Der rote Kater fragt nach dem Roten Wien

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 823

Armin Thurnher
am 03.09.2022

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Kater Hannibal hat wieder einmal Fragen Foto @ Irena Rosc

ICH: Wo kommst denn du her?

KATER: Aus dem unfreiwilligen Tierpensionat, in das du mich gesteckt hast.

ICH: Dort hat es dir doch besser gefallen als bei uns, gib’s zu.

KATER: Damit kannst du dein schlechtes Gewissen nicht beruhigen. Du weißt, Katzen sind ortsgebunden.

ICH: Jetzt bist du wieder da, und?

KATER: Ihr könntet mich ruhig ein bisschen mehr verwöhnen. Darf ich zum Roten Wien was fragen?

ICH: Wieso?

KATER: Weil ich ein roter Kater bin.

ICH: Das ist schwer zu widerlegen, wenngleich du schon ins Weißliche hinüberlappst.

KATER: Wenn dir einer so kommt, ist es Ageismus. Fehlt gerade noch, dass du mich einen alten Hund nennst. Mit mir kannst du es ja machen.

ICH: Also, was ist die Frage?

KATER: Ist das mit dem Roten Wien nicht ein bisserl ein Fimmel von dir? Bildest du dir da nicht einfach etwas ein, das mit der Realität schon lange nichts mehr zu tun hat? Ich sage nur: Inseratenpraxis, Lobautunnel, also vor allem der Umgang mit Protestierenden dort, Grünbashing, Medienpolitik, MA 35, ich werde beim Aufzählen müde …

ICH: Ja, ich weiß, das ist alles unschön. Und doch ist hier so etwas wie eine Gegenmacht, die qua Ideologie und Größe noch immer Dinge tut, die andere Stadtregierungen gar nicht tun können.

KATER. Und du glaubst, eine andersfarbige Stadtregierung würde das nicht tun.

ICH: Genau das glaube ich nicht nur, das weiß ich. Als die Schwarzen in Wien erstmals mitregierten, haben sie zum Beispiel darauf bestanden, die Bank Austria zu privatisieren, ein dunkles Kapitel der Stadtgeschichte. Das ging aus wie Hans im Glück, wurde aber naturgemäß von der wienkritischen Schwarzpresse nicht sehr stark verfolgt.

KATER: Du wirst aber nicht leugnen, dass nicht erst seither die Sozialdemokraten in Wien sich sehr stark auf Machterhalt konzentrieren, quasi im Sinn einer rosaroten Message Control?

ICH: Dafür habe ich sogar ein gewisses Verständnis. Aber …

KATER: Was sagst du da?

ICH: Ja, Message Control ist bis zu einem gewissen Grad die Verpflichtung einer guten Regierung. Sie darf nur nicht , wie es die türkisen Kurzisten taten, zum Meinungskauf werden, zur Manipulationsmaschine, die vor keinem Mittel zurückschrickt. Die ÖVP kennt kein Dazwischen, entweder sie macht’s, wie es Kurz versuchte; danach ist dann alles hin. Oder es läuft im alten Sinn wie jetzt alles aus dem Ruder, weil jeder macht, was er will.

KATER: Die kriegen ja eh schon die Umfragenpanik.

ICH: Mit Hanger und Sobotka als Sprecher würde ich die auch kriegen. Es führt kein Weg zurück.

KATER. Interessant. Aber wir reden ja vom roten Wien. Inwiefern ist die Message Control des roten Wien anders?

ICH: Weder auf Wien heute findet etwas dem Landesstudio Niederösterreich Vergleichbares statt, noch sind die Zeitungen trotz heftiger Inseratenschauer derart auf Linie.

KATER: Stimmt, man liest in der Krone verhemente Analysen von Professor Filzmaier, die dem Roten Wien schon den Abschied singen: „Die SPÖ als Umfragekaiser geriet in die Nähe des Abgrunds. Schon bald kann sie einen Schritt weiter sein. In welche Richtung ist die Frage.“

ICH: Da könnte man Mark Twain zitieren, die Nachrufe auf meinen Tod sind stark übertrieben. Was mich in diesem Blatt mehr bekümmert, sind die unverhohlenen Zaunpfahlwinke mit Schwarz-Rot.

KATER: Kommt darauf an, was und ob bei der Wien-Energie noch etwas herauskommt. Momentan erscheinen die Meldungen, dass Wien-Energie nur zwei Drittel des Strom herstellt, den Wien braucht und trotzdem große Strommengen verkauft, schon beeindruckend, zumal sie der Castor und der Pollux des Nachrichtenwesens, Armin Wolf & Peter Filzmaier im Duett verbreiten.

ICH: Das scheint mir mittlerweile durch die anfallende Mehrproduktion bei der Wärmeproduktion im Winter recht plausibel erklärt. Aber man wird ja sehen. Eine andere Erklärung hätte ich doch noch gern.

KATER: Nämlich?

ICH: Ob Finanzstadtrat Peter Hanke den Boulevardbold Richard Schmitt klagen wird, weil der behauptet, dass Hanke ihm Inserate angeboten hätte, falls Schmitt nicht über dessen Segeltörn berichte.

KATER. Du warst doch auch schon segeln.

ICH: Aber ich habe niemandem Inserate angeboten, damit er nicht darüber berichtet. Da muss Hanke wohl klagen, oder Schmitt muss seine Behauptung für unwahr erklären.

KATER. Sonst hast du keine Probleme?

ICH. Es zählt nicht zu den größten, aber es ist eines. Größer, gebe ich zu, ist mein Gefühl, ich spreche in den Wind, wenn ich das sozialdemokratische Wien an seine historische Pflicht erinnere…

KATER: Du meinst, die kennen sie nicht?

ICH: Im Gegenteil, Bürgermeister Ludwig zum Beispiel kennt sie ganz genau, der hat historische Bildung.

KATER: Vielleicht ist es aussichtlos, eine Wiederbelebung des Sozialismus unter neuen Vorzeichen zu erträumen.

ICH: Ja, das ist das Problem. Die Wien-Energie-Sache scheint das zu bezeugen. Gerade wenn Märkte scheitern, müsste man doch versuchen, neue Politikmodelle zu entwickeln. Ich tapse da laienhaft herum, aber ich spüre, es muss etwas geschehen, sonst ist es aus mit der schönen Demokratie. Ich habe gerade das neue Buch von Markus Marterbauer in Form einer Fahne bekommen, vielleicht hilft mir das weiter beim Ordnen der Gedanken. Wir dürfen jedenfalls dieses Thema nicht auslassen, gerade jetzt nicht.

KATER: Dann möchte ich einfach mehr Präzision von dir fordern.

ICH: Ich plage mich doch eh.

KATER: Ich fürchte, du willst uns bloß den Markt ausreden. Was täte ich ohne Fressnapf, zum Beispiel? Oder ohne DM? Oder gar Denn’s? Oder Hofer, Billa etcetera? Die erweitern und verbessern mein Leben ungemein.

ICH: Ich will ihn ja nicht abschaffen, nur fair machen, den Markt. Es geht um Grenzen, um Selbstbegrenzung und, wo die nicht funktioniert, um Begrenzung durch die öffentliche Hand. Die soll solche Neuordnungen wenigstens laut fordern und alles tun, um andere Modelle zu diskutieren, zu fördern, ins Leben zu bringen, statt einfach still selbst mitzuspielen und erst aufzujaulen, wenn es sie aus der Kurve zu tragen droht.

KATER: Solange du „Mein Bestes“ auf Vorrat hast, in feiner Sauce mit Stückchen von Huhn und Pute, soll mir alles Recht sein.

ICH: Du bist der ideale Konsument. Quengelig, aber käuflich.

KATER: Roter Kater halt. Du hast mich so gewollt.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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