Das goldene Klavier als Programm. Ein Trauermarsch.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 886

Armin Thurnher
am 17.11.2022

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Bösendorfer Flügel, Modell Secession Foto: Bösendorfer

Es ist alles sehr traurig. Wolfgang Sobotka ist Präsident des österreichischen Nationalrats, das gehört zum Traurigsten im aktuellen Angebot. Er ist es nicht nur, weil die ÖVP die stärkste Fraktion ist, genau genommen ist es die neue ÖVP/Liste Sebastian Kurz, denn die ÖVP ist die Partei der vielen Namen, die Chamäleon-Partei, die meint, ihre Skandale abwerfen zu können, indem sie ihren Namen verleugnet, aber das Inkognito fliegt bald wieder auf und siehe da, sie steht vor uns in alter Unfrische.

Sobotka selbst macht uns verlegen. Er ist keine Verlegenheitslösung, sondern eine Unverschämtheitslösung. Er wurde von Sebastian Kurz für seine Arbeit als Abrissbirne des Kabinetts Kern-Mitterlehner und für das Meucheln seines Parteigenossen, des Vizekanzlers mit diesem Posten belohnt. Das traf sich gut. Kurz konnte damit eine Dankschuld abtragen und zugleich seine Verachtung für den Parlamentarismus ausdrücken.

Dies gelang prächtig, denn Sobotka wird als der parteiischste Parlamentspräsident der Zweiten Republik in die Geschichte eingehen, als einer, der permanent die Lüge verbreitete, das Gesetz verpflichte ihn, den Vorsitz im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss zu führen (es verpflichtet ihn in Wahrheit zu nichts, es lässt ihm nur die Wahl). Dort tat er alles, um die Aufklärung zu behindern und ÖVP-Auskunftspersonen betreffende Fragen hintanzuhalten. Seine im Gegensatz zur Vorsitzfrage juristisch feststehende Befangenheit ignorierte er frohgemut.

Eine hektische und in diesem Ausmaß unübliche Reisetätigkeit sollte seine politische Bedeutung untermauern, gab ihn aber nur der Lächerlichkeit preis, wenn er bekanntgab, mit welchen Bedeutungslosen er gerade wieder „hochrangigen Austausch“ betrieben hatte. Als sein tiefstrangiger Austausch blieb das Plauderstündchen bei Wolfgang Fellner auf oe24tv in Erinnerung, wo man amikal das Anzeigengeschäft als selbstverständliches Gegengeschäft definierte, was Sobotka später in der ihm eigenen Schwurbelsprache Sobotkinesisch wegzuschwindeln versuchte. Betstunden im Parlament rundeten das Bild eines Politikers ab, der vorgab, Zöllner zu sein und permanent Grenzen übertrat.

Folgerichtig wurde er zum unbeliebtesten Politiker des Landes, noch hinter Herbert Kickl.

In einer Rolle aber wollte er glänzen. Als Umbaumeister des Parlaments. Zwar hatte er weder die Pläne gemacht noch den Bau begonnen, aber er führte von Amts wegen die Sache fort und präsentierte sich immer wieder mit großer Geste. An Pannen wie Termin- und Kostenüberschreitungen und der vermurksten Akustik im Plenarsaal traf ihn naturgemäß keine Schuld. Bleiben sollte nach all seinen Desastern wenigstens das Image Wolfgang des Stifters, Erneuerer der Demokratie, Gründer des Glanzes am Ring, mächtiger Künstlerfürst.

Dann kam die Sache mit dem Flügel. Das Parlamentsgebäude mit Kunst auszustatten mag nötig sein. Ob die Variante, arrivierten Künstlerinnen und Künstlern nach Art von „Kunst am Bau“ Aufträge zukommen zu lassen die beste war, oder ob es nicht kreativere Möglichkeiten gegeben hätte, soll hier offen bleiben.

Bezweifelt wird auch nicht die Notwendigkeit, einen Flügel im Parlament aufzustellen. Allerdings ist die Summe von 36.000 Euro für eine Jahresmiete verrückt; dafür kann man jeden Monat einen echten Konzertflügel mieten, Lieferung und Abtransport inklusive. Oder man kauft einen; mit einer Kaufmiete in dieser Höhe ist er in fünf Jahren abbezahlt, behält seinen Wert und mehrt das Staatsvermögen.

Der von Sobotka angemietete Flügel ist ein Bösendorfer aus der „Architecture Series“, Modell Secession, Motto „Ver Sacrum“ (Heiliger Frühling), dessen Preis (Mehr als 190.000 Euro) sich vor allem aus seiner reichen 23-Karat-Goldornamentierung ableitet. Das Modell Secession mit 214 cm Länge entspricht einem gehobenen Salonflügel (Konzertflügel sind länger). Möglich wäre der Bösendorfer Imperial (290 cm), überlegen sind vermutlich Klaviere von Steinway und Fazioli. Sie alle kosten etwa gleichviel, wären jedoch weniger Ausstellungsstück als Musikinstrument.

Sobotka entschied sich für österreichische Handwerkskunst? Gewiss, aber Bösendorfer gehört längst der japanischen Firma Yamaha, die eine Standortgarantie abgab.

Angeblich wählte der Pianist Roland Batik dieses Klavier aus. Das ändert nichts daran, dass Sobotka die Wahl abnickte. Als Musiklehrer müsste er es besser wissen. Der Secession-Flügel erfüllt Protzbedürfnisse, er ist mehr Skulptur als Instrument und als solche mehr Kitsch als Kunst. Juhugendstil!

Nicht Klimt, sondern Adolf Loos, der Feind des Ornaments, Arnold Schönberg, Sigmund Freud, Karl Kraus stehen für die Wiener Moderne. Ihr Vermächtnis wäre mit Musik auf einem Klavier besser gewahrt, das alle Energie seiner Gestaltung darauf legt, möglichst gut zu klingen, nicht möglichst dekorativ auszusehen. Welche Musik auf ihm dargeboten wird, bleibt abzuwarten. Sich programmatisch auf Zeitgenössisches festzulegen (in Wien lebende Pianistinnen und Pianisten spielen aktuelle neue Musik) wäre wünschenswert und wichtiger, als sich parvenühaft auf ein Prunkobjekt festzulegen.

Andererseits war die Wahl des Ornament-Klaviers Programm. Sobotka selbst ist der bizarre Schnörkel auf der antiparlamentarischen Wendung unserer Politik, die mit dem Namen Sebastian Kurz verbunden ist. Eine Glatze, welche gern die Locke wäre, die auf ihr gedreht würde, ginge der Griff nicht ständig ins Leere. Talmi auf dem Abstieg der liberalen in die illiberale Demokratie. Das Goldene Klavier zum Goldenen Quartier. Ver Sacrum? Nein, unheiliger Spätherbst der Republik.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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