Das Böse ist in der Welt. Schwacher Trost kommt vom bösen Kasperl.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 805

Armin Thurnher
am 13.08.2022

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Sie kennen den alten Witz, in dem die Mutter vom Psychiater erklärt bekommt, ihr Sohn leide am Ödipus-Komplex, und sie antwortet: Oedipus, Schmoedipus, wenn er nur seine Mutter liebt …

Fiel mir nur ein, weil ich sehe, was meine Mutter für meine Twitter-Engagement-Rate tut. Engagement hat, glaube ich, diesfalls nichts mit Verlobung zu tun, aber wenn ich ein Foto von ihr poste, schabt sie unfehlbar an den Tausend Herzerln und bringt weit über 100.000 Impressions zusammen.

Woran ich schaben würde, postete ich ein Foto von mir, wollen Sie lieber nicht wissen. Ich auch nicht. Meine sämtlichen lichtvollen Ausführungen über Politik, Autofahren und Poesie kommen mit Mutter nicht mit, außer sie kommt darin vor. Ich muss jetzt vorsichtig sein, denn sie liest diese Kolumne und verlangt Erklärungen.


Zurück zu den Wurzeln der Kolumne, zum Übel dieser Zeit.

Das Sommerloch muss vor Kanzler Nehammer geflohen sein. In den USA durchsucht das FBI das Anwesen des Ex-Präsidenten Donald Trump. Ein Präsident, wie ihn die USA noch nie sahen, einer, der seine Abwahl nicht akzeptieren will, ein Faschist, der die Demokratie zerstört, nur um seinen Kindskopf durchzusetzen, der nicht glauben will, dass er verloren hat.

Das FBI durchsuchte seine „Residenz“ Mar-a-Lago, dieses Kitschmonster von Golf-Hotel, das er, wiewohl ortsabwesend, jetzt im Ton eines Hausvaters „my home“ nennt. Das FBI informierte ihn darüber nicht vorab, was er klagend vorbrachte, als müsste die Polizei Gangster prinzipiell vorwarnen.

Trump ist der König der Wahrheitsverdrehung, ein König Ubu, der sogleich forderte, die Behörden sollten doch endlich den Durchsuchungsbefehl bekannt machen, was sie nicht ohne weiteres dürfen; dabei hatte er ihn selbst, und dazu die ausdrückliche Erlaubnis, ihn zu veröffentlichen. Das FBI beschlagnahmte bei ihm Kisten um Kisten und 11 Garnituren („sets“) mit als „geheim“ qualifiziertem Material, das außerhalb der staatlichen Archive nicht aufbewahrt werden darf.

Trumps Rechtsanwälte wandten sogleich ein, dieser habe das Material selbst noch mit präsidentieller Autorität als „nicht geheim“ eingestuft.

Die ganze Aktion könnte ein Schlag ins Wasser und ein Propagandagewinn für Trump werden, leider. Aber vielleicht wird sie doch zu jenem Nagel in seinem Sarg, der ihn daran hindert, noch einmal zur Präsidentschaftswahl anzutreten.


Während man das liest und über böses Propagandagift nachdenkt, wird ein Gift ganz anderer Art wirksam. Der Autor Salman Rushdie, vom iranischen Regime mit einer Fatwa bedacht, sich mittlerweile sicher fühlend und fast frei in den USA bewegend, wurde von einem Attentäter in Chautauqua (Upstate New York) auf offener Bühne in den Hals gestochen. Der Täter wurde von einem anwesenden Polizisten überwältigt.

Was bringt all dieses Böse über uns?

Gott helfe mir, kein Klagegreis zu werden, aber er hat einen harten Job dabei. Wohin man schaut, was man auch nur andenkt, nichts sieht so gut aus wie man möchte.

Wobei ich mir selbst zu bedenken gebe, dass die Welt gewiss noch nie so gut über sich selbst informiert war wie jetzt, was nicht zu ihrer Beruhigung beiträgt. Das Böse war immer da, aber es ist präsent wie nie. Wir spüren, dass es nicht unvermeidlich ist, und vermeiden es dennoch nicht. Das macht uns noch unrunder.


Vor Mar-a-Lago rotteten sich gleich rechtsextreme Trumpisten zusammen; in Cincinnati wurde ein Rechtsextremer von Polizisten erschossen, der bekanntgegeben hatte, wegen der Durchsuchung von Mar-a-Lago FBI-Beamte töten zu wollen.


Das Geschäft ist längst geschlossen; es heißt jetzt „Foto 15 beim Westbahnhof“ und hat mit unserem Videospezialisten nichts zu tun.

Uns ist in all unserem halbheiteren Austro-Binnenwahnsinn, den man im Angesicht der Vorgänge in der Hegemonialmacht der Demokratie zwischendurch vergisst, doch ein Trost gegeben. Der böse Kasperl ist wieder da. Wolfgang Sobotka hat nach ungewöhnlich langem Schweigen (das Nehammerloch?) ein Video aus dem Urlaub gepostet, das für all seine hochrangigen Treffen und Gedankenaustäusche mit niederrangigen Potentaten in aller Welt entschädigt. Sein Video ist der reine Nonsense, überflüssig wie ein hochrangiger Gedankenaustausch, unterhaltsam wie das neue Parteiprogramm, peinlich wie eine Parteisekretärin. Schauen Sie sich das nicht an!


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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