Denunziantenoperette. Neues aus der Vorstadt.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 921

Armin Thurnher
am 23.01.2023

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Es ist nicht nur süß und ehrenhaft, sich selbst zu zitieren. Es ist süß und ehrenhaft, von Schmierer öffentlich zitiert zu werden. Das macht mich immer ruhig und zufrieden. Es gibt zwar übelmeinende Menschen, die behaupten, es handle sich bei Schmierer nur um einen offenbar unterbezahlten Söldner des Postkurzismus, der aufgrund einer Kombination von funktionalem Analphabetimus und habitueller Bösartigkeit versuche, mir nachzustellen und mich vor dem sogenannten Volk als Volksverächter hinzustellen. Nein. Von solchen Phantasien lasse ich mich nicht aus der Ruhe bringen.

Ich bin voll der Anerkennung für die harte Arbeit, die Leute wie Schmierer leisten. Ich stelle mir vor, wie Schmierer anders als ich jede meiner Seuchenkolumnen sofort nach Erschienen liest, begierig, sie nach Stellen abzusuchen, von denen er glaubt, mich bei irgend etwas erwischen zu können. Ich fühle mit ihm. Solcher Leute sind offenbar von einer ständigen Angst geplagt, bei etwas erwischt zu werden, die sie auch auf die Objekte ihrer Verfolgung übertragen müssen. Ist das ein Leben, frage ich Sie?


Gleich in der Früh ruft schon der Reschierer an.

RESCHIERER: Host glesen, wos er do wieda geschriebn hot?

SCHMIERER: Na, sog?

RESCHIERER: Du unglaublich. Er wor in ana Kurkonditorei-Filiale und schreibt: „Erblickte dann eine Filiale der Kurkonditorei Oberlaa. Voller Außenbezirksgesichter, alkoholverwaschen und mit schlechten Gebissen.”

SCHMIERER: Wahnsinn. Warst du dort?

RESCHIERER: Trottel. Favoriten.

SCHMIERER: Was? Favoriten? Der verhöhnt unsere arbeitende Bevölkerung!

RESCHIERER: Geh, san eh nänzg Prozent Oaslända durt.

SCHMIERER: I schreib, er beschreibt die Gäste in der Kurkonditorei Oberlaa in Wien-Favoriten als ungepflegte Alkoholiker.

RESCHIERER: Wieso Konditorei?  Pars pro toto! In Wirklichkeit verhöhnt er den Ludwig persönlich.

SCHMIERER: Naa, naa, des is z’dick auftrogn. Aber bitte: Er verhöhnt die Bewohner eines ganzen Bezirks.

RESCHIERER: Richtig, jetzt hamman. Schreib aber ned, in der Konditorei, und schreib nix von den schönen Frauen, die er erwähnt, die san jo a aus Favoriten, und dass es nur am Hauptbahnhof …

SCHMIERER: Ich bitte dich. I schreib: „Was für eine Arroganz: Der Herausgeber des linken Falter beschimpft in seinem Blog die Bewohner von Wien-Favoriten.“

RESCHIERER: Wieso? I hab glaubt, Außenbezirksgesichter? Is des ned von zehn bis neunzehn?

SCHMIERER: Wurscht. I schreib afoch „Wiener“. Des san olle.

RESCHIERER: Sehr gut. Aber bitte Herausgeber „des linken und umstrittenen Wiener Wochenblatts“! Kannst ned den Klenk a no unterbringen, mit Adress und so?

SCHMIERER: Na, jetzt nemma amol den Thurnher, die arrogante Sau. Der hot außerdem a Buach übern Basti im Rohr, frage nicht.

RESCHIERER: Wemma den Klenk ned eine nemman, vergiss wenigstens ned des Schloss.

SCHMIERER: Hoitst mi fia an Amatör? „Der Schlossherr ist offenbar eine mondänere Umgebung gewöhnt“.

RESCHIERER: Gut so. Schlossherr und mondän, sehr gut. Und denk auf die Inserate.

SCHMIERER. Reschierer, jetzt solltest mi scho langsam kennen. Die Inserate san im Stehsatz.


So wird in den entlegensten Medien des Landes täglich Arbeit zur Beförderung des gesellschaftlichen Fortschritts und zur Anregung des gesellschaftlichen Diskurses geleistet. Die braven Männer in solchen um Qualität bemühten und von der tüchtigen Medienministerin zu Recht hoch geförderten Magazinen, die kraft Digitalität jedem Verdacht enthoben sind, der Vorstadt oder gar der Gosse zuzugehören, quälen sich mit dem unbedankten, schweren Geschäft der Korrektur unverbesserlicher Subjekte wie mir.

Ich bin dankbar für solche Korrekturen. Wo kommen wir da hin, wenn einer einfach beschreibt, was er sieht oder gar sagt, was er denkt! Die Korrektur wäre mir beinahe entgangen, hätte mich nicht ein Kollege auf sie aufmerksam gemacht. Meine Leserinnen und Leser pflichten mir nur bei, sie hätten ähnliche Beobachtungen gemacht. Oder sie schickten Reparaturtipps für den Dyson-Staubsauger. Allzu wenige lesen Schmierer und Reschierer. Nur eine kleine, ebenso redlich bemühte, aber schlecht entlohnte Gefolgschaft eifert ihnen nach.

Ihnen allen rufe ich zu: Lasst euch nicht entmutigen bei eurem verantwortungsvollen Geschäft, ihr könnt nur besser werden, und eines Tages bekommt ihr ein Ermunterungsmail, zuerst nur von eurem Investorenpärchen, den braven Schützs, dann aber von Fleischmann, danach vielleicht sogar von Sebastian, und am Ende, wenn alles gut geht, gar von Peter Thiel persönlich.

Das ist es doch, wofür es sich zu leben lohnt. Schmierer und Reschierer, ich wünsche euch alles Gute! Sauber bleiben! Follow the Money! Und immer fleißig Seuchenkolumne lesen!

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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