
ARMIN THURNHER —
03.11.2022
Es ist vergleichsweise eine Kleinigkeit. Es war nur ein kurzer Moment, aber erhellend. Kürzlich, am 31.10., war der neue ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker bei Armin Wolf in der Zib2. Stocker ist Rechtsanwalt und folgte Laura Sachslehner nach, diesem weiblichen Sprechautomaten, einer Prachtblüte des Kurzismus, welche die Öffentlichkeit durch perlende Phrasenblasen erfreute, die umso prächtiger schillerten, als sie offenbar nicht aus ihr selbst kamen, sondern aus der großen türkisen Blasenmaschine (GTBM). Den Titel habe ich von Matt Taibbi geklaut, dem umstrittenen US-amerikanischen Journalisten, der aber auch großartige Texte schrieb. Einer seiner besten für den Rolling Stone trug eben diesen Titel: The Great American Bubble Machine.
Stocker ist in so gut wie allem ein komplettes Sachslehner-Kontrastprogramm. Stockig in der Erscheinung, rechtlich von Berufs wegen beschlagen, durchaus imstande, Fragen zu verstehen und auch zu beantworten. Wenn er will. Wenn er das nicht will, ist es sein gutes Recht.
Wenn einer wie Stocker aber die GTBM weiter betreiben muss, kommt es naturgemäß zu Problemen. Eine der schönsten Blasen schwebte im Raum, als Stocker bei Armin Wolf saß, der wieder einmal all seine Contenance aufbringen musste, um sich im Rahmen des ORF-Gesetzes zu halten, was ihm aber mit bewundernswerter Zurückhaltung gelang.
Die GTBM stürzt uns ja in einen wahren Wirbel der Wirrungen. Sehr gut gelingt der GTBM, uns vorzuschillern, die Kurz-Skandale wäre allesamt bloß juristische Fragen. Dafür verwirren uns die Protagonisten mit gestreuten Aufzeichnungen von Telefonaten in Wort und Ton, bald auch im Bild, bei denen wir nicht mehr wissen sollen, wer wen zu welchem Zweck ausspioniert. Spy versus Spy, diese beiden Schnabelwesen aus dem Comix, die einander permanent auszutricksen versuchen, scheint mir die beabsichtigte Ablenkung gut darzustellen.
Vor Gericht, sagt die GTBM, werde sich mangels an Beweisen die Unschuld aller jetzt zu Unrecht Bezichtigten herausstellen. Das mag so sein, nimmt aber kein Gramm von der politischen Schuld weg, die die Generation Kurz und ihre noch amtierenden Helfershelfer auf sich geladen haben. Deren führender ist der Nationalratspräsident Wolfgang „Abrissbirne“ Sobotka, und auf ihn steuerte das Gespräch wischen Wolf und Stocker zielsicher zu.
WOLF: Werden wir gleich darüber reden, aber…
STOCKER: Gerne. Und es ist auch so, dass Wolfgang Sobotka wegen dieser Vorwürfe ja noch gar nicht beschuldigt ist, aber er ist öffentlich verurteilt. Und daher würden wir auch gerne darüber reden.
WOLF: Bleiben wir doch gleich beim Nationalratspräsidenten, dem hat Thomas Schmid ja vorgeworfen, er wollte bei ihm Steuerprüfungen beim Alois-Mock-Institut und bei der Erwin-Pröll-Stiftung abdrehen und da sagt jetzt die ÖVP seit zehn Tagen, und Sie haben es jetzt ja gerade wieder gesagt de facto: Alles Lüge. Und sie haben vor acht Tagen „Im Zentrum“ auch Folgendes gesagt: „Und es gibt Sachbeweise, dass es diese Steuerprüfungsverfahren nie gegeben hat. Es interessiert niemanden und es entschuldigt sich niemand für die Diffamierung des Präsidenten.“ Und jetzt stellt sich heraus, dass es bei der Pröll-Stiftung sehr wohl eine Steuerprüfung gegeben hat und auf bisher unerklärte Weise hat der zuständige Finanzbeamte nach zig Monaten ganz knapp vor Abschluss dieser Prüfung seine Meinung zur Steuerpflicht geändert.
STOCKER: Aber eines verwundet mich jetzt auch, Sie stellen hier einen Zusammenhang her zwischen dieser Steuerprüfung, von der wir wissen, dass sie 2017 begonnen hat und 2018 abgeschlossen wurde…
WOLF: Von der Sie in der Sendung noch bestritten haben, dass es sie überhaupt gab.
STOCKER: Nein, ich habe bestritten, dass die Beschuldigung, die hier Thomas Schmid erhoben hat, und der hat gesagt, die Steuerprüfung als Finanzminister Spindelegger abgetreten ist, dann Schelling gekommen ist, das ist das, was er gesagt hat, das ist 2014 und da hat es keine Steuerprüfung gegeben. Und bei der, die sie ansprechen, hat es auch keine Intervention gegeben, das ist mittlerweile auch vom Finanzamtsleiter des Finanzamtes Österreich bestätigt.
Das wird nur noch überboten durch die Behauptung des Sobotka, das von ihm geleitete Mock-Institut habe von Novomatic kein Geld bekommen, wobei er auf Nachfrage hinzusetzte, naja, halt nicht im Untersuchungszeitraum.
Stocker kann das auch: Steuerprüfung für Pröll-Stiftung, ja, aber in einem anderen Jahr. Stocker kann es noch besser. Es gab keine Intervention, weil der Finanzamtsleiter sagt, dass es keine Beweise für eine Intervention gibt. Erinnert mich an die Aufforderung des Lehrers an die Klasse: „Wer fehlt, soll aufzeigen!“
Ist es nicht das Wesen der einen Vorgang unterdrückenden Intervention, dass sie ihre eigenen Spuren beseitigt? Jedes Schriftl ist ein Giftl! Als Beweise können da Sachbeweise dienen, sowie Aussagen aller Beteiligten, aber nicht die Mitteilung eines Beamten, im Kalender („am Prüfplan“) sei nichts eingetragen.
Dass dieser Beamte ÖVP-Mitglied ist, muss bei seiner Glaubwürdigkeit mit beurteilt werden, da hatte Armin Wolf Recht. Ebenso Recht hatte Stocker mit der Bemerkung, der Beamte sei auf seinen Diensteid verpflichtet.
So wenig wie die Verdacht Schöpfenden (wir), die sich auf das Geständnis des Thomas Schmid stützen, damit widerlegt sind, wäscht die Aussage eines Beamten den Herrn Nationalratspräsidenten rein. Dieser saubere Herr hat sich ohnehin gewaschen. Er, Sobotka ist bis auf den Beweis des Gegenteils als unschuldig anzusehen, aber dieser Beweis ist, anders als die GTBM und Stocker uns glauben machen wollen, eben weder erbracht noch widerlegt.
Plopp, sagt die Blase.
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