Die Lieferung der S-Kolumne ist weder blockiert noch gefährdet.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 762

Armin Thurnher
am 24.06.2022

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Lieferkette Foto: Wikipedia

Wie schön, zu erfahren, dass es Leute gibt, denen man abgeht. Da ging ganz schön was ab, als die S-Kolumne nicht in diversen Mailboxen auftauchte, jedenfalls nicht zur gewohnten Zeit. Gleich kamen besorgte Nachfragen, ob es mir gesundheitlich gut gehe. Danke dafür, ja, es geht. Außerdem folgten Beteuerungen, dass man ohne die Kolumne nicht sein wolle, und das mir, der ich bekanntlich ohne die Kolumne schon gar nicht sein will.

Alles in allem eine erfreuliche Erfahrung. Eine kleine Panne, mehr war es nicht, und man merkt, man wird gelesen, wenn nicht gar gebraucht. Die Illusion mit dem Gebrauchtwerden kann man leicht aus der Welt schaffen, vergleicht man die Kolumne mit einer russischen oder anderweitigen Rohstofflieferung. Die brauchen wir, denn so viele hässliche Dinge, wie wir bereit sind, zu tun, um den Ausfall oder den drohenden Ausfall einer solchen Lieferung wettzumachen, wäre diese Kolumne nicht wert. Das möchte sie auch nicht sein.

Aber Meldungen wie „2 Tage ohne war schon beunruhigend“ beruhigen mich doch wieder. Ich gestehe, und habe es hier eh schon öfter gestanden, ich wetze manchmal unruhig hin und her und überlege mir Reformen, Neuerungen, Abstufungen. Jetzt, wo die Impfpflicht abgeschafft ist, könnte man ja … Nein. Ich will nicht kokettieren.


Die Kommentare zur Impfpflicht gefielen mir ungemein. Eiertänze sind Schuhplattler im Vergleich zu dem, was Hans Bürger in der ZiB1 aufführte, der Beschwichtigungshofrat mit dem tiefstbekümmerten Gesichtsausdruck der Welt. Allein diese physiognomische Leistung leistet einen Beitrag zur politischen Volksgesundheit, den man nicht unterschätzen sollte. Man fühlt mit Bürger die Sorgen der Nation mit, erfährt aber zugleich im Text, dass eh alles nicht so schlimm ist.

Zur Impfpflicht hätte ich gesagt, das war eine ÖVP-Propagandaidee der Landeshauptleute im Post-Kurz-Delirium. Sie sahen, dass die Werte verloren gingen, die einzigen Werte, die ihnen etwas wert sind, die Umfragewerte, und sie trieben die Verantwortlichen der Bundesregieurng in den Wahnsinn. Die Herren Schallenberg (Bundeskanzler, unvergessen) und Mückstein (der turnschuhfitteste Gesundheitsminister, seit es Leibärzte gibt) waren arg- und ahnungslos an den Tiroler Achensee gefahren, wo ein Haufen rücktrittsbereiter Altpotentaten, genannt Landeshauptleute ihnen die verrückte Idee aufzwang, die Impfpflicht zu deklarieren, um damit Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Impfpflicht, eine Schnapsidee, die das angestrebte  Ziel einer hohen Durchimpfung der Bevölkerung verhinderte, indem sie den Trotz der Impfgegner und Impfängstlichen erst recht anstachelte und erst recht die Handlungsunfähigkeit der Politik erwies, weil die sich nie traute, die Impfpflicht scharf zu machen. Ein Offenbarungseid der politischen Kommunikation wie die gesamte Kommunikation in Sachen Pandemie, aber das hatten wir hier schon.

Was bleibt, ist der bedenkliche Rest, dass in den allseitigen Wünschen, einander zu manipulieren, um dieses schöne 1960er Wort wieder einmal zu Ehren kommen zu lassen, die Fähigkeit verlorenging, einander etwas mitzuteilen.

Der Verlust des Wortes „Manipulation“ zeigt übrigens die totale Durchsetzung des von diesem Wort Gemeintem an. Ursprünglich auf Werbung und Konsum bezogen, trifft es längst auf alles zu, weil eben alles zur Konsumware geworden ist.

Die Lösung des Problems besteht darin, nicht darüber zu reden. Ich tue es halt trotzdem und merke, wie ich dabei einen Bürger’schen Gesichtsausdruck bekomme und bei um eine Generation jüngeren Kollegen eine Dackelfaltenstirn hervorrufe. Muss er schon wieder damit anfangen, der alte Tepp?

Ja, so ist er. Das muss er.


Die Ursache für den Zustellungsausfall der Kolumne lag übrigens nicht im Bereich des Falter, sie lag am Server unseres Newsletterdienstes. Dort musste die digitale Signatur erneuert werden, und solange das nicht erledigt war, war eine Kommunikation mit dem Dienst aus Sicherheitsgründen automatisch blockiert. Normalerweise richten sich Techniker für diese Fälle eine Erinnerung vorab ein, oder es passiert bereits automatisch, aber diesmal ist es unterblieben. Noch einmal sorry dafür.


Noch ein Nachtrag zum Nachtrag zur Bestellung des RTR-Geschäftsführers. Ich hatte angemerkt, bei der letzten Bestellung im Jahr 2017 sei Datum-Herausgeber Sebastian Loudon erstgereiht gewesen, aber Thomas Drozda, damals Medienminister, habe ihm den ehemaligen PID-Chef Thomas Stribl vorgezogen. Drozda antwortete, er habe zwischen zwei ihm von der Kommission empfohlenen Kandaten ausgewählt, Loudon sei dann mit der Sache an die Presse gegangen. Das war aber nicht so, wie mir dieser mitteilt. Vielmehr schrieb Harald Fidler vom Standard aus Eigenem über die Sache, was auch Drozda nun einräumt. Die Information, Loudon sei tatsächlich erstgereiht gewesen, stammte jedenfalls nicht von diesem, entspricht aber den Tatsachen.

Einigkeit besteht jedoch vermutlich unter den Beteiligten darüber, dass es sich bei der aktuellen Bestellung der RTR-Spitze um eine unwürdige Posse handelt.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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