Back again. Die erste Seuchenkolumne im neuen Jahr.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 908

Armin Thurnher
am 07.01.2023

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Chilli Linolschnitt von Peter Sterzinger

Ihr Autor dankt für alle die guten Wünsche, die sein Gemüt erhellten. Ein besonders schöner Wunsch erreichte ihn vom Musik- und Wetterfachmann Peter Sterzinger in Form eines Linolschnitts, der hier abgebildet ist (nach einer Idee von Sterzinges Frau Barbara, „in Verbundenheit mit ihrer empathischen Katzendame Chilli“, wie er mir schrieb). Und danke, ja, dem Kater geht es gut, er ist in Pension bei der Schwägerin, weil die Umstände eine Ortsabwesenheit nötig machten.

Man frage nicht, was in den 27 Tagen kolumnenfreien Tagen ich machte, ich sage es eh freiwillig (wenigstens sprang Robert Zangerle zweimal ein). Eine perfide Seitenstrangangina erwischte mich zu einem Zeitpunkt, als die Abgabe des Manuskripts zu meinem kommenden Buch anstand. Hohes Fieber und hohe Anspannung der Kräfte erforderten eine Pause, zumal seltener Verwandtschaftsbesuch aus den USA anstand. Tochter und Enkelin kamen zu einer Tour de Force durch Europa, die auch den Opa forderte, inklusive Weihnachtsabend bei Uroma, Skifahren auf Restschnee („Opa, do you still ski?“) und Silvesterfeier. Danach war ich froh, dass ich mir noch ein paar Tage zusätzlicher Erholung gegönnt hatte.


Da sich in dieser Kolumne das Private mit dem Politische stets auf unsaubere Weise vermischt, bedurfte es dieser Andeutungen. Das neue Buch, ich erwähnte es bereits (diese Erwähnung wird nicht die letzte bleiben), heißt „Anstandslos“ und wird im März bei Zsolnay erscheinen. Es ist ein nicht allzu langer Essay geworden. Ich versuchte mich diesmal zu beschränken, da meine Bücher zum Ausufern tendieren. Der Essay soll eine Art Phänomenologie der Kurz-Jahre liefern und sie als fatalen Ausdruck jener Tendenzen begreifen, die unsere ohnehin prekär gewordenen Demokratie unterminieren. Die Jahre sind vorbei, die Tendenzen nicht, auch wenn man die grotesk-klebrigen Nostalgiespur des unverwüstlichen Schleimrevolvers Michael Jeannée als ortsübliche Peinlichkeit ablegen mag: „Mein zweiter Wunsch: Sebastian Kurz (nach absoluten ÖVP-Wahlen noch heuer) an der Spitze des österreichischen Bundes. Das größte Polittalent nach Bruno Kreisky, aber mit der richtigen Farbe, auf dem Kutschbock der Republik. Bundeskanzler Sebastian Kurz!!!“

Die Frage, warum die Seuchenkolumne noch immer so heiße, welches ja doch ein abscheulicher Name sei, beantwortet sich damit zum Teil von selbst. Der Schwachsinn ist in den Medien endemisch geworden. Die Pandemie mag nicht mehr so gefährlich sein wie einst, die Irrationalität bei ihrer Bekämpfung bleibt uns erhalten, das sieht man an unserem Verhalten gegenüber aus China Einreisenden. Wirtschaftlicher Opportunismus und die Angst, den großen Partner China zu kränken, standen dem Selbstverständlichen, nämlich auf einem Test für Reisende zu bestehen, auf läppische Weise entgegen.

Die antidemokratische Seuche ist stark und international; Tests gegen sie sind nicht vorgesehen. Sie erfordert den Gebrauch unseres Verstandes, wie in guten alten Zeiten. Irre ich, oder spüre ich vernunftfeindliche Tendenzen an Orten, an denen ich sie nicht erwartet hätte? Auseinandersetzungen nicht mit Argumenten, sondern ad personam zu führen, ist längst zur allgemeinen Gewohnheit geworden. Die große Mehrheit der Publizierenden fühlt sich offenbar in Zusammenhängen von Propaganda pudelwohl; Skepsis gilt nicht als Tugend, sondern als heilbare Krankheit.

Ich sehe also keinen Grund, vom schönen Titel dieser Kolumne abzusehen; bloß weil eine Pandemie sich dem Ende zuneigt, sollten wir auch nicht meinen, Pandemien wären damit insgesamt erledigt.


 

Bär. Kunststein 1953–1954. Plastik von Josef Schagerl jr., Wien Landstraßer Hauptstraße – Neulinggasse (2013) Foto: Wikipedia

Es ist viel aufzuarbeiten, wie man sagt. An zwei Nachrufen wird gearbeitet (nein, weder Pelé noch Ratzinger, weder Josef Schagerl, der Schöpfer des Bären, noch Nick Bollettieri sind gemeint); sie folgen in den nächsten Tagen. Der Berg aufgehäufter Dankesschuld wächst und scheint sowieso unabtragbar. Im Übrigen bin ich der Meinung, die Republik muss die Wiener Zeitung retten.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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