Covid, der Tod, der Staat und wir

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 915

Armin Thurnher
am 16.01.2023

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Von China bis nach Sachsen führt uns Epidemiologe Robert Zangerle in dieser Folge. Die Übersterblichkeit durch Covid ist ein Thema; ein anderes ist die „Normalisierung“ der Pandemie, die der Gesundheitsminister per Gesetz vorantreiben will; ein drittes Thema ist das eigene Verhalten in der Nach-Mit-Covid-Zeit. A. T.

»Am 14. Jänner hat China auf einer Pressekonferenz der Nationalen Gesundheitskommission erstmals Zahlen zum jetzigen Ausbruch von Covid bekannt gegeben, hier, hier und hier im Original. Zwischen dem 8. Dezember 2022 und dem 12. Januar 2023 sind landesweit 59.938 Covid Todesfälle in Krankenhäusern aufgetreten, sagte Jiao Yahui, Leiterin der Abteilung für medizinische Angelegenheiten der nationalen Gesundheitskommission. Davon starben 5.503 Menschen an Atemversagen durch eine Covid-Lungenentzündung und die restlichen 54.435 an Grunderkrankungen, die sich aufgrund von Covid verschlechterten. Es handelt sich also nur um Todesfälle, die in Krankenhäusern erfasst wurden, Covid-Todesfälle zu Hause, in Pflegeheimen oder bei denjenigen und bei denen nie eine Diagnose gestellt wurde, wurden nicht berücksichtigt. In ländlichen Gebieten wurde wahrscheinlich die große Mehrheit der durch SARS-CoV-2 Erkrankten nie diagnostiziert.

Das Durchschnittsalter zum Zeitpunkt des Todes lag bei 80,3 Jahren; 90,1 Prozent waren 65 Jahre und älter und 56,5 Prozent 80 Jahre und älter. Dem Bericht zufolge litten mehr als 90% der Verstorbenen an Krebs, Herz- oder Lungenerkrankungen oder Nierenproblemen. Es verschlägt einem der Atem ob der schrägen „mit“ Diskussion zu den Todesursachen.

Die Weltgesundheitsorganisation und andere Regierungen baten um Informationen, nachdem Berichte von Stadt- und Provinzregierungen darauf hindeuteten, dass sich möglicherweise Hunderte von Millionen Menschen in China mit dem Virus infiziert haben. Laut Jiao Yahui sei der Höhepunkt der jüngsten Infektionswelle überschritten, denn die Zahl der Patienten, die Fieberkliniken täglich aufsuchen, sei rückläufig, von 2,9 Millionen am 23. Dezember zu 477.000 am 12. Jänner. Laut der nationalen Gesundheitskommission erreichten die Krankenhausaufenthalte von Covid-Patienten am 5. Januar 2023 mit 1,63 Millionen Menschen ihren Höhepunkt, und am 12. Januar befanden sich noch 1,27 Millionen Covid-Patienten im Krankenhaus. Das entspräche für Österreich am Höhepunkt 10 000 durch Covid Patienten belegte Betten und 8 000 am 12. Jänner. Die Maximalbelegung im November 2020 in Österreich betrug 4500. Unvorstellbar. Ein solches Niveau wurde während der gesamten Pandemie nirgendwo sonst auf der Welt beobachtet. Die vollen Kosten dieses Fehlers sind noch nicht absehbar – steigende soziale Unzufriedenheit könnte den Zusammenhalt der Parteieliten schwächen. Es ist schwer vorstellbar, dass die kommunistische Partei diese selbstverschuldete Krise völlig unbeschadet überstehen wird.

Die chinesische Regierung appelliert derweil an ein Pandemiekonzept, das in Österreich vielen in unguter Erinnerung sein dürfte: Eigenverantwortung. Was die politischen Verwerfungen im Reich der Mitte sein werden, jetzt, da Xi Jinpings das Prestige­projekt Zero Covid krachend scheitern lässt, kann wohl niemand seriös voraussagen. Auch nicht, was das mit der chinesischen und globalen Wirtschaft macht. Die Neue Zürcher Zeitung aber frohlockt optimistisch: „Noch wütet Corona, doch für immer mehr Genesene beginnt ein neues Leben mit wieder mehr Freiheiten und Zuversicht. Macht die chinesische Führung keine Fehler, dürfte sich China schneller erholen und stärker wachsen als derzeit antizipiert. Davon wird auch der Rest der Welt profitieren.“

Mit einer solchen Haltung hat sich auch Gesundheitsminister Johannes Rauch nach der Regierungsklausur zurückgemeldet, will er doch demnächst alle Verordnungen und Gesetze, die Covid betreffen, abschaffen. „Ich bin optimistisch, dass uns das im 1. Halbjahr gelingt“. „Wir haben Impfungen, wir haben Medikamente, wir beobachten die Varianten“. Ja schon, aber schauen wir uns doch diese drei Punkte einmal im Detail an:

Zu den Impfungen. Das Selbstvertrauen von Minister Rauch über die österreichische Impfpraxis erstaunt schon, obwohl eine solche Haltung in Vorarlberg weit verbreitetet ist. Vorarlberger sind da großzügig, wie der Volksmund weiß: „Ma sött jedam´s Muul gunna!“ Glaube das ein wenig zu kennen, zumal einige meiner besten Freunde Vorarlberger sind. Andererseits ist man verärgert, wenn man keinen Zugang zu Daten hat, die Impfungen gegen Covid in den verschiedenen Altersgruppen im heurigen Jahr so darstellen würden, wie das England tut.

Den Spring Booster oder 4. Impfung für die Älteren, in England ab 75 Jahren, wurde vom nationalen Impfgremium in Österreich zuerst für die Altersgruppe 80+ (April 2022), dann für alle 65+ (Juli 2022) empfohlen (und unterhalb dieser Altersgrenze für Menschen mit erhöhtem Risiko schwer zu erkranken). Bis Mitte Juli war aber nur eine Minderheit geimpft, das wurde regelrecht verschlafen. Ärzte und Fachgesellschaften haben sich mehr oder weniger von einer aktiven Haltung zu Impfungen zurückgezogen und das nationale Impfgremium hat das auch einfach geschluckt. Das war schon verstörend. Bis zum 13. Jänner 2023 hat gerade einmal die Hälfte der Altersgruppe 75+ eine 4. Impfung erhalten. Im Vergleich zu England schon bescheiden.

Der Herbstbooster, ein Zweikomponentenimpfstoff, enthält zur einen Hälfte Originalvirus und zur anderen Hälfte Omikron Variante – für einige Tage war das BA.1, dann BA.4/5 – und wurde ab Mitte September verabreicht. Nicht ganz die Hälfte der Altersgruppe 65+, die eine 4. Impfung erhalten hat, wurde mit dem Herbstbooster ab dem 15. September aufgefrischt (die andere Hälfte erhielt vorher das Originalvirus). Die klinische Wirksamkeit des Herbstboosters wurde inzwischen mit Studien aus den USA und Israel belegt. Mehr davon im Anschluss an die öffentliche Sitzung des Vaccines and Related Biological Products Advisory Committee der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA am 26. Jänner, wo es vor allem um die weitere Zusammensetzung des Impfstoffes gegen Covid gehen wird.

Gesundheitsminister Rauch will noch im ersten Halbjahr die Impfungen gegen Covid in die regulären Strukturen im Gesundheitssystem integrieren. Da bin ich aber gespannt, wie er diese logistische Herausforderung legistisch löst, so ähnlich, wie man am 30. Dezember 2020 auf das beginnende Ausrollen der Impfung gespannt war. Damals war es mehr oder weniger das Konzept der „Schweinegrippeimpfung“ (Begriff ist nicht korrekt!), für die Zukunft wird das wohl das „Konzept“ für die übliche saisonale Grippe sein. Es war skandalös, dass außer Wien kein Bundesland in den Impfzentren die Grippe- und Covidimpfung gleichzeitig angeboten hat.

Zu den Medikamenten. Paxlovid (Nirmatrelvir/Ritonavir): Der Gebrauch dieses Medikaments ist außerhalb Wiens weiterhin mehr als verbesserungsfähig. Was nach unserem Superspreader-Maturatreffen von 70-jährigen im September 2022 so mancher Hausarzt von sich gegeben hat, war mühsam zu ertragen, nur weil es ihnen offensichtlich zu mühsam war, geeignete Informationsdienste zur Beurteilung der zum Teil bedrohlichen Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten in Anspruch zu nehmen, z.B. diesen.

Zur Beobachtung der Virusvarianten. Abwassertests sind nur von begrenztem Wert, wenn es darum geht, neue Varianten zu entdecken, die zuvor nicht identifiziert wurden. Ganz abgesehen, dass bei der Ausschreibung für das Abwasser-Monitoring das Variantenscreening mittels Sequenzierung, die einzige dafür geeignete Methode, nicht vorgesehen war. Jetzt ginge es um die Verknüpfung von Variantendaten mit Krankenhausaufenthalts- und Sterblichkeitsdaten auf der Ebene des einzelnen Patienten. Im 64-seitigen Variantenmanagementplan kann man vage Hinweise auf ein genomisches Sentinel-Surveillance-System und auf „targeted surveillance“ finden. Das will Minister Rauch durch die Abschaffung sämtlicher Gesetze lösen. Glück auf!

Der Variantenmanagementplan war auch schrecklich konkret: Im Ausblick auf den Winter 2022/2023 wird das Ausmaß und Schweregrad der letzten Omikron Wellen als günstiger Fall im Szenario 2 („Central Optimistic“) beschrieben. Ist den meisten Verantwortlichen wirklich wurscht gewesen, was im März und April 2022 passiert ist? Wie kann das nur als „günstig“ gesehen worden sein? Jedenfalls war es nach diesem Plan klar, wieso Anfang Oktober die Maskenpflicht nicht ausgedehnt wurde. Zynisch. Die folgende Tabelle war in der Seuchenkolumne vom 8. August 2022.

Andererseits hat Minister Rauch vollkommen recht: Für ein Gesetz zur adäquaten Sicherstellung von gesunder Raumluft, inklusive Messung der CO2 Konzentration, braucht es keinen Bezug zu Covid. Plant die Regierung dazu Gesetzesvorlagen, wie in Belgien und Frankreich? Freue mich schon.

Wenngleich die Zahlen zu schwerer Erkrankung und Sterblichkeit zu diesem Zeitpunkt in der Wintersaison noch nie so gut waren wie jetzt und die letzte Welle (in der Abbildung unten grün eingeringelt) im Ausmaß vergleichsweise viel weniger schlimm war als vorige Wellen, so bleibt doch auch eine weiterhin hohe Anzahl an Ansteckungen in den Wellentälern.

Das ist keine Situation, mit der man sich zufrieden geben soll, weil sie einerseits die Fälle an Long Covid steigen lässt und andererseits andere verzögerte Spätfolgen mit sich zieht. Über die Größenordnung dieser beiden Phänomene wird aktuell sehr viel geforscht, weil die derzeitige Datenlage unbefriedigend ist. Nur um ein Missverständnis auszuräumen, nur weil viele Zahlen dazu für Epidemiologen erhärtet werden müssen und der diesbezügliche allgegenwärtige Clickbait alarmism nervt: Long Covid ist insgesamt eine ernste Belastung für die davon betroffenen Menschen und aufgrund der Größenordnung auch für die Gesellschaft. (Apropos „Clickbait“ – hier steht’s.)

Das hoch bleibende Niveau an Infektionen wird auch in einen ursächlichen Zusammenhang mit Übersterblichkeit gebracht, vor allem ist sie auch 2022 bei den Infektionsspitzen immer stärker. Ganz unerwartet ist auch eine erhöhte langfristige Sterblichkeit nach einer SARS CoV-2-Infektion, ist doch bekannt dass Thrombosen und Embolien gehäuft auftreten (übrigens wesentlich ODER unvergleichlich mehr als nach Impfung!). Interessanterweise scheinen sich viele Länder einer konstanten relativen kumulativen Übersterblichkeit zwischen 5-10% angenähert zu haben. Die relative kumulative Übersterblichkeit beschreibt den prozentualen Unterschied in der Zahl der Menschen, die seit Beginn der Pandemie gestorben sind, im Vergleich zu den prognostizierten Todesfällen für den gleichen Zeitraum, wenn es keine Pandemie gegeben hätte. Die Abbildung zeigt die relative kumulative Übersterblichkeit für westeuropäische Länder mit mehr als 1 Million Einwohnern.

Spanien war im ersten Jahr der Pandemie das am stärksten betroffene Land in Westeuropa, aber die kumulative Übersterblichkeit ist seitdem zurückgegangen und nähert sich einem Wert von etwa 10%. Im Gegensatz dazu lag die relative kumulative Übersterblichkeit in Norwegen bis Anfang 2022 bei 0% und die konstante relative kumulative Übersterblichkeit stieg auf etwa 5%. Obwohl wiederholte Infektionen mit SARS CoV-2 und verbesserte Impfstoffe und Impfkampagnen die Sterblichkeit weiter senken könnten, könnte es durchaus sein, dass SARS CoV-2 die Gesamtsterblichkeit in den westeuropäischen Ländern weiterhin erhöhen wird (modifiziert nach Christian Althaus, Epidemiologe der Universität Bern).

Besonders bemerkenswert ist die 2022 in vielen Ländern beobachtete Dauerhaftigkeit der Übersterblichkeit 2022. Nur wenige Monate lang lag die Sterblichkeit im normalen Bereich. „Dass wir über so viele Monate innerhalb eines Kalenderjahres eine Übersterblichkeit verzeichnen, das ist wirklich außergewöhnlich“ so Kaspar Staub, Medizinhistoriker und Epidemiologe der Universität Zürich, zum Tagesanzeiger  (lohnende 2 Franken!).

„Ein Zusammenhang mit Covid liegt auf der Hand“, so Kaspar Staub. Es könnten aber noch weitere eher indirekte Gründe mitspielen, welche noch nicht vollständig verstanden würden. Covid-Infektionen bringen auch mittel- und längerfristige gesundheitliche Risiken mit sich, besonders bei älteren Menschen. Dazu kommen ebenfalls andere Gründe wie die Hitze im Sommer, Influenza jetzt im Winter und allenfalls auch verpasste Vorsorgeuntersuchungen in den Pandemiejahren. Ein hohes Gesundheitsbewusstsein (Health Literacy) in der Altersgruppe 50+ ist derzeit besonders wichtig (Blutdruck, Cholesterin, Darmspiegelung, Mammografie).

Die letzte Welle/Hügel ist also abgeebbt wie die Krankenhausbelegung und das Abwasser Monitoring zeigen, heute zusätzlich aus Vorarlberg. Und wie geht es weiter?

Es kommt doch XBB.1.5* (das Sternchen inkludiert Nachfolgelinien), seine Dominanz wird im Laufe des Februars erwartet. Gibt der in der Seuchenkolumne vom 10. November beschriebene Rückgang der XBB Welle in Singapur, und zwar ohne weitere Maßnahmen zur Prävention, nicht eine Antwort auf das, was im Februar/März erwartet wird? Ja und Nein. Ja, weil immunologisch XBB und XBB.1.5 annähernd gleichwertig zu sehen sind, und man vom Herbstbooster eine ähnliche Wirkung erwarten darf. Nein, weil vor allem eine zusätzliche Mutation (F486P) mit hoher Wahrscheinlichkeit die intrinsische Übertragbarkeit von XBB.1.5 gegenüber XBB erhöht. Es hat eine Weile gedauert, bis diese Mutation entstanden ist, weil in einem ersten Schritt durch eine Veränderung in einem Nukleotid Serin als Aminosäure in die Rezeptor-bindende Domäne des Hüllproteins (Spike) eingebaut wird; bei XBB.1.5 jedoch sind zwei Nukleotide geändert, sodass an dieser Stelle eine andere Aminosäure (also ein anderer Eiweissbaustein), nämlich Prolin entsteht.

Diese Mutation, F486P, führt in Zusammenhang mit den anderen Mutationen bei der Virusvariante XBB.1.5 zu einer verstärkten Bindung zum Rezeptor, die wiederum vermutlich der Grund für die erhöhte intrinsische Übertragbarkeit ist. Daraus eine erhöhte Fähigkeit zu schwereren Krankheitsverläufen abzuleiten ist unzulässig. Zu Tierversuchen: Experimente zur Pathogenese bei Tieren haben bei der SARS-CoV-2 Infektion eine eher schlechte Erfolgsbilanz bei der Vorhersage des tatsächlichen Schweregrads von Erkrankungen beim Menschen. Zu komplex ist inzwischen der immunologische Status beim Menschen (ungeimpft, geimpft, geboostert, infiziert, sowie die diversen Permutationen davon). Tiermodelle, die diese Komplexität nachahmen sollten, sind beinahe unmöglich zu etablieren. Definierte immunologische Reaktionen kann jedoch man sehr wohl oft gut vergleichen.

Wie kommt es also, dass XBB.1.5 als so bedrohlich gilt? Einmal sind die monoklonalen Antikörper als Therapie/Prophylaxe für Immungeschwächte bei XBB.1.5 praktisch unwirksam geworden. Aber das eigentliche Problem ist die erhöhte intrinsische Übertragbarkeit, die bei manchen anfänglichen Berechnungen große Wachstumsvorteile gegenüber anderen Virusvarianten zeigte und deshalb als Ursache für eine größere Welle galt. Das sah die Seuchenkolumne differenzierter, beruft sie sich doch auf den Bioinformatiker Moritz Gerstung von der Universität Heidelberg und den Evolutionsbiologen Tom Wenseleers aus Leuven (Belgien). In ihren jeweiligen aktuellen Berechnungen finden sie den Wachstumsvorteil von XBB.1.5* gegenüber BQ.1, ganz ähnlich wie vor gut 2 Monaten der Wachstumsvorteil von BQ.1 gegenüber BA.5.2 . Deshalb ist das wahrscheinlichste, dass im Februar/März eine Welle/Hügel in der Größenordnung der letzten Welle (oder Welle im Juli) zu erwarten ist. Sicher, und da hat Minister Rauch schon wieder recht, das Beobachten von Virusvarianten bleibt wichtig.

Antigentest, PCR und Paxlovid sind durch XBB.1.5* nicht eingeschränkt.

Insgesamt gibt es immer noch ordentlich viele Leute (auch mich), die zu einer selektiven Infektionsvermeidung übergegangen sind. Immer noch gültig: Keine Infektion ist besser als eine; eine ist besser als zwei; zwei sind besser als drei….Man kann das mit einer gewissen Logik betreiben, man kann z.B. für sich bedeutende soziale Situationen aus Gründen ohne Maske absolvieren, weil sie einem wichtig genug sind, um ein Risiko einzugehen. Gelegentlich kippt man in ein irrational angehauchtes Verhalten und glaubt keine Maske auch dort mehr zu tragen, wo man es doch praktiziert hat, wie öffentlicher Verkehr oder überfüllte Geschäfte. Als hätte man die Seiten gewechselt und als gäbe es nur zwei Seiten, und man müsse die Seite verteidigen, auf der man sich wähnt. Schon ein archaisches Verhalten.

Wenn libertäres Gedankengut, politisch links oder rechts verortet, meint, Verhalten zur gesundheitlichen Prävention bedeute samt und sonders staatliche Einschränkungen, dann betreibt man eigentlich eine Politisierung von Public Health, die völlig fehl am Platz ist. Christiane Druml, Leiterin der im Bundeskanzleramt angesiedelten Bioethikkommission, beklagte diesen Zustand in einem rezenten Interview: „Wir leiden noch immer darunter, dass die Maßnahmen nicht als gesundheitlich relevant, sondern als politisch erwünscht betrachtet werden.“

Zum Abschluss ein Auszug aus dem sächsischen Verfassungsschutzbericht, Seite 20, wobei ich nicht weiß, ob sich das auf den Seuchenheiligen Armin Thurnher bezieht. Dem sächsischen Verfassungsschutz ist ja fast alles zuzutrauen: „Linksextremisten hatten sich seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie intensiv mit dem Infektionsgeschehen, dessen sozialen Auswirkungen und den politischen Regulierungen beschäftigt. Dabei befanden sie sich in einer schwierigen Situation. Es war ihnen über das gesamte Jahr erkennbar nicht gelungen, anschlussfähige eigene Positionen gegen die Corona-Maßnahmen zu entwickeln.

Sie reagierten ebenfalls kritisch auf die staatlichen Beschränkungsmaßnahmen. Mehrheitlich hielten sie sich jedoch an die Corona-Schutzmaßnahmen, wenngleich eher aus basisdemokratischen Erwägungen und einem gesamtgesellschaftlichen Verantwortungsgefühl heraus und mitnichten aus Respekt vor dem Staat und seiner Verordnungen.“« R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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