Medienpolitische Brosamen (österreichisch: Brösel)

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 759

Armin Thurnher
am 21.06.2022

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Die Beziehung von Politik und Medien in Österreich. Schreibe für den kommenden Falter wieder einmal darüber. Der Fall Fellner. Der Fall der Fälle tritt ein. Ein langes publizistisches Leben im Übermut scheint in ein paar Krisen zu geraten. Was soll man mit einer Gesellschaft, die sich von solchen Leuten jahrzehntelang an der Nase herumführen lässt, anfangen?


Ich erinnere mich an Nächte in den führenden Kulturorten des Staats, an denen Wolfgang Fellner die Mächtigen der Politik antreten ließ, er, der Erfolgeiche, obenauf Schwimmende, und sich als „Sieger“ inszenierte. Der Bundespräsident Klestil assistierte im Modernen Museum, der Bundeskanzler Klima im Burgtheater, der Bürgermeister Zilk in der Staatsoper. Entwürdigende Schauspiele.

Besonders ungern erinnere ich mich an den Kanzler Viktor Klima, der damals sagte, das kann ich nicht vergessen, er liebe die Fellners, das seien Burschen, die etwas aufbauen, die seien ihm lieber als Leute, die alles zerschlagen wollen. Das war auf mich gemünzt, der ich den Mediaprint-Komplex zerschlagen wollte, kartellrechtlich halt. Format, das neu gegründete Fellner-Magazin als Konkurrenz zum Profil brachte Klima auf dem Cover im Stil von Marx Engels, Lenin und Mao – als Reihe der modernen Sozialdemokraten, Blair, Schröder, Klima. Sie nannten es den „dritten Weg“ und legten damit den Grund für eine lange konservative Hegemonie.

Fellner lieferte die „modernen“ Medien dazu, die Zeitung Österreich sollte so etwas werden wie eine moderne Süddeutsche Zeitung, behauptete er. Auf einem Plakat zeigte er sich mit geschlossenen Augen, angeblich Träume von solchem Fortschritt träumend.


Es gab auch Diskussionen im ORF, wo Wolfgang Fellner und Eva Dichand das Ergebnis einer Wahl diskutierten. Öffentlich-rechtliches Fernsehen vom Feinsten. Ich erspare Ihnen hier vieles, was mich an Erinnerungen plagt. Hoffe, Sie rechnen es mir hoch an, dass ich mit der angefangenen Serie „Fifty shades of Fellner“ nicht Ernst gemacht habe.


Alles ging, obwohl die meisten wussten, was gespielt wurde. Jetzt geht es nicht mehr so gut. Kann nicht behaupten, dass mir das Befriedigung verschafft. Statt dessen sind Zerstörungen zu besichtigen, die irreparabel sind. Danke, Sebastian Kurz und Vasallen, dass ihr das System kenntlich gemacht habt.


Das System geht aber munter weiter. Der neue RTR-Chef scheint einer posttürkis geschobenen Partie zu entspringen, schreibt der Blogger Helge Fahrnberger. Die RTR ist jene Behörde, die über den Medienmarkt und dessen Ordnung wacht und Förderungen in Millionenhöhe vergibt.  Datum-Herausgeber Sebastian Loudon, der Regierungsinserate zurückfahren und stattdessen auf Medienförderung umstellen wollte, beim letzten Mal Erstgereihter des Hearings, aber vom sozialdemokratischen Minister Thomas Drozda zugunsten eines Sozialdemokraten übergangen, wurde nicht einmal zum Hearing eingeladen. Das alles ist beschämend und scheint’s unrettbar verfault. Das Schlimmste: die Grünen können nicht dagegenhalten, sofern es nicht in einem Sideletter paktiert wurde. Das Allerschlimmste: die Gemeinde Wien, die es könnte, die es müsste, ist nicht einmal ansatzweise an einer anderen Politik interessiert.


Man muss es halt immer wieder benennen. Ich fühle mich diesem politmedialen Komplex gegenüber wie ein englischer Hofreporter gegenüber der Royal Family. Kenne das Personal, bin froh, mit ihm nichts zu tun zu haben. Die, mit denen ich zu tun habe, haben wiederum nichts mit dem Palastkomplex am Hut. Hoffe ich. Unpassender Vergleich.


Der ORF hat endlich seinen Newsroom. Großartig. Ein Sinnbild der versuchten Zentralisierung, die scheitern muss, wenn der ORF überleben soll. Eine Unterwerfungshandlung für unbotmäßige Abteilungen im Konzern, für die besten naturgemäß, Ö1, und orf.at. Die werden wir doch kleinkriegen können, denn die Einheit, so verkündeten die willfährigen Chefredakteure, die in der ZiB1 die Reform lächelnd begrüßten, wahre Leuchten ihres Faches, die neu hergestellte Einheit im zentralen Newsroom werde dafür sorgen, dass die Vielfalt noch viel vielfältiger wird.


Mit ist ein gescheiter Einheitsbrei übrigens lieber als eine doofe Vielfalt. Vielfalt ist kein Wert, Vielfalt ist nur wertvoll, wenn die Vielfalt von Verschiedenartigen gemeint ist, nicht die Vielheit Gleicher. Vielfalt, so verstanden, wäre beunruhigend, deswegen meint es auch keiner ernst, der von ihr daherredet.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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