Blaue Seiten – der kluge Kater und ich begrüßen die Debatte.
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 844
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KATER: Mein Beileid.
ICH: Wozu?
KATER: Zum Schlag ins Wasser.
ICH: Du meinst meinen Interventionsversuch in Sachen „blaue Seiten“?
KATER: Genau. Dieser Herr Sobotka sagt ja, intervenieren heiße nur soviel wie „sich einschalten“.
ICH: Ich dachte ja, dass ich das genau das mache. Knipse dem österreichischen Bürgertum ein Licht an…
KATER: Wie kann man etwas ein Licht anknipsen, das gar nicht existiert?
ICH: Ich dachte immer, es existiert der Möglichkeit nach. Oder den Restbeständen nach. Wenn ich ihm seine endgültige Selbstausschaltung vor Augen führe, wird das Quasi-Bürgertum, dachte ich, vielleicht für einen kurzen Moment aufhören zu versuchen, sich nur einzuschalten und merken, dass es sich schon selbst den Saft abgedreht hat.
KATER: Das sind, mein Lieber, mit Verlaub gesagt arg dialektische Hoffnungen. Du meinst also, dieses Bürgertum, an das du da so verzweifelt appelliert hast, gibt es gar nicht? Warum appellierst du dann? Und an wen?
ICH: Naja. Es gibt natürlich das Bürgertum als Produktionsmittel besitzende Klasse, aber woanders hat diese Klasse versucht, ihre Macht auch kulturell zu legitimieren. In manchen Ländern hat sie eine ganze Zeitungslandschaft geschaffen. In Österreich liest sie Kronen Zeitung, übt Tik Tok und hat längst ihr Burgtheater-Abo storniert.
KATER: Schau, da ist gerade ein Debattenbeitrag erschienen, wer sagt’s denn. Im Medium des Bürgertums schlechthin, in der Presse.
ICH: Zeig her.
KATER: Da. Veit Dengler, hat acht bezahlte Medien-Abos, gründete die Neos mit, war Geschäftsführer der Neuen Zürcher Zeitung. Wie viele Abos bezahlst denn du?
ICH: Lustig, zehn, wenn ich Sky und DAZN mitzähle.
KATER: Ich wünsche jetzt bitte nichts über Dominic Thiem zu hören.
ICH: Spielt eh erst heute Nachmittag, gegen Marin Cilic in Tel Aviv. Und beim letzten Match dachte ich, ich sah den Harry Bergmann in der dritten Reihe sitzen. Der ist gerade dort.
KATER: Der Harry wird dir jetzt auch nichts nützen. Eine Antwort in der Presse, da schaust du, was? Damit hast du nicht gerechnet! Und gleich setzt du diesen Walter-Benjamin-Gesichtsausdruck auf!
ICH: Was?
KATER: Benjamin sagt doch, der Polemiker nimmt sich das Objekt seiner Betrachtung „so liebevoll vor, wie ein Kannibale sich einen Säugling zurüstet.“
ICH: Lass uns, selbst wenn wir beide polemisch gestimmt sind, die Reflexionsfrist beachten. Erst soll Herrn Denglers Beitrag erscheinen und gelesen werden, dann werde ich mich einschalten.
KATER: Und ihn ausschalten?
ICH: Kater, ich bitte dich! Ich werde ihn nur beleuchten. Ausleuchten. Er verspricht ja eine zivilisierte, nüchterne Auseinandersetzung. Darauf hoffe ich.
KATER: Hoffnung ist unsere Aufgabe, es bleibt uns ja sonst nichts, als die Hoffnung aufzugeben.
ICH: Was soll dieser pluralis includens? Willst du Politiker werden? Dafür scheint es mir reichlich spät.
KATER: Keine Angst. Ich weiß um meinen Zustand Bescheid, zum Unterschied von manch anderem.
ICH: Ich möchte dich übrigens zu deinem Benehmen beim letzten Besuch beglückwünschen. Da hast du wirklich Haltung bewiesen.
KATER: Du meinst gegen diesen slowenischen Rauhaardackel? Der war ja kaum größer als ich.
ICH: Aber er hatte von Anfang an großen Respekt vor dir. Manche Rauhaardackel sind giftige Jäger, und dieser lebt als Schrecken aller Kleintiere auf einem Bauernhof in 1200 Meter Höhe.
KATER: Ich weiß, der tut nur so lustig. Aber ich habe ihn niedergestarrt, hast du gesehen? Danke übrigens, dass du ihm nicht erlaubt hast, sich über mein Fressen herzumachen.
ICH: Dafür habe ich nichts gesagt, als du dich über sein Fressen hergemacht hast.
KATER: Da hast du gestaunt, was? Du weißt, dass man mir fast alle Zähne gezogen hat und ich alle harten Sachen vermeiden soll.
ICH: Du könntest dich als politischer Journalist bei fast jedem österreichischen Medium bewerben. Aber wozu kaufe ich dir das teure Shah mit Kräutern, wenn du dann diese ordinären Brekkies knabberst?
KATER: Die Brekkies waren eine Überwindung. Ich zeigte dem, dass ich fresse, was er frisst. Zahnlos oder nicht. Shah ist übrigens noch lange kein Sheba. Aber ja, ich würde mich gern bewerben.
ICH: Darf ich raten, als was?
KATER: Genau, als Bundespräsident. Das wär’s gewesen. Willst du wissen, wie ich es angelegt hätte?
ICH: Nein.
KATER: Wie war das mit dem Kräuter-Shah?
ICH: Ist ja gut.
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher