Ellie, jetzt geht’s lohos! Zu Frau Köstingers Avancement.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 814

Armin Thurnher
am 24.08.2022

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Einmal hörte ich Georg Kreisler live im Wiener Konzerthaus. Ich saß hinten oben auf der Galerie, der Große Saal war voll, als Kreisler zähnebleckend vom Flügel ins Publikum blickte und sang: „Ich war jüngst bei einer Freundin, die von Vögeln was versteht…“ Worauf eine Dame im Publikum so schrill und laut auflachte, dass ihr Lachen über das verhaltene Kichern des Publikums hinaus aufstieg und am Luster hängenblieb, worauf sich der ganze Saal nach der schrill Lachenden umdrehte, sich an ihrer Verlegenheit weidete und nach einer Schrecksekunde mitlachte. Viele hatten sie erkannt, ich verschwiege gnädig, wer es war.


Einen ähnlichen Effekt erlebte ich gestern, als ich auf Twitter die Ermahnung eines verehrten Freundes las, der bat, die Meldungen über das Avancement von Elisabeth Köstinger doch bitte nicht mit der medienüblichen Häme zu begleiten. Diesmal war ich es, der laut auflachte, und ich hoffe, es hörte mich niemand.

Frau Köstinger, ich wusste es bis dahin nicht, Sie aber wissen es längst, heuerte bei Herrn Baha an, bei Christian Baha, dem Gründer jenes Superfonds, den mittlerweile von Zürich aus Gernot Blümel managt (Blümels Zürich, wäre ein guter Titel für eine neue Krimiserie), und der auch einen Fintech-Informationsdienst betreibt, der heißt, als wäre er ein Service für Bergsteiger, nämlich Mountain-View Data.

Das wiederum erinnert mich an meine Jugend als Hilfsskilehrer und meine Freude über das Englisch meiner gestandenen alpinen Kollegen, unter deren perlenhaften Redewendungen der mahnend hervorgestoßene Ruf „Mountain shoulder fore!“ besonders herausragte. Frau Köstinger sagte denn auch gleich, ihr Job bestünde darin, nun die Finanzströme der Welt „in die nachhaltige Richtung zu lenken“. Auch das hätte mein alter Skilehrer gut sagen können.


Mein verehrter Freund nahm auch, wie es sich gehört, sich selbst nicht aus seiner Ermahnung aus. Wo soll das alles hinführen, frage ich? Soll aus Twitter ein Lamperlverein werden? Dem Konzern geht es nach dem mehr als dubiosen Übernahmeangebot von Elon Musk und dessen noch dubioserem Rückzug davon eh schon schlecht genug (Musks Verhalten grenze an Anlegerbetrug, sagte jüngst ein deutscher Broker), die Algorithmen hungern, die Touchpoints dürsten, die Jungen schauen sowieso was anderes, die Security ist unterm Hund, und wenn sich die auf Twitter verbliebenen Waldorfs und Statlers gegenseitig auch noch die restlichen Giftzähne ziehen, dann gute Nacht, Parag Agrawal! Was soll man dann machen? Giftzahnimplantate?

Ich konnte naturgemäß nicht umhin, das Wahre an der Aufforderung des verehrten Kollegen zu erkennen. Zu viel Häme in der Welt, überhaupt. Jedoch möchte ich einen Unterschied zwischen Häme und Satire behaupten. Diese muss scharf sein, sollte aber nicht beleidigen. Auch möge sie ein Minimum an Eleganz und Esprit zeigen, nicht nur mit dem Ad-Personam-Knüppel dem Feind auf den Plutzer pracken (Leute, die jetzt „aber Geilzeit“ rufen, werden es nie verstehen und sind disqualifiziert).


Ich glaube, Elisabeth Köstinger ist als Mitglied der Kurzokratie, also jenes Clans, das mit schwindeligen Methoden an die Macht in der österreichischen Volkspartei und damit in Österreich gelangte, einfach dazu berechtigt, ein privilegiertes und mit ausreichenden finanziellen Mitteln ausgestattetes Leben zu führen.

Die Berechtigung dazu braucht nicht nachgewiesen zu werden, sie wurde durch Clanmitgliedschaft erworben. Hier zeigen sich umrisshaft die Grundtugenden jener neuen Gesellschaft, die der Clan über uns zu bringen gedachte: an oberster Stelle stehen die Bindungen des Clans, der unbedingten Loyalität gegenüber dem Clanoberhaupt. Sittlichkeit ist nur insofern erforderlich, als es die Zwecke des Clans erheischen. Zum Erreichen seiner Ziele kann hurenhaftes Verhalten durchaus angemessen sein, wie ein anderes Clanmitglied programmatisch verkündete.

Sein Satz „Wir sind die Hure der Reichen“ wurde aber oft missverstanden. Er bedeutet nicht, sich anderen für einen Schandlohn hinzugeben, er bedeutet vielmehr, gewisse vorübergehende Kompromisse mit der Unreinheit einzugehen, um selbst möglichst schnell zu den rein Reichen gehören zu können. Sittlichkeit steht im Zentrum des Clans, die Werte der Finanzwirtschaft – Cash! – stehen an oberster Stelle, und die demokratische Schwäche von Staaten, die ihre Führer charakterlos opfern, nur weil bei deren Aufstieg kleinere Unzukömmlichkeiten vorfielen, wird ersetzt durch eine religiös gestützte oberste Instanz, die für ewig gilt.

Gott ist dafür nur eine Chiffre. Gott findet seine Grenze im Geld. Geld, wir danken dir so sehr für diesen Clanführer.

Die Glaubensgemeinschaft der Finanzwirtschaft, zu der nun die Trias der österreichischen Heilsbringer gefunden hat, Kurz bei Thiel, Blümel bei Superfund, Köstinger bei Mountain View, braucht eine starke staatliche Autorität. Wenn illiberale Staaten diese besser garantieren als liberale, dann nur zu. Das Ziel muss der Reichtum der Clanmitglieder bleiben. Die Arbeiterklasse soll dafür gefälligst mehr schuften, wie Liz Truss, die englische präsumptive Boris-Johnson-Nachfolgerin kürzlich dankenswert deutlich erklärte. Demokratie war immer nur ein Intermezzo in der Geschichte der Oligarchien.

Elisabeth Köstingers Beitrag dazu, dieses Intermezzo kurz zu halten, darf nicht unterschätzt werden. Die Seuchenkolumne wünscht ihr alles Gute auf ihrem Weg in die richtige Wichtung.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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