Ein Wort zu Frau Plakolm von der viertletzten Generation

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 911

Armin Thurnher
am 11.01.2023

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Jedes Jahr verschickt Irena Rosc Neujahrskarten an Freunde. Heuer bot sie Klebe- und Schüttaktionen zum gefahrlosen Selbermachen im Haushalt an. © Irena Rosc

Kürzlich sah ich eine Diskussion im Fernsehen, geleitet von Armin „gut, aber“ Wolf, es ging ums Klima, beziehungsweise um die Aktionen von Mitgliedern der „Letzten Generation“, die sich an Fußgängerstreifen ankleben und den Verkehr blockieren, um auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen.

Ich blicke als Angehöriger der Viertletzten Generation auf diese „Letzte Generation“ mit mildem Erstaunen, weil mir, der ich die Jahreskerben zügig in den Kolben meiner Flinte einschneide, der Furor des Ausgelöschtwerdens nicht fremd ist, aber auch, weil mir solche entschlossene Nichtmilitanz gefällt. Gewalt gegen Sachen? Nicht von uns! Jetzt einmal abgesehen vom „Entlüften von Reifen“, was man schon als beschönigenden Terminus auffassen muss, kennen die da keinen Kompromiss. Wir belästigen Menschen, um auf unser Anliegen aufmerksam zu machen, sagen sie, aber wir machen nichts kaputt. Das unterscheidet sich doch deutlich von den Kaufhausbränden der RAF, die seinerzeit mit „Gewalt gegen Sachen“ argumentierte, um dann doch das Blut von Menschen zu vergießen. Solche terroristischen Absichten möchte man den Klimaaktivisten ebenfalls unterschieben.

Was mir an denen gefällt, obwohl es vielleicht auf erste befremdet, ist ihre fehlende Geschmeidigkeit. Es mag medientechnisch unausgegoren sein, aber ihr Handeln und ihre Rede kommen aus echter Verzweiflung. Sie führen eine politische Rede, nicht angekränkelt von Redevorgaben, politischem Schönsprech und Marketing-Hintergedanken, in die sich von Sozialdemokratie bis Grüne fast alle verwickeln, von denen man nach politischem Widerspruch lechzt.

Es lebe die Unvollkommenheit! Es lebe die politische Überzeugung! Es lebe Franziskus, den von Assisi meine ich. Vor dem Abgrund des Fanatismus wird man diese jungen Frauen zurückreißen können, dazu scheinen sie mir zu gebildet. Aber das sage ich aus der Distanz einiger Generationen, siehe oben.


Der Frau Krumpeck gegenüber aber saß die Frau Plakolm, die ebenfalls eine letzte Generation vertritt, die Junge Generation in der ÖVP. Ihr Verhalten mir gegenüber empfand ich als äußerst respektlos. Sie übergoss mich nämlich mit einer pappigen Phrasensauce, die direkt aus der Fleischmannküche stammte, mit zuviel Messageschwitze angesetzt, unsubtil gewürzt und viel zu dick eingekocht.

„Genau aufgrund dieser Aktionen“ würden sich junge Menschen „kopfschüttelnd von diesen Bewegungen abwenden“, sagte die Jugendstaatssekretärin (contradictio in adjecto), und ich sah sie vor mir, die Bewegung der lodengrünen klimajungen Schwarzen (Frau Plakolm trug ein kleidsames schwarzes Lederjäckchen), diese vom Seewinkel bis an den Bodensee auflebende Bewegung der Kopfschüttler. Dass die „Letzte Generation“ sich nicht aufs Köpfchenwiegen beschränkt, ist schade, denn „da muss man schlussendlich alle mitnehmen.“

Wo aber ein Mitnehmen ist, da kann das Verstecken nicht fern sein. Siehe da: „Und in Österreich müssen wir uns definitiv nicht verstecken was Maßnahmen für den Klimaschutz betrifft“. Was heißt verstecken! Wir, egal was das Wifo und die Frau Krumpeck da behaupten, „wir haben gerade in den letzten Jahren sehr, sehr viele Errungenschaften erreichen können“. Ja, das muss erst einmal einer erreichen! Was du erreicht, erring es, um es zu besitzen, sagt schon der Dichter, und wir sind eben das Erring-Land, voller Errungenschaften und Naturwunder und Naturburschen und Naturmadln wie der Frau Plakolm mit ihrem bodenständigen soßigen Pseudo-Austro-Zungenschlag.

And the best is yet to come, denn „wir haben ein eigenes Kapitel im Regierungsprogramm, wo auch noch einiges in der Pipeline sein wird“, wobei gerade der Begriff „Pipeline“ von Fleischmann speziell mit Marker gehighlighted wurde, den soll man justament gegen den Strich bürsten, meint er – nimm das, Putin! – und dann kommt’s faustdick, denn Frau Plakolm kommt nicht nur aus der Fleischline, pardon Pipeline, sie ist auch „der Meinung, dass wir weniger mit Verboten arbeiten sollten“. Ja dieser Meinung bin ich absolut auch, wir müssen an den Standort denken und der Wirtschaft freie Hand lassen und den Bürgern freie Fahrt, dann pendeln sich die ganz selbstverantwortlich bei 100 km auf der Autobahn ein. Freiheit wirkt, man nennt es freie Fahrt für freie Bürger, und außerdem „müssen wir an den ganz großen Schrauben drehen“. Daran zweifle ich keine Sekunde. Der Phrasenwolf, durch den sie der Fleischmann gedreht hat, muss vorne einen ganz feinen Aufsatz haben und hinten eine ganz große Schraube.

Was müssen wir noch tun? Wir brauchen schon noch „ein bisschen mehr Innovationsgeist und Forschung“, weil die Rede der Frau Plakolm zwar gut, aber nicht perfekt war. Eine VP-AI könnte das besser. „Da nehmen wir sechs Milliarden Euro in die Hand“ und alles wird gut. Frau Plakolm gehört die Zukunft, das ist klar. Nur ein alter Trottel der Vierten Generation wie ich wendet sich kopfschüttelnd ab und denkt sich, auf den Kopf scheißen lass ich mir lieber von einer Amsel. Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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