sendung dieser Dame zu sehen? Foto © ORF

„Die Aussage des ORF, dass eine Übertragung ohnehin geplant gewesen sei, glaube ich aber nicht, denn als ich gestern einen Blick auf die Programminfo des ORF für den Mittwoch geworfen habe, war von einer Parlamentssitzung auf ORF2 noch nichts zu sehen.“

Ich wiederum glaube nicht, dass der Abgeordnete Hafenecker (FPÖ) das in einer Presseaussendung wirklich sagte. Er beliebte zu scherzen. Der ORF hatte angekündigt, die Übertragungen aus dem Parlament, „exklusiv“ auf ORF III zu übertragen, wogegen alle Parteien außer den Grünen sofort protestierten. Die Medienpolitikerinnen der Grünen nahmen vermutlich eine Auszeit, um in Sachen Wiener Zeitung zur Besinnung zu kommen, was ich mit besten Besserungswünschen begleite.

Der Stiftungsratsvorsitzende des ORF, den die grüne Partei kraft Sideletter stellt, fällt durch hochkonzentriertes Schweigen auf, wenn Koalitionspolitiker bei ORF-Moderatoren den Rambo machen, sie es bei Martin Thür, Armin Wolf oder Stefan Kappacher. Vermutlich hält er dieses Schweigen für Realpolitik.

Oder er spart sich die Wortmeldungen, um bei der Medienministerin Raab einen Stein im Brett zu haben, die bekanntlich vom ORF einen Kassasturz fordert. Da zählt alles, was man sich erspart, jede freche Bemerkung, jedes blöde Moderatorengrinsen, schon gar jede grundsätzliche politische Erwägung – das alles fällt ins Gewicht, wenn es ums Gerschtl geht, das heißt, wenn die ÖVP entscheidet, um welchen Preis sie dem ORF aus seinen von ihr selbst geschaffenen Finanznöten hilft. Da ist es umso gescheiter, wenn man sozusagen vorspart.

Ich hingegen fordere des längeren nicht den Kassasturz, sondern den Medienministerinnensturz, denn so viel Inkompetenz gepaart mit Destruktivität war selbst in diesem Amt noch selten. Zig Inseratenmillionen in den sinnlosen Boulevard zu schieben, während man den im öffentlichen Interesse agierenden Sender versucht, unter Druck zu setzen, und dass der ja vor den Niederösterreich-Wahlen keinen Blödsinn macht! Aber das Motto der postkurzistischen Partei lautet nach wie vor „Koste es, was es wolle, solange es nur unsere Leut kassieren.“

Die Sache mit dem Herrn Ziegler vom Studio Niederösterreich ist ja leider vor der Zeit schief gegangen; nicht, dass das jemanden mehr interessieren würde als „Silvia kocht“ oder die Barbara-Karlich-Show, von denen Herr Hafenecker wahrheitswidrig behauptet, sie interessieren das Volk weniger als Übertragungen aus dem Parlament. Leider ist das Gegenteil der Fall, da kann der Herr Hafenecker trotz seines herdaffinen Namens kochen wie und was er will.

Ich bin ja ein Fan dieser Parlamentsübertragungen, aber ich mag auch Filme, in denen sehr lange gar nichts geschieht, während die Kameraeinstellung unverändert bleibt. Diesbezüglich könnte man im ORF noch radikaler werden. Da ist viel zu viel Bewegung und Kommentar drin. Man sollte das Kicklgebell ruhig ungefiltert auf das Volk wirken lassen, welches ungeduldig auf Frau Silvia und Frau Barbara wartet. Aber natürlich stimme ich Herr Hafenecker zu, Parlamentssitzungen sollten bei bester Sendezeit mit möglichst viel Aufmerksamkeit übertragen werden. Das muss es uns wert sein, nicht wahr, Frau Minister?

Dass Herr Hafenecker öffentlich-rechtliche Ansprüche ans öffentlich-rechtliche Fernsehen stellt, hindert ihn sicher nicht daran, den ORF bei Bedarf zu halbieren, um die private Konkurrenz zu begünstigen. Er hat gewiss schon vergessen, dass seine Partei die ÖVP drängte (die brauchte man nicht zweimal bitten), den ORF zurückzustutzen. Aber die FPÖ ist die Partei der Gedächtnisschwäche, sonst könnte sie sich nicht als Saubermannpartei gerieren.

Wie sagte Hafenecker in seiner ersten Presseaussendung? „Das Verhalten des ORF sei nicht hinzunehmen. ,Der öffentlich-rechtlichen Auftrag darf nicht versteckt werden. Die Sondersitzung in dieser Woche ist mit Sicherheit interessanter als ‚Silvia kocht‘, Folge 2969 von ‚Sturm der Liebe‘, eine Wiederholung einer Episode von ‚Die Rosenheim-Cops‘ aus dem Jahr 2014 und die ‚Barbara Karlich Show‘. All das soll am Mittwoch genau zu jener Zeit auf ORF2 laufen, in der die Nationalratsabgeordneten im Hohen Haus über konkrete Maßnahmen gegen die Teuerung debattieren‘, so Hafenecker abschließend.“

Es ist ein gutes Land. Die Metzger fordern von den Schweindln moralisch adäquates Verhalten und gebührenden Respekt für den Bolzen. Die FPÖ, die gemeinsam mit der ÖVP den ORF am liebsten umbringen würde (während sich die ÖVP damit beschwichtigen lässt, dass sie ihn kontrolliert), geniert sich nicht, vom ORF zu fordern, er möge gefälligst jene Dienstleistungen für sie erbringen, wegen denen sie ihn umbringen will.

Wäre ich Generaldirektor des ORF, würde ich zu alldem so eisern schweigen wie mein Stiftungsratsschef. Da wird noch was draus!

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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