Patterer beweint Nowak und stürzt sich in das Schwert seines Vorurteils.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 878

Armin Thurnher
am 08.11.2022

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Hubert Patterer, Chefredakteur der Kleinen Zeitung, schrieb am Sonntag einen Kommentar zur Affäre Nowak. Es ist ein Dokument der Verletzung. Ein Freund, ein befreundeter Kollege sieht, dass ein anderer falsch gehandelt hat und dafür die Rechnung bezahlen muss, und versucht, die Strafe wie auch den eigenen Schmerz abzumildern. Das ist verständlich, legitim, ja edel.

Die Art, wie Patterer es tat, ist aber etwas anderes.

Patterer zeichnet den Hintergrund des Versagens eines medialen Verantwortungsträgers: Den Medien gehe es schlecht, Krisen aller Arten träfen sie mitten in der Geschäftsumstellung von analog auf digital. Außerdem müssten sie über lauter Krisen berichten, was wiederum die Medienkonsumenten verdrieße.

„Für diese Bedrohungsbilder gibt es Werkzeuge, die man in Management-Schmieden lernt. Die Zeitungshäuser sind voller Folien. Für die größte Gefährdung, die Vertrauenskrise, gibt es hingegen keine Schablone“,

schreibt Patterer. Mir fällt ein, was ich bei meinen wenigen gemeinsamen Unternehmungen mit großen Medienkonzernen erlebte. Die einen schönten Budgets, wie es ihre Pläne brauchten, die anderen warteten mit Schablonensätzen auf wie: „Sie haben die Lizenz zum Gelddrucken“ oder „Radio ist Krieg“. Nicht erst seit damals halte ich die Schablonenwelt der Konzerne für an die Wand geworfenen Bullshit, aber der Mensch muss sich ja mit etwas die Zeit totschlagen, und in Indien verputzen sie mancherorts ganze Häuser mit Kuhdung.

Patterer schreibt weiter:

„Politik und Medien sind von ihr (der Vertrauenskrise) erfasst worden. Sie gerieten ins Sperrfeuer der Polarisierung, und der Vorhalt lautet: zu viel Staatsnähe, Komplizenschaft mit der Macht, Teil des Oben, zu nah am Feuer.“

Das könnte noch durchgehen, allerdings hat Noam Chomsky schon vor 34 Jahren sein „Manufacturing Consent“ publiziert, zwar marschierten die 68er vor 60 Jahren gegen die Springerpresse, zwar hat die Kronen Zeitung vor mehr als 30 Jahren Jörg Haider zum Riesenkrokodil der Innenpolitik gemacht, zwar hat das segensreiche (und stilbildende!) Wirken der Fellner Brothers Medien insgesamt als Bordell erscheinen lassen. Patterer aber setzt den Zeitpunkt des Vertrauensverlusts anders:

„Begonnen hat die Entfremdung in der Migrationskrise, wo sich die Medien allzu erzieherisch und konformistisch der Willkommenskultur anschlossen, im Auftrag des vermeintlich Guten. Viele Bürger spürten, dass das veröffentlichte Bild mit dem, was sie in ihrem Lebensumfeld an Konflikten wahrnahmen, immer weniger übereinstimmte. Die Entfremdung setzte sich in der Pandemie fort, als Medien erneut in den Geruch gerieten, Dienstleister von Lobbys zu sein, sei es der Impflobby oder nunmehr der ,Kriegslobby‘.“

Da ist es fast schon egal, dass Patterer die Kriegslobby in Anführungszeichen setzt, die Impflobby aber nicht. Man kann die Sympathie mit Medienskeptikern auch übertreiben. Aber die Frage, was das soll, so haarsträubend es sein mag, verblasst vor diesem Satz:

„Begonnen hat die Entfremdung in der Migrationskrise, wo sich die Medien allzu erzieherisch und konformistisch der Willkommenskultur anschlossen, im Auftrag des vermeintlich Guten…“

Elon Musk würde jetzt ein Waschbecken herbeischleppen, ich lasse das nur sinken: Nowaks Vergehen wiegt, folgen wir Patterer, deswegen so schwer, weil „die Medien“ mit den Guten paktierten, mit den Linken, die auf der Hegemonieorgel spielen, mit den haltlosen Ausländerfreundinnen, mit der LBGTQ-Blase, mit den woken Genderetten aller Spielarten; und weil diese verdammten Medien so woke sind, wurde es als doppelt schlimm empfunden, wenn einer von denen, denen das Volk deswegen eh schon grollt, wenn einer wie der Nowak also bei so  einer Scheiße erwischt wird.

Das ist natürlich doppelt zehennägelgerollter Wahnsinn. Denn es stimmt, das Volk pfeift auf woke. Aber es ist nicht deswegen mit der Presse übers Kreuz, weil die so woke ist, oder mit der Krone, weil die so batzwaach zu Migranten ist, sondern weil es „die Medien“ als Unterhaltungsindustrie sieht und sich in die vermeintliche Informationsfreiheit der Social Media flüchtete, die es Hand in Hand mit den Alt-Right-Geschwadern aller Kontinente algorithmisch verführen, und keineswegs zum Guten, sondern eher zum Glauben an so etwas wie „Lügenpresse“ und „Impflobby“ (wobei der Faktenkern bei Lügenpresse leider deutlich dichter ist).

Ich sehne mich danach, dass Leute wie Patterer, die ich für normalerweise vernünftige und diskursfähige Intellektuelle des konservativen Lagers halte, endlich aufhören, deutsche Verhältnisse auf Österreich zu projizieren. Dort gab es tatsächlich einmal eine intellektuelle Hegemonie der Linken, um das pauschal zu benennen; bei uns nicht einmal ansatzweise. Ein paar versprengte Linksintellektuelle haben gegen die geballte Walze aus konservativer Politik (auch sozialdemokratisch-konservativer) und Medienkapital fast Null Chance (unsereiner nützt sie halt).

Patterer meint, Nowak sei in die Chat-Affäre „geraten“. Das ist so unpräzise, dass es an Beleidigung grenzt. Nowak hat con gusto mitgechattet, weil er glaubte, als Schlaumeier obenauf herauszukommen. Zur Chat-Affäre wurde das Ganze erst, als die Staatsanwaltschaft die Chats entdeckte und transkribierte. Zuvor war es clevere Kooperation mit einem Regime, dessen Chef uns von „den Medien“ als glänzende, alternativlose politische Hoffnung hingestellt wurde, der Konkurrenz, dem Publikum und medialen Kleingläubigen wie Meinesgleichen rhetorisch unendlich überlegen.

Nowak werde „den Triumphalismus der Kollegenschaft zur Linken, ihre moralische Aufwallung … verschmerzen, nicht sofort, aber mit der Zeit,“ schreibt Patterer. Ich verschmerze die Unterstellung schwer, über den Fall eines Kollegen triumphierend zu heulen. Ich mag den Nowak, er tut mir leid. Er hat sich bei falschem Verhalten erwischen lassen, das ist alles. Nicht jede Blamage der Rechten ist schon ein Triumph der Linken.

Aber ich könnte heulen über die Windungen und Wendungen Patterers, der in seinem Schmerz meint, einem Freund einen Dienst zu erweisen, und sich dabei ins Schwert des eigenen Vorurteils stürzt.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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