Im Maschinenkampf gegen das Grün. Ein Feiertagsplausch.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 806

Armin Thurnher
am 15.08.2022

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Der Marienfeiertag zwingt mich, meine Landmaschinen ruhen zu lassen. Zumindest den lärmenden Teil meiner Landmaschinen. Das betrifft vor allem den Balkenmäher, nicht aber mein Arsenal an Akkuwaffen, mit denen ich gegen das Grün antrete. Ich habe sogar eine Akku-Kettensäge, einen Akku-Fadenschneider und eine Akku-Heckenschere, allesamt von jener Firma, die sich vor kurzem als kulant erwies, als sie mir einen nicht eben billigen fast neuen Akku ersetzte, der ausgefallen war, obwohl ich die Rechnung nicht mehr hatte (ohne zu wissen, um wen es sich handelt, ich hatte den Fall über den Händler eingereicht).

Mit diesem Werkzeugset kann ich auch Sonn- und Feiertags tätig werden, weil es einigermaßen geräuscharmes Kämpfen ermöglicht. Ich sehe nun eine Reihe sich hebender Augenbrauen, weil man als Mensch meiner geistigen Gewichtsklasse nicht gegen die Natur kämpft, sondern sich ihr rousseauisch anschmiegt und allenfalls das Gras um Entschuldigung bittet, dass er es dreimal im Jahr mit der gut gedengelten und scharf gewetzten Sense schneidet.

Ich tue all das und bin gewiss kein Freund des auf Wimbledon-Niveau geschorenen Rasens, aber wir müssen uns schon darüber im Klaren sein, dass auch die dreimal im Jahr gemähte Blumenwiese nicht gerade Natur pur darstellt, sondern nur eine andere Form von Kunstnatur. Wenn ich „Kampf gegen das Grün“ sage, meine ich auch nicht den Rasen oder die Wiese. Ich denke vielmehr an die Robinie. Dieser seines harten Holzes wegen geschätzte stachelige Baum, auch Akazie genannt, die Morgensternwaffe unter den Bäumen, verfügt über etwas, das mir zuvor unbekannt war: die sogenannte Wurzelbrut.

Eine umgeschnittene Robinie im Garten verhielt sich ein dreiviertel Jahr lang friedlich, scheinbar friedlich, bis ihre unheilvolle unterirdische Aktivität sichtbar wurde. Zuerst erledigte sie einen frisch gepflanzten Zwetschkenbaum und danach einen zehn Jahre alten Apfelbaum (alte Sorte, böhmische Jungfrau). Ohne mir ersichtliche äußere Ursache vertrockneten beide und starben ab.

Rechts im Bild: der neue Alte mit einem Teil der verrichteten Arbeit. Links vorn, wenn Sie genau hinsehen, ein Robinienschössling.

Danach wurden in der ganzen Wiese Schösslinge sichtbar, welche die Robinie offenbar in ihrem unterirdischen Überlebenskampf in großer Zahl und in alle Richtungen ausschickte, um zu überleben. Sogar unter einer meterhohen alten Steinmauer hindurch wuchsen die Triebe, um sich zehn Meter vom ursprünglichen Stamm entfernt aus dem Boden zu erheben. Meine These: die Robinienwurzeln hatten die Bäumchen unterirdisch stranguliert. Ich grabe den Boden nicht auf, um den Verdacht zu verifizieren, allein die Existenz meines Verdachts reicht mir an Bodenvergiftung.

Mythologisch angekränkelt wie ich bin, erinnert mich die Robinie an den Mythos von Kadmos und den Drachenzähnen, die dieser auf Anweisung der Göttin in Ackerfurchen säte, worauf aus jedem Zahn ein voll gerüsteter Krieger aus der Furche sprang, der sogleich begann, mit den anderen Kriegern auf Leben und Tod zu kämpfen; ich habe zwar nichts gesät, aber der Kampf der Schösslinge untereinander und gegen den Rest der Welt erinnert mich doch daran.

Längst habe ich den stehengebliebenen Robinienstumpf freigelegt, ausgegraben, per Kettensäge (Benzin) an einem Werktag unter Bodenniveau abgeschnitten, wieder mit Erde überzogen und planiert. Aber die Wurzelbrut wächst weiter. Die Brut ist fruchtbar noch.

Ich spinne das nicht aus, ich wollte nur den Feiertagsfrieden nützen, um ein wenig abseits von Trump, Rushdie, Putin und den anderen zu plauschen und Ihnen vom wirklichen Leben zu erzählen, zum Beispiel von meinem neuen Balkenmäher. Es ist ein uralter Balkenmäher, falls es Sie interessiert, Modell Agro 138, Baujahr Schnee. Ich fand ihn bei einer alten Bäuerin im Nachbardorf, mit der wir über Traktoren fachsimpelten. Ihr Mann ist schon lange tot, aber sie fährt noch allein mit dem alten Steyr-Traktor in den Wald, die Tischkreissäge angehängt, um dort Brennholz für den Winter zu machen. Sie ist ja erst 79 und weiß sich zu helfen.

Den Balkenmäher, der da bei ihr herumstand, den brauchte sie nicht mehr. Da sie mich mit meinem tschechischen Unglücksmodell herummurksen sah, beschloss sie, ich solle ihn haben. Er müsse nur überholt werden, weil der zum Beispiel der Vergaserzug festgerostet war, den hat man beim Kaltstart zu ziehen.

Ein mit einem Freund befreundeter Mechaniker nahm sich der Sache an, und nach seinem kundigen Service lief der Agro wieder. Nächste Woche kommt angeblich mein tschechischer Freund aus der Lagerhaus-Werkstätte (Ersatzteile für ihn zu organisieren dauert Wochen), aber er wird auf die Ersatzbank verbannt. Von meinem neuen Alten rücke ich so schnell nicht mehr ab.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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