Lyrik kommt nach Bregenz

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 896

Armin Thurnher
am 29.11.2022

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Mit einem gewissen Bangen besteige ich heute den Zug nach Bregenz. Nicht, weil ich befürchte, die ÖBB wären nicht imstande, einen Fahrplan nach einem läppischen Streiktag wieder reibungslos aufzunehmen. Wir sind ja keine Preußen! Die wissen, wie Disziplin geht, aber Bahnfahren können sie nicht. Gemeint ist, sie können keinen pünktlichen Bahnbetrieb gewährleisten. In der Dreierwertung des Zugverkehrs führt die Schweiz deutlich vor Österreich und beide turmhoch vor Deutschland. Tja, nicht einmal aus unseren Triumphen machen wir uns etwas.

Nein, mein leises Bangen stammt daher, dass ich mich am Abend mit Claus Pándi im Bregenzer Theater Kosmos treffe, um über Lyrik zu sprechen. Die Idee hatte Jürgen Thaler vom Franz Michael Felder-Archiv in Bregenz, und das Ganze findet in einer echt seriösen Literaturreihe statt, mit Robert Menasse kurz vor uns und der gerade mit dem österreichischen Buchpreis ausgezeichneten Verena Rossbacher kurz nach uns.

Sabine Lorenz Foto:Theater Kosmos

Im Sandwich wir. Gemildert wird die Sache dadurch, dass Thaler moderieren wird und die aus Theater, Funk und Fernsehen bekannte Schauspielerin Sabine Lorenz von uns ausgewählte Gedichte vorlesen wird, über die wir dann in etwas treten, was Wolfgang Sobotka vermutlich einen hochrangigen Austausch nennen würde; wir jedoch werden bei der anvisierten Fallhöhe darauf achten, nicht abzustürzen.

Entstanden ist die Idee aus unserem Lyrik-Austausch auf Twitter, den manche für ein Kuriosum, andere für ein Ärgernis, dritte offenbar für so interessant halten, dass sie ihm einen Abend widmen.

Ich habe das in der Seuchenkolumne einmal so ausgedrückt: „Weil jetzt gleich wieder die Naseweisen aufzeigen: Nein, mein Austausch mit Claus Pándi auf Twitter hat nur mit Poesie zu tun. Wir schicken einander auf Twitter Gedichte, täglich, mit Kurzkommentaren zu den Gedichten. Was das bedeutet? Das bedeutet, wir schicken einander Gedichte. Mit Kurzkommentaren zu den Gedichten. Coram publico. Es bedeutet weder, dass ich versuche, Pándi zu irgendetwas zu bekehren, noch dass ich versuche, auf diesem Weg die Kronen Zeitung langsam handzahm zu machen. Die sollen ihr Bolschewikenblattl ruhig warmhalten und mich in alle Ewigkeit einen Kommunisten nennen, mir egal. Umgekehrt wird Pándi damit nicht in den Umkreis des Falter gerückt. Wie gesagt, wir schicken uns Gedichte, das war’s. Haben voneinander kein Leumundszeugnis verlangt, unterhalten uns öffentlich über Poesie, indem wir so tun, als seien wir einander sonst Fremde. Macht Spaß, ob Sie’s glauben oder nicht.“


Das Programm besteht aus insgesamt zehn Gedichten. Jeder von uns durfte fünf aussuchen, über die wir dann kurz sprechen. Auf den Zettel kamen Robert Frost​, ​H. C. Artmann, Rainer Maria Rilke​, ​Ingeborg Bachmann, Friederike Mayröcker​, ​Ronya Othmann​, ​Wisława Szymborska​, ​Fabjan Hafner​, ​Gottfried Benn​, ​Peter Rühmkorf​, ​Hannah Arendt​, Tomas Tranströmer​ und ​Else Lasker-Schüler. Da findet doch jeder und jede was! Wenn Sie in Bregenz oder Umgebung sind, schauen Sie doch vorbei!

Theater Kosmos, Mariahilfstraße 29, Bregenz, 29.11.,19:30


Ein Anmerkung zur Wiener Zeitung. Fast hätte ich es übersehen: »Auch Wien spricht sich für den Erhalt der „Wiener Zeitung“ aus. In einer am Donnerstag im Gemeinderat eingebrachten Resolution der Regierungsparteien SPÖ und Neos wird die Bundesregierung aufgefordert, ein Finanzierungskonzept zu erstellen beziehungsweise umzusetzen. Die aktuellen Pläne für die Zukunft des Traditionsmediums werden in der Resolution, die die Grünen und die FPÖ unterstützen, abgelehnt.« (Wiener Zeitung)


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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