Friede den Häusln, Krieg den Hundehütten!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 791

Armin Thurnher
am 28.07.2022

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Foto: Irena Rosc

Ich liebe den heutigen Tag. Diese Woche beginnen alle meine Kolumnen mit den Worten „Ich liebe…“, sie hat sich unter der Hand zur Woche der Liebe erklärt. Und im Handumdrehen (Hundumdrehen?) erschien der Hund. Willkommener Anlass, wieder einmal ein Bild unseres längst verstorbenen Lieblings Cato zu veröffentlichen. Der Kater beklagt Nichtbeachtung, aber die Woche der Liebe ist noch lang.


Schon surren Szenen auf mich zu, schneller als ich sie notieren kann. In der Früh postete Claus Pándi in unserem täglichen Twitter-Lyrik-Austausch die knurrige Zeile „Lyrik muss sein bevor gleich noch hundlos schläfrig aus dem Haus. Guten Morgen“ und setzte sie über ein Gedicht von Wilfried Happel, das beschreibt, wie eine Frau den Mann verlässt und der Hund ihr folgt, auf Nimmerwiedersehn.

Neben den Verssalven der lyrischen Sobo-Geleitflotte zählt der Gedichtaustausch mit Pándi zu den Fixpunkten in meinem Tag; man muss nicht aufeinander reagieren, auch nicht auf die Tagesereignisse; beides geschieht bisweilen unwillkürlich. Der Hund verlangte nach Jandl, klarerweise, und kaum hatte ich irrtümlich den Band „der gelbe hund“ hervorgeholt, in dem sich das eine oder andere Hundegedicht findet, nicht aber jenes, das ich endlich in „die bearbeitung der mütze“ fand, nämlich „hund-sein“, erwischte mich eine Geschichte aus dem Bezirksblatt Donaustadt, Onlineausgabe.


„Im Gebiet rund um den Ernst-Jandl-Weg ist (…) um eine fehlende Hundezone nun eine heftige Debatte entbrannt.“ Wütende Bürgerinnen und Bürger wüssten nicht mehr, wohin mit ihren Liebling Gassi gehen, alles werde verbaut, nichts sei mehr wie früher, was noch grün sei, befinde sich in Privatbesitz. Da die Beschwerden von der ÖVP vorgetragen werden, kommt Enteignung als Lösung kaum in Frage. Der rote Bezirksvorsteher Erst Newriwy wird als Hundefeind  hingestellt. Er verweist auf einen geplanten Park, der eine große Hundezone enthalten werde und 2023 eröffnet werden solle. Friede den Häusln, Krieg den Hundehütten!

Der ÖVP reicht das nicht, sie fordert einen Berechnungsschlüssel, eine Hundequote pro Bewohner. „Als wir hier vor 30 Jahren eingezogen sind, war alles Grün, die Hunde und Kinder hatten genug Platz. Jetzt wird alles zugebaut und auf uns Hundebesitzer hat man vergessen“, klagt eine langjährige Bewohnerin. Und das in Wien, wo man niemals vergisst, auf etwas zu vergessen, weil man ja nicht bloß denkt, sondern stets auf etwas denkt. Es ist eine Geschichte, in der das Bezirksblatt keine Phrase auslässt, vom begrabenen Hund bis zum harten Knochen. Nur den Jandl haben sie vergessen. Die Entwicklungskommission blieb jedoch unerbittlich und gab, „gegen die Stimmen der ÖVP“ die Empfehlung, beim Ernst-Jandl-Weg keine Hundezone zu errichten. Das kann nicht im Sinn des Dichters sein, aber dieses Argument fiel der Bezirksrätin Löff nicht ein. Sie engagiert sich für die Hunzos und klagt: „Wieder einmal wird mit Ausflüchten über die Menschen drübergefahren und den Betroffenen keine Gelegenheit gegeben ihre Sicht zu schildern.“


Ja, es ist hart, mit Ausflüchten überfahren zu werden. Und eine Umfrage unter den Hunden des Bezirks hätte der Entwicklungskommission gewiss zu denken gegeben. Vielleicht sollte die Kommission samt Newriwy einfach den Ernst-Jandl-Weg hinauf- und hinabwandeln, dabei laut mehrfach Jandls Gedicht „die verdauung“ deklamieren und noch einmal über ihre Entscheidung nachdenken.

der hund beachtet die verdauung

nicht in gleichem maße wie der mensch.

ebensogut könnte man sagen:

der hund verachtet die verdauung

nicht in gleichem maße wie der mensch.

wer hat nun recht?

der hund oder der mensch?


Ich kann mir nicht helfen, wenn von Hunden und Kindern in Wien die Rede ist (man beachte die Reihenfolge), fällt mir immer diese Geschichte ein, die lange vor der Sackerl/Gackerl-Zeitenwende spielt, mir von einem der Geschwister Hurch überliefert wurde und sich in einem Park des 19. Bezirks zugetragen haben soll. Dort teilten sich Hunde und Kinder eine große Sandkiste. Anders als die Kinder spielten die Hunde nicht nur in der Kiste, sie benützten sie auch, um, wie man sagt, ihr Geschäft zu verrichten. Eine ältere Dame, regelmäßige Besucherin dieses Ortes, sprach, als ihr Dackel Anzeichen machte, die Sandkiste nicht freudig wie sonst immer zu betreten, die goldenen Worte: „Kränk’ di net, Lumpi, morgen ruf ich an, dass s’ an frischen Sand bringen!“

Geheimnis des goldenen Wienerherzens.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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