Vanderbellerlei. Dies und das zur Bundespräsidentenwahl.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 807

Armin Thurnher
am 16.08.2022

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Blick in das Maria Theresien-Zimmer des Bundespräsidenten Foto: HBF/Carina Karlovits

Bald wählen wir einen Bundespräsidenten. Wer es wohl sein wird? Merkwürdige „Debatten“ entspinnen sich um die Legitimität von Kandidaturen, nun, da sich auch Heini Staudinger bemerkbar gemacht hat. Im Zeitalter des Marketing ist es das gute Recht eines jeden, jede Gelegenheit zu ergreifen, für sich zu werben, und Markt ist doch alles, oder? Ich liebe den Heini, naturgemäß, aber als Bundespräsidenten sehe ich ihn jetzt nicht so dringend. Meine Liebe zu ihm habe ich nicht dem Belastungstest einer Impfdebatte unterzogen, da zog ich es vor, wegzusehen, man muss nicht alles so genau wissen.


Auch dem lieben Doktor Pogo wünsche ich im Leben das Allerbeste, und möge ihm die Wahl Glück, Segen und Marktanteile bei was auch immer bringen, Bundespräsident wird ein anderer.

Wir wählen da schließlich die Nummer Eins vor der Nummer Zwei, und die heißt Wolfgang Sobotka. Zwar hat es Van der Bellen nicht geschafft, einer Forderung nachzukommen, die Alfred J. Noll, Manfred Welan und etwas bescheidener dann auch ich vor der ersten Wahl Van der Bellens aufgestellt hatten: Ein guter Präsident ist der, der das Gewicht seines Amtes reduziert, das aufgrund der autoritären Verfassung von 1929 ein Übergewicht ist.

Dieses Übergewicht hat VdB durch betont kluge Sachtheit konterkariert, aber angetastet hat er es nicht. Man kann sagen, er hat die Regierungskrisen post Ibiza und Kurz-Misstrauensvotum gut moderiert. Man könnte auch sagen, er hat die Expertinnenregierung zu schlicht durchgewunken, denn das war nur eine verkappte Kurz-Regierung; überhaupt ließ er sich von diesem Ärgerknaben für meinen Geschmack zu sehr einkochen. Das war zumindest mein laienhafter Eindruck. Und dem Coronatreiben sah er viel zu lange zu.


Insgesamt musste man doch froh sein, ihn zu haben. Wer könnte die Zitterpartie zweier Hofer-Duelle vergessen, samt Sobotka’schem Kuvert-Versagen? Wer könnte verdrängen, dass ein vor Wichtigkeit bebender Herbert Kickl, als er einen Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl ankündigte, den unvergessenen Satz sprach: „Wir operieren hier am offenen Verfassungsherzen?“ Und Oberarzt Dr. Strache grinste grimmig dazu.

Ja, an diesem Herzen operieren sie überall auf der Welt herum. In den USA kommt gerade auf, dass Juristen- und Polizistenteams im Dienst Trumps Wahlmaschinen beschlagnahmen, um zu „überprüfen“, ob diese nicht manipuliert wurden. Digitalisiert euch, Wichte! Die Forderung, zu Wahlzetteln aus Papier zurückzukehren, gilt als reaktionär, weiß Gott warum. Dem digitalen Manipulationsverdacht sind keine Grenzen gesetzt. Würden Sie noch einer Wahlmaschine trauen, die sich tagelang unkontrolliert in den Fingern eines „Hang-Mike-Pence“-Teams befand?


Ob die Kasperlkandidaten solche sind? Nicht unbedingt. Heini Staudinger hat durchaus Talent zum Agitator und kommt als egalitärer ökonomischer Kampfredner selbst bei ausgepichten Jungkapitalisten gut an. Er repräsentiert sozusagen die franziskanische Realwirtschaft, das ganz genau andere Ende des Regenbogens, an dem sich die durchgedrehte Finanzwissenschaft befindet, in die sich die Leuchten unserer Wirtschaft geflüchtet haben, Sebastian Kurz und Gernot Blümel.

Dr. Pogo wiederum scheint eher die Welt der Unterhaltung zu repräsentieren, aber aus der kamen immerhin Leute wie Ronald Reagan und Wolodymyr Selenskyj. Gerald Grosz ist auch dabei, fällt mir ein, der steht für den Wahnsinn der Fringe-Medien, aber für einen Austro-Alex-Jones fehlt ihm in jeder Hinsicht die Fülle.


Dass Rot und Schwarz keine eigenen Kandidaten aufstellen, kann man ihnen nach den Erfahrungen bei der ersten Van-der-Bellen-Wahl nicht übel nehmen. Wolfgang Sobotka hat schon früh abgewunken; er hätte gewiss Andreas Khols erniedrigende elf Prozent deutlich untertroffen. Himmel! Rosenkranz ist noch da! Die ganze Zeit dachte ich, ich hätte jemanden vergessen, und siehe da, Rosenkranz Walter. Die reaktionäre 50 Prozent ÖVP-Wählerschaft, die sich schon das letzte Mal nicht für VdB entschließen konnten, nicht einmal für eine Empfehlung, die werden jetzt ihn wählen. Eine Minderheitenfeststellung.


Mit Heini Staudinger hatte ich einmal folgendes Erlebnis. Bei der Präsentation einer Filmdokumentation über ihn und seine Schuhmanufaktur im Filmclub Drosendorf im schönen Gasthaus Failler bestand der anwesende Heini danach auf gemeinsamem Singen. Niemand durfte den Saal verlassen, solange das Lied nicht kräftig genug erschallte. Das machte Spaß, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Alexander Van der Bellen je auf so eine Idee käme, und ginge es um das Einüben der Bundeshymne/gegenderte Version mit dem Kameradschaftsbund Wels.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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