Ich heue und versuche, nicht an Thomas Stelzer zu denken

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 812

Armin Thurnher
am 21.08.2022

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„Am Montag schreibt er vielleicht einen Bericht von der Heufron  und von den Gewittern; außerdem hat er einen Text in Arbeit, der den schönen Titel trägt: die Robinien kriegen uns alle, und am Wochenende holt er den Kater.“ Den Kater holte er schon einmal nicht. Und was er in Erwartung einer Regenfront hektisch am Freitag erledigte, ist nach zwei einigermaßen trockenen Tagen fast schon wieder egal.

Andererseits ist Heuen eine wunderbare Abwechslung. Ich weiß nicht, ob ich es schon einmal gesagt habe, aber ich bewundere jene Leute, die behaupten, bei physischen Tätigkeiten fielen ihnen Dinge ein. Sie laufen einfach los, kraxeln steile Felswände empor oder fahren schnell einmal 200 km mit dem Rennrad, schon ist die Schreibblockade aufgelöst, die Ideen strömen ihnen wieder zu.

Mein Hirn hingegen steht bei physischer Arbeit, oder es rastet auf einer gewissen Welle ein. Kann sein, dass sich ein Wort bei mir einfrisst und mit der mechanischen Bewegung des Sensenschwingens oder Rechenziehens immer wieder kommt.

Schwer gelingt es mir dann, mich auf die schönen Details der belebten Natur zu konzentrieren, das hüpfende, summende, flügelschlagende, sich schlängelnde, mich stechende Leben. Kürzlich wollte sich folgendes Verschen bei mir festsetzen und nicht mehr loslassen.

Furchtsam ringelt sich die Schlang.

Lässig schnellend flieht der Frosch.

Austropublizist schaut bang

die Welt. Doch hält er brav die Gosch

und denkt, die steht eh nimmer lang.


Ich höre auf mit dem Heu. Möchte nur noch erwähnen, warum ich es tue: für nichts. Ich mache Heu um des Heumachens willen. Kein Tier mehr im Dorf, das meines Heus bedürfte. Und wenn, hätte der Bauer (nur einer kommt mehr in Frage, nur mehr einer hält Tiere) erstens selbst genug Gras und zweitens kein Interesse, weil er meint, er müsste dann die Arbeit machen. So schneide ich das Gras zwei-, dreimal im Jahr, schlichte es zu Heuhaufen auf und lasse es verrotten. Zu Erde geworden, wird es wieder auf die Wiese gebracht und dient dann zum Einebnen der Fläche. Die ist uneben, weil sie vor Jahren einmal mit dem Bagger planiert wurde, wobei der wackere Baggerfahrer Büsche und Sträucher einackerte, die nun unter der Erde verrotten, worauf diese da und dort einbricht, dem Balkenmäher und seinem ihn Bedienenden zum Leid.


Ich denke dabei meistens nicht an die Politik, wenngleich der unvermutet eines morschen Untergrundes wegen einbrechende Boden eine taugliche Metapher abgäbe. Der oberösterreichische Landeshauptmann Stelzer scheint sich permanent auf einbrechendem Boden zu bewegen. Jetzt will er die Sanktionen gegen Russland diskutieren.

Erinnern wir uns an seine Rolle bei Corona vor den letzten Landtagswahlen. Statt seine Bevölkerung aufzufordern, zur Impfung zu gehen, vermied er das Thema, um nicht den Impfgegnern und der FPÖ, mit der er wonniglich koaliert, vermeintlich in die Hände zu spielen. Was ihm hier nicht nur den Vorwurf eintrug, er habe seine Fürsorgepflichten verletzt.

Noch schlimmer ist sein struktureller Opportunismus, der sich mit seiner weit ausgelegten Toleranz gegen rechts bestens verträgt. Populär wird man nicht, indem man vor dem Volk den Schwanz einzieht, sondern indem man ihm allenfalls in die Augen sieht und ihm erklärt, dass es auch unpopuläre Wahrheiten ertragen müsse. Während nicht alles, was populär scheint, wahr ist.

Diese Art von politischem Schlaucherltum kommt sich verdammt klug vor und ist doch nur feig. Stelzer hält sich wahrscheinlich noch für besonders mutig, weil er als erster auf die neueste Meinungsumfrage reagierte, die erbrachte, eine Anzahl Menschen sei der Meinung, man müsse von den Sanktionen gegen Russland schnell wieder abrücken, da man sich damit „ins eigene Knie schieße“.

Den Knieschützen, angeführt von Oberknieschützen Kickl, möchte man zurufen: Diskutieren kann man alles, aber Sanktionen, die nur einem anderen wehtun, einem selber aber nicht, sind noch nicht erfunden. Herr Stelzer hat kein Interesse gezeigt, einen konstruktiven Beitrag zu punktgenaueren und besser wirkenden Sanktionen zu leisten. Möchte er einen oberösterreichischen Separatfrieden mit Waldimir Putin vorschlagen?

Öffentliche Meinung, Herr Stelzer, ist nicht etwas, vor dem man als Politiker zu knieen hat, sondern das man als Politiker mitbeinflussen kann und muss.


Die Robinien und der Kater sind hiermit aufgeschoben.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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