Ich mach mir solche Sorgen um den ORF

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 909

Armin Thurnher
am 09.01.2023

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Warum fällt mir, wenn die Kronen Zeitung Besorgnis über den Zustand des ORF äußert, das Bild einer Hyäne ein, die sich um den Zustand einer kranken Antilope sorgt?

Das hervorstechende Merkmal des öffentlich-rechtlichen Wesens in Österreich ist, dass auf keinen Fall klar werden darf, was öffentlich-rechtlich bedeutet. Es ist vielmehr Allgemeingut, dass „öffentliches Interesse“ ein kurioser Begriff ist, etwa so aktuell wie „Obsidian-Faustkeil“, und gäbe es eine Medienministerin, die erkennen ließe, sie wüsste, was öffentlich-rechtlich ist, oder gar, es läge ihr etwas daran, würde sie sofort von ihrem Kanzler, der naturgemäß diesbezüglich vollkommen unbeleckt ist, entlassen.


Beim Adelbodenabtrieb Screenshot: ORF

Gestern saß ich vor dem Fernseher und dachte mir beim ersten Durchgang des Adelboden-Slaloms, dass die Unverschämtheit, mit der die Herren Polzer und Sykora Schleichwerbung für die Skimarke des Ex-Champions Marcel Hirscher betrieben, sehr gut in ein Bordell, aber eher weniger gut in eine öffentlich-rechtliche Sendung passen könnten. Wobei ein Bordell die beiden wegen Aufdringlichkeit wahrscheinlich maßregeln würde. Dann kam der zweite Durchgang, und alles war anders: Offenbar hatten sich die Markenbetreuer der anderen Skifabrikate aufgeregt, und so ergingen sich Sykopolz gut gelaunt im Aufzählen sämtlicher Skimarken, „bei der Formel 1 ist es ja auch nicht anders.“

Es war ein entfesseltes Feuerwerk hochöffentlicher Mikrokorruption, an die man uns da gewöhnt. Die Athleten der letzten Randsportart werden, ehe sie vor die Kamera treten, umgezogen, also aufgeputzt wie die Kuh beim Almabtrieb, auf dass ja alle Markenembleme ins Bild kommen, und nehmen, selbst wenn ihnen die Zunge am Blech anfriert, noch schnell einen Schluck Mateschitz. So sind wir, unbezwinglich in unserer Kombination aus Bestechung und Nationalstolz. Fast mag dieser schmierige und doch so vom Herzen kommende Alpen- und Markenpatriotismus erscheinen wie ein Alleinstellungsmerkmal, vor allem in Anbetracht der Platzierungen unserer Madln und Buam, die sich schon lange nicht mehr vorn hineinfahren.

Die Werbung der Kronenzeitung prangt naturgemäß fett auf den Anoraks und Skiern der Madln und Buam, umso glaubwürdiger erscheint die Sorge dieser Zeitung, einer der Pfeiler des ORF wackle nun. Gemeint ist die politische Unabhängigkeit, die anhand von Weisungen eines (nur temporär, keine Sorge) ruhiggestellten ORF-Landesintendanten zugunsten der ÖVP in Frage stehe. Pardautz!

Ein anderer ruhiggestellter Landesintendant untersucht nun – knüppelhart wie Sobotka im U-Ausschuss gegen die ÖVP, und total weisungsfrei – diese unfassbaren Vorgänge. Eingesetzt hat ihn der ORF-Generaldirektor Weißmann, der aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, wie ein niederösterreichischer Redakteur der ÖVP behilflich ist, worauf ihm diese dabei behilflich ist, Karriere zu machen. Unvorstellbar, solche Zustände!

Da staunt er, „unser Küniglberg-Held“ (Thomas Schmid). Ach was, das war der Herr Grasl, auch ein Kind der niederösterreichischen ÖVP-Unabhängigkeit, was nicht bedeutet, dass etwas von der ÖVP unabhängig ist, sondern dass es die unabhängige Herrschaft der ÖVP sichert, von der alle anderen abhängen.

Lernen Sie Deutsch, Herr Redakteur, so können wir noch was aus Ihnen machen!

Nationalratspräsident Sobotka, der große niederösterreichischstämmige Republikdesigner und (Wolf-Gang!) Parlaments-Gang-Namensgeber hat übrigens vergessen, einen Gang im Parlament nach Imre Békessy zu benennen. Vielleicht kann er das ja noch korrigieren. Eine kleine Ibiza-Lounge wäre auch nicht übel, und ein hochrangiges Novomatic-Forum wäre das mindeste. Als kleiner Dank für die Kulturberatung, welche dieses noble Institut dem Land Niederösterreich angedeihen lässt.


Auch wenn sie keine Ahnung hat, was öffentlich-rechtlich ist: Im Übrigen bin ich der Meinung, die Regierung muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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