„Das Ende der Pandemie“ und seine vielen Fragezeichen

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 799

Armin Thurnher
am 06.08.2022

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Eine Epidemie endet nicht wie ein Film, sauberer Schnitt und Schluss, erklärt Epidemiologe Robert Zangerle heute. Epidemien haben drei Enden, ein medizinisches, ein politisches und ein soziales, und die laufen keineswegs parallel. Globale Ungerechtigkeiten beim Zugang zu Medizin kommen verschärfend dazu. In Österreich haben wir zusätzlich die Feinheit, dass niemals klar zur Sache geredet wird, was allerlei politische Verrenkungen auf Kosten der Politiker selbst zur Folge hat. A. T.

»Wann wird Covid wirklich vorbei sein? An der Universität Oxford gibt es ein multidisziplinäres Projekt zum Thema „Wie Epidemien enden“, geleitet von Erica Charters, Professorin für globale Geschichte der Medizin. Die Geschichte lehrt uns, dass das Ende eines tödlichen Ausbruchs nicht nur mit medizinischen Daten zu tun hat, sondern auch mit politischen und sozialen Veränderungen. Im dritten Jahr der Pandemie und mehr als eineinhalb Jahre nach einer vom Umfang her noch nie dagewesenen Zahl an Impfungen scheint es keinen Konsens darüber zu geben, in welchem Stadium der Epidemie wir uns befinden. Ist die Epidemie in Österreich nun vorbei, nachdem weitgehend alle Beschränkungen aufgehoben wurden und die Reisetätigkeit einen so nicht erwarteten Höhenflug hinlegt? Oder deutet eine sogar im Sommer überlastete Gesundheitsversorgung im ambulanten und stationären Bereich und das fortgesetzte vorsichtige Verhalten eines Teils der Bevölkerung darauf hin, dass die Epidemie noch lange nicht zu Ende ist?

Epidemien haben nicht jene Art von sauberem, objektivem Ende, wie man sich das vielleicht vorstellt. Ein schnelles und entscheidendes Ende, das durch die rasche Anwendung wissenschaftlicher Innovationen erreicht wird – eine Wunderwaffe zur Behandlung – ist in der Regel Wunschdenken. Es ist unwahrscheinlich, dass wir bei Covid etwas Derartiges erleben werden. Die Analyse vergangener Epidemien zeigt uns, dass das tatsächliche Ende langwierig und umstritten ist. Die Gesellschaften müssen sich nicht nur mit den medizinischen Realitäten der Krankheit, den Schäden und den Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen, sondern auch mit den politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Notmaßnahmen. Und schließlich müsste es ein auf demokratischen Prämissen ablaufender Prozess sein, zu entscheiden, wer denn die Befugnis hat, ein Ende zu verkünden und woran dieser Prozess gemessen werden sollte. Aus diesem Grund kann es eigentlich nur Unsicherheit geben, weil verschiedene Teile der Gesellschaft sehr unterschiedliche Erfahrungen mit den medizinischen, politischen und sozialen Aspekten der Epidemie gemacht haben und dementsprechend unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie ein Ende aussehen könnte.

Forschung dazu zeigt, dass das Ende einer Epidemie mehr umfasst als nur die Krankheitsraten (das medizinische Ende). Vielmehr umfasst das Ende einer Epidemie auch das Ende der Krise und der Vorschriften (das politische Ende), sowie die Rückkehr zur Normalität (das soziale Ende). Diese Enden sind miteinander verbunden, aber sie sind unterschiedlich – und sie können im Widerspruch zueinander stehen. Die Analyse einer Vielzahl vergangener Epidemien zeigt, dass es genauer ist, mehrere Enden einer Epidemie zu identifizieren und dabei diese verschiedenen Arten von Endpunkten zu berücksichtigen.

Die Geschichte der jüngsten Epidemien wie H1N1 („Schweinegrippe“) oder HIV/AIDS bestätigt dies. Die meisten Epidemien enden nicht mit dem Verschwinden der Krankheit, sondern dann, wenn die Fallzahlen nicht mehr zu einer medizinischen Krise führen – ein Punkt, an dem die Zahlen das erreichen, was als normales, erwartetes oder lokal akzeptables Niveau definiert wird. Im August 2010 erklärte die WHO beispielsweise, dass sich die H1N1-Pandemie von 2009 in der „postpandemischen Phase“ befand. Dies bedeutete nicht das Ende der H1N1-Fälle; stattdessen erklärte die WHO, dass weiterhin Fälle und Ausbrüche zu erwarten seien, die jedoch den normalen saisonalen Grippemustern folgen würden. Dies wirft die Frage auf, was ein normales, akzeptables oder handhabbares Niveau an einem bestimmten Ort ist, insbesondere bei einer neuen Krankheit. Die Meinungsverschiedenheiten über die Reaktionen auf Covid Krankheitsraten – ob die öffentlichen Gesundheitsmaßnahmen beibehalten oder wieder eingeführt werden sollen und wann sie gelockert werden sollen – zeigen, dass es Debatten darüber gibt, was ein akzeptables Maß an Infektionen ist und wer darüber entscheiden sollte.

Das Ergebnis ist, dass verschiedene Verantwortungsträger in Bund und Land, Körperschaften, Interessenvertreter miteinander verhandeln und konkurrieren, wobei oft grundlegende soziale, wirtschaftliche und politische Prioritäten ebenso zur Debatte stehen wie medizinische Daten. Selbst angesichts der anhaltenden Verbreitung einer Krankheit können Ereignisse wie Krieg und politische Instabilität die öffentliche Besorgnis und die politischen Ressourcen auf andere Krisen lenken und das, was lokale Behörden und lokale Gemeinschaften als „normales, erwartetes oder lokal akzeptables“ Ausmaß der Krankheit ansehen, verändern. Die Besorgnis über den Krieg in der Ukraine oder die steigenden Energiepreise haben die Berichterstattung über Covid in den Hintergrund gedrängt, unabhängig von Fallzahlen und Belastungen für Krankenhäusern und Praxen.

So ist die HIV/AIDS Pandemie zwar aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit verschwunden, aber die Fälle sind nicht verschwunden. Stattdessen hat die medizinische Behandlung die Krankheit von einem öffentlichkeitswirksamen Killer in ein kontrollierbares, chronisches Leiden verwandelt. Der Zugang zu solchen Behandlungen ist jedoch unterschiedlich und bleibt für viele Menschen im so genannten globalen Süden unerreichbar. Tatsächlich hat der Erfolg der medizinischen Maßnahmen die HIV/Aids-Epidemie im globalen Norden beendet und ihr globales Ende in vielerlei Hinsicht weiter außer Sicht und damit außer Reichweite gerückt.

In den vergangenen beiden Jahren ist zudem der Kampf gegen AIDS ins Stocken geraten. Angesichts der Corona-Pandemie und anderer Krisen sind deutlich weniger Mittel als zuvor zur Bekämpfung von HIV und AIDS zur Verfügung gestanden. Nach Berechnungen von UNAIDS haben sich im vergangenen Jahr weltweit rund 1,5 Millionen Menschen neu mit dem HI-Virus infiziert. Weltweit ging die Zahl der Neuinfektionen zwischen 2020 und 2021 nur um 3,6 % zurück, der geringste jährliche Rückgang der HIV-Neuinfektionen seit 2016. In Osteuropa und Zentralasien, im Nahen Osten und Nordafrika sowie in Lateinamerika ist die Zahl der jährlichen HIV-Infektionen über mehrere Jahre hinweg gestiegen. In Asien und dem Pazifikraum – der bevölkerungsreichsten Region der Welt – steigen die neuen HIV-Infektionen nun auch dort an, wo sie zuvor rückläufig waren. Im östlichen und südlichen Afrika hat sich der rasche Fortschritt der letzten Jahre im Jahr 2021 deutlich verlangsamt. Es gibt auch einige positive Nachrichten, wie zum Beispiel. einen bemerkenswerten Rückgang der HIV-Neuinfektionen in West- und Zentralafrika und in der Karibik, aber selbst in diesen Regionen ist die HIV-Bekämpfung durch eine zunehmende Ressourcenknappheit gefährdet. Neue Infektionen traten überproportional häufig bei jungen Frauen und heranwachsenden Mädchen auf. Drei Viertel aller Menschen mit HIV haben Zugang zu HIV-Medikamenten, 10 Millionen Menschen haben keinen Zugang, es sind also Millionen von Menschenleben bedroht.

Und wenn die heutige Gesellschaft menschlicher als vor 100 Jahren sein will, dann sollten noch ein paar Lehren aus der Grippepandemie 1918 gezogen werden. Müde und desillusioniert – mit diesen Worten wird die Nachkriegsgeneration oft beschrieben. Die Jahre 1918-20 waren eine Zeit der Depression und Erschöpfung. Historiker und Schriftsteller führten das weit verbreitete Unwohlsein auf den Krieg selbst zurück, der in seinem Blutvergießen und seiner Zerstörung beispiellos war, oder sie machten die steigenden Lebenshaltungskosten und andere Unbill dafür verantwortlich. Die körperlichen Aspekte dieser Müdigkeit wurden jedoch kaum untersucht, obwohl Historiker selbst krank waren. Vielleicht galten Gesundheitsfragen als unpassendes Thema für die Aufnahme in die Geschichte der Welt, eines Kontinents, eines Staates. Oder in die Geschichte einer Friedenskonferenz. In den Monaten nach dem Waffenstillstand wimmelte es in Paris von Historikern. Historiker, die dort waren, wurden zu den angesehensten Chronisten des frühen 20. Jahrhunderts. Der berühmte US-Historiker Charles Seymour, dessen Abhandlung über die Friedenskonferenz zum Standardwerk wurde, erwähnte mit keinem Wort die Verzögerungen und Unannehmlichkeiten, die durch die Vielzahl von Krankheiten bei den Teilnehmern und Organisatoren der Konferenz verursacht wurden. Und doch waren sie krank, grippekrank, wie Dorothy Ann Pettits in ihrer Dissertation von 1976 berichtet.

Damals wurde, wie heute, sehr viel und nicht selten zu viel Wert auf Sterblichkeitsstatistiken gelegt, die nichts über jene Millionen aussagen, die zwar krank waren, aber nicht starben. Was sind die demografischen, wirtschaftlichen, sozialen, politischen, wissenschaftlichen und psychologischen Auswirkungen von Epidemien? Ein Studiengebiet, sehr von Historikern, auch Medizinhistorikern vernachlässigt. Es waren die Lebenden, die Gesetze verabschiedeten, zu Waisen wurden und Arbeitsplätze verloren. Die Menschen waren der Grippe bald überdrüssig, bei der 3. Welle im Frühjahr 1919 wurden nur mehr an wenigen Orten Maßnahmen getroffen, später überhaupt nicht mehr, obwohl die Zeitungen immer wieder voll waren mit erschreckenden Nachrichten über das Grippevirus, aber niemand kümmerte sich darum. Die Menschen ignorierten es, Historiker auch. Auch jetzt scheint es so, als ob Dämme gebrochen sind. Die Bereitschaft, die Fehler von einst im Jahre 2022 zu wiederholen, irritiert.

Obwohl es eine plausible Wahrscheinlichkeit gibt, dass zukünftige Covid-Varianten weniger gefährlich sein werden, sind Mutationen zufällig. Sicher ist nur, dass sich künftige Varianten, sofern sie sich erfolgreich durchsetzen, was nur einer sehr kleinen Minderheit der Varianten gelingen wird, dem Immunschutz entziehen werden. Sie könnten unter Umständen also auch gefährlicher werden. Deshalb sind Übermut, Gleichgültigkeit oder Pandemiemüdigkeit, auch nicht als Slapstick, „Kä-Luscht“ oder „Habe fertig“, jetzt nicht sehr hilfreich. Es stimmt, die Werkzeuge, die pandemische Zukunft zu bewältigen, wären vorhanden, sie müssten nur vernünftig zur Anwendung kommen.

Obwohl uns gegen besseres Wissen Geschichten über schnelle und wirksame Lösungen zur Beendigung von Epidemien vorschweben, so wie z. B. John Snow angeblich den Pumpengriff („Schwengel“) in der Broad Street zur Beendigung des Choleraausbruchs in London im Jahr 1854 entfernt haben soll. John Snow konnte nachweisen, dass sich die Todesfälle im Bereich einer Wasserpumpe in der Broad Street konzentrierten (siehe Karte), während es gleichzeitig Areale in der Nähe der Pumpe ohne Cholerafälle und –tote gab – wie in der Lion-Brauerei, deren Mitarbeiter kein Wasser tranken.

Solche Geschichten sind oft Märchen – nicht nur, dass Snow den Griff nie entfernte, sondern auch die Tatsache, dass die Cholera zu dieser Zeit auch aus anderen Gründen rückläufig war. Die wahre Geschichte über das Ende der Cholera in London geht so: es war schrittweise und erforderte politische Verhandlungen darüber, wie die städtische Infrastruktur und die sanitären Einrichtungen neben langsamen sozialen Verbesserungen verbessert werden konnten, und nicht die einschneidende Erkenntnis und das entschlossene Handeln eines Einzelnen. Wie bei HIV/AIDS gibt es auch bei der Cholera ungeachtet der modernen epidemiologischen Erkenntnisse bis heute Ausbrüche, die mit politischen und sozialen Krisen verbunden sind.

Zurück zu John Snow: Die verantwortliche Behörde setzte die Pumpe am 8. September 1854 auf Snows Empfehlung außer Betrieb. Seine Theorie zur Entstehung der Choleraausbrüche in London wurde jedoch zu seiner Lebenszeit von den damaligen Wissenschaftlern und Ärzten nicht anerkannt, sondern erst einige Jahre nach seinem Tod bestätigt. Die Kartenzeichnung mit den Epidemiefällen gilt über die Epidemiologie hinaus als eine der ersten nachgewiesenen räumlichen Analysen, also ein Vorläufer der jetzigen Geoinformationssystemen.

Das erinnert an Ignaz Semmelweis, einen ungarisch-österreichischen Chirurgen, der zur selben Zeit das häufigere Auftreten von Kindbettfieber in öffentlichen Kliniken im Vergleich zur privaten Entbindung auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurückführte und sich deshalb bemühte, Hygienevorschriften einzuführen. Später wurde er „Retter der Mütter“ genannt. Seine Studie von 1847/48 gilt heute als erster praktischer Fall von evidenzbasierter Medizin (auf empirische Belege gestützte Heilkunde) in Österreich und als Musterbeispiel für eine methodisch korrekte Überprüfung wissenschaftlicher Hypothesen. Zu seinen Lebzeiten wurden seine Erkenntnisse nicht anerkannt und von Kollegen als „spekulativer Unfug“ abgelehnt. Nur wenige Ärzte unterstützten ihn, da Hygiene als Zeitverschwendung und unvereinbar mit den damals geltenden Theorien über Krankheitsursachen angesehen wurde. 1865 erkrankte Ignaz Semmelweis an schweren Depressionen und wurde im Juli 1865 ohne Diagnose von drei Ärztekollegen in die staatliche Landesirrenanstalt Döbling bei Wien eingeliefert. Einigen Quellen zufolge soll Semmelweis’ Einlieferung auf eine Intrige zurückzuführen sein. Er starb zwei Wochen nach seiner Einlieferung.

Epidemien sind nicht nur eine Reihe einzelner biologischer Ereignisse, die mit dem Verschwinden der Krankheit einfach in die Geschichte eingehen. Sie sind auch moralische Krisen, die die Grenzen des sozialen Zusammenhalts und des Vertrauens austesten. Wie wir jetzt bei Covid sehen, ist der Prozess des vermeintlichen Endes der Pandemie eine Zeit der moralischen Abrechnung, mit Diskussionen über „gelernte Lektionen“ mit vielfältigen Elaboraten von Erzählungen mit den Guten und den Bösen. Wir scheinen uns inmitten eines solchen Prozesses zu befinden, da medizinische Experten darüber diskutieren, welche Infektionsraten und Spitalsbelegungen akzeptabel sind, Politiker die Auswirkungen der Aufhebung von Beschränkungen erörtern und wir mit unseren Verwandten, Freunden und Nachbarn darüber debattieren, wie wir unser Leben am besten leben.

Seit der Umwandlung der Isolationspflicht („Absonderung“) für frisch infizierte Menschen in „Verkehrsbeschränkungen“ in Österreich, kann man gehäuft bestaunen, wie bestimmte Politiker und Politikerinnen wirklich alles sagen, um ihr Ding durchzuziehen. Es spielt keine Rolle, ob es wahr ist oder nicht. Beim politischen Ende der Pandemie geht es einzig um die Konzentration auf die Macht. Letzteres erlebt Österreich gerade wieder, nicht das erste Mal. Das Ende der Pandemie in Österreich wurde bereits im Sommer 2020 („Gesundheitsfolgen sind überwunden“) und im Sommer 2021 („Pandemie für Geimpfte vorbei“) ausgerufen. Jetzt also erneut das politische Ende. Kann man so sagen.

Die Bundesregierung ging ab Mai daran, Vorbereitungen zu treffen, sämtliche Maßnahmen gegen Corona aufzuweichen und schließlich abzuschaffen. Als erstes wurde dann die Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr und Lebensmittelgeschäften zum 1. Juni aufgehoben, obwohl im März dafür noch der 8. Juli als frühester Termin genannt wurde. Auch das Epidemiegesetz wurde ohne Begutachtung  geändert (§7b), um die gesetzliche Grundlage für die Abschaffung der Absonderung bereitzustellen, an der umgehend heimlich, still und leise gearbeitet wurde. Eingeweiht waren offenbar nur Wirtschaftsvertreter und ÖVP-Landeshauptleute. Als die Verordnung zur Aufhebung der Absonderung über ein Boulevardmedium „geleaked“ wurde, rückte Gesundheitsminister Johannes Rauch zur öffentlichen Schadensbegrenzung aus, und erklärte wahrheitswidrig: „Noch ist nix fix“.

Bei mancher Unwahrheit bleibt dann aber ein Klotz im Hals zurück, z. B. wenn Gesundheitsminister Johannes Rauch im wenig glanzvollen ZiB2 Interview vom 26. Juli Tipps gibt, ob und wie ein positiv getestetes Kind in den Kindergarten darf. So rät Rauch: „Wenn Ihr Kind keine Symptome hat, dann bringen Sie Ihr Kind ganz praktisch mit Maske in die Kinderbetreuung. Kann es dort abgeben und abholen. Das ist möglich.“ Das war dann doch zu starker Tobak. Am nächsten Tag und musste er kleinlaut zugeben, dass er da die Unwahrheit gesagt hat.

Man könnte Beweggründe ehrlich kommunizieren – Stichwort Wirtschaftskammer. Stattdessen wirft der Gesundheitsminister mit haltlosen Zahlen um sich. Er behauptete einen Anstieg der Suizidalität bei Minderjährigen während der Pandemie um 25 Prozent. Alle Daten zeigen aber den Rückgang von Selbsttötungen in dieser Zeit in der Gesamtbevölkerung. Mit Kindeswohl politische Nebelgranaten zu produzieren,  ist unverantwortlich. Auch wenn Gesundheitsminister (?) Johannes Rauch mehrfach die Unwahrheit sagt(e), sollte man in der Bewertung eines solchen Verhalten bedenken, dass er das für das große Ganze macht. Und ja, er ist nicht so bescheuert, wie er darauf hinwies, aber halt nicht genug transparent und zu wenig der Wahrheit verpflichtet. Ein substantieller Teil der Bevölkerung erwartet aber genau das.

In der Antrittsrede im Nationalrat  sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch: „Was es braucht, ist, glaube ich, auch einen gesellschaftlichen Dialog, wie wir insgesamt in diesen Fragen weiter vorgehen.“ Der breite gesellschaftliche Dialog ist zum Universalschlüssel für alle Probleme geworden, sei es der stets wohlwollend aufgenommene Vorschlag für ein weiteres Verfahren, oder sei es der zivil, ja wohlig klingende Schutz vor dem Vorwurf, durch autoritäres Gebaren seine Mitmenschen zu entmündigen. Die Höhenangabe gehört unbedingt dazu – „Dialog auf Augenhöhe“. Es ist arg selten, dass ein Dialog auf Nierenhöhe geführt wird. Aber es ist grundfalsch, damit die Illusion aufrechtzuerhalten, die Machtoptionen seien so gleich verteilt wie die Möglichkeit mitzuquasseln. Da ein breiter gesellschaftlicher Dialog sowieso nie an ein Ende kommt, dient er als Wiedervorlageförderband für Fragen, die in Wahrheit längst entschieden sind, so ebenfalls Nils Minkmar von der Süddeutschen.

Nach einem positiven Test gleich wieder zurück an den Arbeitsplatz: Mit Maske ist das seit 1. August nach den neuen Regeln erlaubt. Mit oder ohne Symptome! Das ist nämlich nicht geregelt, die medizinischen und rechtlichen Risiken sind jedoch unüberschaubar. Selbst wenn Bundeskanzler Karl Nehammer irgendwie bemüht von „Wer sich nicht krank fühlt, kann auch nach positivem Corona-Test das Haus verlassen“ daher redet, obwohl das landauf, landab allen erzählt wird, aber inhaltlich und rechtlich nahezu substanzlos ist. Mehr darüber in der nächsten Kolumne. Und über die abebbende Sommerwelle.«

R. Z.


Fortsetzung folgt am Montag.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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