Sternstunden der Demokratie

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 917

Armin Thurnher
am 18.01.2023

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Foto @ Erzdiözese Wien

Und wieder steht das Parlament vor einer entscheidenden Stunde.

Es prangt im äußeren Glanze, es bejubelt sich, das Bauwerk, die Zentrale, den Kern, das gefeierte und feiernde Herzstück der Demokratie. Und weil ihm so feierlich zumute ist, zeigt es gleich, was in diesem Herzen der Demokratie wirklich los ist. Die ÖVP, ewig regierende Mehrheitspartei, zentrale Machtpartei der Herzen und herzige Unschuldspartei zugleich, hat für eine perfekte Dramaturgie gesorgt. Die Inszenierungskunst des Wolfgang Sobotka bringt es zuwege, den Mord an der demokratischen Institution der Kontrolle, dem Untersuchungsausschuss, mitten in ihr prunkvolles Jubiläum der demokratischen Repräsentation fallen zu lassen.

Der von Sobotka geladene Festredner Wolfgang Schäuble hatte versucht, über die Dialektik der Repräsentation zu sprechen, die jeden denkenden (die Zahl ist also begrenzt) demokratischen Repräsentanten im Zwiespalt lässt zwischen der Vertretung von Interessen und dem eigenen politischen Willen, der sich dem Diktat der Mehrheit auch einmal widersetzen will und muss.

Das dialektische Debakel der Repräsentation, das Sobotka und die Seinen nun auf ihr Haupt herabgerufen haben, ist hundertmal plumper und zugleich hundertmal trauriger. Ein Verfahren nicht einmal zu imitieren, sondern einfach mit schlichtesten demagogischen, parajuristischen und intriganten Mitteln so stark in die Länge zu ziehen, bis die Gegenspieler die Nerven verlieren und von selbst die Nichtfortsetzung des Ausschusses für sinnvoll halten, wie die verdienstvolle Steffie Krisper von den Neos, das war ein Stück miesester Politschmiere, an der Sobotka führend beteiligt war.

Er übernahm in diesem Ausschuss den Vorsitz, der Gesetzeslage und jeder juristischen Ansicht zum Spott, und damit war der Ausschuss Ausschuss. Als Sobotkas lautstarke Rolle als Destructor Democratiae vor der niederösterreichischen Wahl für die Landeshauptfrau zu lästig wurde, begann er sich zu verstellen, Kreide zu fressen und weniger oft sichtbar zu sein.

Nun nagelt er den Deckel auf den Sarg des Untersuchungsausschusses, im gleichen Moment, in dem er das Herz des Parlamentarismus feiert. Er ist der Zauberer einer neuen demokratischen Wunderkammer. Ein Herzkammerbaumeister dieser Wunder, der behauptet, mit seiner Baukunst die Politik reformiert zu haben. Ein Schmähredner des undemokratischen Pfuschs. Ein Wunderprediger und Quacksalber der Demokratie. Ein Herzgruftie. Wie hieß er gleich noch einmal, der Auschuss? „Untersuchungsausschuss betreffend Klärung von Korruptionsvorwürfen gegen ÖVP-Regierungsmitglieder.“

Sobotka hat sein Ziel erreicht. Es gibt keine Klärung. Die ÖVP hat kein Korruptionsproblem. In Niederösterreich kann in Frieden gewählt werden. Und in Kitzbühel … Eben. Alles wie immer.

Was könnte man tun? Ich habe eine Idee für das Büro Sobotka, dieses möbelleere Gebilde, aus dem der Geist schweift, wohin er und wann er will, vom Dach mit Glasl ans Goldklavier und zurück. Meine Idee: Man benenne um!

Einen Sitzungssaal könne man ÖVP-Korruptionskammer nennen; die freigewordene Loos-Rampe könnte Thomas-Schmid-Rampe heißen; ein vegetarisches Restaurant könne zum Kurz-Stüberl werden, ein Hanger-Gangerl ginge sich immer aus, das Volk könnte in der Säulenhalle an markierten Plätzen Stehungen nachvollziehen, und der Saal mit dem Goldklavier heißt ab nun Ausschusspräsident-Sobotka-Saal.

Das wäre die Lösung: Der Ausschusspräsident eröffnet mit repräsentativer Geste, was er gerade umgebracht hat. Dann wird des Feierns kein Ende sein, erst recht entfesselt nach der Niederösterreich-Wahl, diesem Festival der eingehaltenen Wahlkampfkosten und der ungehaltenen Sobotka-Reden. Die Niederösterreich-Wahl ist das politische Hahnenkamm-Rennen. Wir alle sind Niederösterreicher! Lauter Sieger!


Aber gewiss kommt heute alles anders, Sobotka wird den Ausschuss retten, er wird alles möglich machen, er wird in neuer Friedfertigkeit die von der Opposition erwünschten drei Termine noch vor der Wahl ermöglichen, und alles wird gut. Franz Schnabl wird Landeshauptmann, Karl Nehammer pickt sich fürs Klima an einen Ballhausplatzpoller und Wladimir Putin beendet den Krieg und gibt die besetzten Gebiete zurück. Alles an einem Tag!

Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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