Was wir den Katzen füttern. Was der ORF uns füttert.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 848

Armin Thurnher
am 03.10.2022

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Ich will die Woche nicht schon wieder mit dem ORF beginnen. Reden wir von etwas anderem. Eine Leserin schrieb mir, als ich in einem Kater-Dialog die Marken des von mir verfütterten Katzenfutters erwähnte:

„Guten Morgen, Herr Thurnher!

Danke für Ihre Kolumne. Sie ist immer interessant, witzig und gut formuliert.

Heute habe ich aber eine ganz persönliche Katerfrage.

Kann man Sheba ruhigen Gewissens füttern? Ist das kein Junk Food?

Ich frage für meinen Kater Leo.“

Ich antwortete wahrheitsgemäß, ich hätte keine Ahnung. Unser Kater Hannibal wird abwechselnd mit Produkten von DM und Hofer versorgt. Sie tragen meist den Aufdruck „Bio“, ohne dass ich das im geringsten glaube. Ihm scheint eine gewisse Abwechslung wichtig zu sein. Ich bin froh, dass er in seinem Alter frisst, diesbezüglich gibt er mir zu Gram keinen Anlass.

Bei der Frage der Leserin fielen mir zwei Geschichten ein. Die eine erzählt der famose Jeffrey Steingarten, dessen Bücher „Der Mann, der alles isst 1 und 2“ Sie antiquarisch bekommen. Steingarten ist bekannt für seine exzessiven Küchen-Recherchen. Hätte er die Frage nach Katzenfutter gestellt bekommen, wäre er anders vorgegangen als ich. Ihm hätte aber auch die Vogue die Spesen bezahlt.

Ich, der ich hier spesen-, kosten- und folgenlos agiere, kann nur eine seiner Geschichten aus dem Gedächtnis wiedergeben. Eines Tages begann Steingarten über Hundefutter nachzudenken, weil ihm sein eigener Hund mit dem bekannt sorgenvollen Gesichtsausdruck aller Menschen beim Essen beobachtenden Hunde beim Essen zusah. Er schien Steingarten zu fragen, warum der sich und seiner Frau elaborierte Gerichte zubereite, dem Hund aber das Futter aus der Dose in den Napf kippe.

Ich erspare Ihnen Steingartens Recherchen und Telefonate bei Hundefutterfabrikanten. Am interessantesten schien mir nämlich das Ergebnis der Nachfrage bei den schicksten französischen Chefs von Manhattan. Sie erzählten auf die Frage nach Hundenahrung unisono die gleiche Geschichte. In ihrer Lehrzeit in den besten französischen Restaurants hatten sie die Aufgabe, die Hunde der noblen Klientel zu betreuen. Das hieß im Normalfall nicht nur, die Viecher Gassi zu führen, sondern auch, ihnen ein Dreigangmahl auf anständigem, also dem Niveau der Hauben- oder Sterneküche zuzubereiten und zu servieren.

Bachi, slowenische Gastkatze, wärmt sich im Küchenherd. – Foto: Irena Rosc

Voilà!, rief mir der kluge Kater sogleich bedeutungsschwer zu und erwartete sich schnurrend von mir Ähnliches. Nix da, sprach ich, denke an deine slowenische Freundin, die du gar nicht kennst, die Gastkatze meiner Frau. Die kriegt jene Dosen, die du ablehnst, weil es Pasteten oder Geschmacksrichtungen sind, die dir zu minder scheinen. Sie aber, eine elegante Kartäuserin, frisst sie mit allen Anzeichen der Freude über solchen Luxus. Dabei ist sie von Ansehen und Gestalt nobler als du räudiges Findelkind, ausgesetzt einst im Waldviertler Gebüsch.

Schmollend rollte sich Hannibal in seine warme Kuschelecke.


Das Ganze ist, Sie ahnten es, eine Parabel auf den ORF, der uns mit konsensfähigem Dosenfutter abspeisen möchte und nun darangeht, Billigfutter auszuteilen und die Rationen zu verknappen, um wem immer eine Freude zu machen, nur nicht uns. Im ORF wird bekanntlich von Weißmann und seinem Team herumreformiert. Was da an Reformvorschlägen nach außen dringt und auf die Eliminierung von Kunst hinausläuft (scheint stets am billigsten und ist stets am teuersten), das lässt einem Wolfgang Sobotka wie einen korrekten, kultivierten altösterreichischen Beamten mit guten Manieren vorkommen. Dieses leidige Thema wird Sie und mich also weiter verfolgen.

Heute dazu nur ein Vers aus einer neuen Übersetzung des Kural, geschrieben vor 2500 Jahren vom tamilischen Dichter Tiruvalluvar. Es besteht ausschließlich aus Zweizeilern, vier-und dreihebig, und befasst sich mit nicht weniger als dem Leben, mit der richtigen Art zu regieren, zu kämpfen, zu lieben und zu sterben. Soeben erschien eine hoch gepriesene neue Übersetzung ins Englische  von Thomas Hitoshi Pruiksma, und ich möchte Herrn Weißmann und seinen Sparmeistern Spruch 831 aus dem Unterkapitel „Folly“, also Torheit zur Kenntnis bringen:

What to call folly – discarding what helps

And keeping what hurts

Deutsch etwa:

Was nennen wir Torheit – loswerden, was hilft

Und behalten, was schmerzt.

Die Wüste wächst. Herr, vergib den Sandmännern und -frauen, denn sie wissen nicht, was sie tun. Es wird ihnen nicht nur hier noch im Detail erklärt werden.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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