Danke für all die Geschenke! Die Stadt Wien rechnet mit Community-TV-Sender Okto ab.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 746

Armin Thurnher
am 03.06.2022

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Vor vier Wochen war ich mit Julia Wippersberg, der Präsidentin des Okto-Trägervereins und dem Okto-Geschäftsführer Christian Jungwirth bei Stadtrat Peter Hanke. Die Stadt hatte Okto einen plötzlichen Förderstopp verordnet (noch am 16. 10.2021 hatte Hanke in einem Testimonial auf Okto erklärt, er sei „sehr glücklich“ mit dieser Institution, da er ja auch schon bei der Gründung dabei gewesen sei). Nun war das Glück gewichen, und er wollte kein lineares Fernsehen mehr fördern. Dass Okto erklärte, 90 Prozent seines Budgets gingen nicht in den linearen Sendebetrieb, sondern in Ausbildung, Coaching und Programm, nützte nichts. Der Stadtrat stellte zwar Projekte zur Fortbildung in den Raum, auch, dass er sich für eine anderweitige Verwendung arbeitslos gewordenen Okto-Personals einsetzen werde. Aber die Basis-Subvention sei beendet. Er verstand aber, dass die Geschäftsführung in absehbarer Zeit eine in Zahlen ausdrückbare Zusage haben müsse. So vereinbarten wir, in den nächsten vier Wochen würde man versuchen, konkrete Projekte mit einem planbaren Budgetrahmen festzuschreiben. Eine geplante Pressekonferenz verschoben wir deswegen. Aus den Projekten wurde nichts, und so standen gestern Vizepräsidentin und Medienanwältin Maria Windhager, Helga Schwarzwald vom Verband freier Rundfunk in Österreich, Christian Jungwirth und ich (einfaches Ehrenmitglied, bei der Gründung dabei, langjähriger Kassier und übergangsmäßig geschäftsführender Präsident) im Presseclub Concordia und verkündeten das Ende der Basissubvention durch die Stadt Wien. Und dass Okto nicht daran denkt, deswegen aufzugeben. Andere Finanzierungsmöglichkeiten werden gesucht, und vielleicht kommt ja doch noch das eine oder andere Projekt mit der Stadt zustande. Ich befürchte, dass Okto darunter leidet, als rot-grünes Projekt eingestuft zu sein. Alles Grüne ist derzeit im roten Rathaus nicht nur verpönt, es gilt als feindlich. Wie klug das in einer politischen Situation ist, in der man im Bund, will man die Volkspartei je aus der Regierung entfernen, Rot-Grün-Pink ins Auge fassen, also auch politisch vorbereiten muss, sei dahingestellt. Bürgermeister Ludwigs intellektuelle Fähigkeiten gehen ganz gewiss über eine Stricherlliste hinaus, in der von Protestierenden gegen die Stadtstraße bis zu Betreibenden nichtkommerzieller Medien alles abgehakt wird, was grün zu sein scheint. Im Fall Okto ist besonders beklagenswert, dass die Ausgaben der Stadt für Inserate in den drei Boulevardmedien Krone, Österreich und Heute in einem einzigen Monat ein ganzes Jahresbudget von Okto locker finanzieren würden. Hätte das Rote Wien eine Idee von Medienpolitik, wäre ihm klar, dass man darunter nicht das alte System des Bezahlens von Schutzgeld an den Boulevard verstehen kann. Sozialpolitik, Wohnpolitik machen es doch vor: vernünftige Politik ist eine, die den Markt korrigiert, statt ihn zu bestärken. Eine vernünftige Medienpolitik müsste überlegen, wie sie Bürgerinnen und Bürgern „einen offenen Zugang zur Gestaltung von Medien ermöglicht“, wie Maria Windhager sagte, statt Deals mit Oligarcherln abzuschließen. Man stelle sich vor, das Rote Wien hätte statt auf Gemeindebauten nur auf private Bauträger gesetzt! Medienpolitisch war das Rote Wien allerdings kein Vorbild, man fiel auf den ungarischen Erpresser Imre Békessy herein, der sich den Anschein moderner Tüchtigkeit und progressiven Flairs gab. Aus historischen Fehlern ließe sich lernen. Ein solcher Fehler ist es auch, Subventionen als Geschenk zu betrachten, für das die Beschenkten dankbar zu sein hätten. 18 Millionen Euro habe Okto in all den Jahren nun erhalten, dafür müsste es doch dankbar sein, sagte uns der Stadtrat im Gespräch. Die Stadt bekam für diesen – nie valorisierten – Betrag eine zunehmende Leistung, die sie offenbar nicht zu schätzen weiß. Als ich darauf hinwies, dass die Kronen Zeitung von öffentlicher Hand (Bund, Gemeinden und Wien) eine ähnliche Summe in einem einzigen Jahr bekommt, wurde die Stimmung kühl. Umso interessanter fand ich einen Artikel in der Kronen Zeitung, der solche wie mich „undankbar“ nannte, in gewiss nur zufällig wortgleicher Wiederholung von Worten, die mir bekannt waren. Ob der Stadtrat und der Krone-Reporter je den Gedanken fassen könnten, dass hunderte, ja tausende Menschen gratis für Okto arbeiteten? Dass sie Tausende Sendungen ablieferten, ohne auch nur an ein Honorar zu denken (in meinem Fall war’s das Medienquartett)? Dass Dutzende Menschen sich im Okto-Trägerverein ehrenamtlich betätigten, um zum Beispiel die Idee zu unterstützen, migrantischen Menschen und Randgruppen der Gesellschaft so etwas wie Media Literacy zu vermitteln? Dafür hat die Stadt Wien nie auch nur ein einziges müdes Dankeswort gesagt. Sie pfeift einfach drauf und merkt nicht einmal, wieviele Menschen da unbedankt etwas für sie tun. „Es geht um viel mehr als um lineares Fernsehen“, sagte Helga Schwarzwald. Aber die Stadt hörte es nicht. Die Stadt hörte sich vielmehr selbst aus einem Artikel der Kronen Zeitung, die weiß, was sich gehört und ihre Dankbarkeit in Berichten wie diesem wunschgemäß apportiert:

Screenshot: Krone.at vom 2.6.

»Okto-TV attackiert nun ihre Förderer

Undankbare Betreiber schießen jetzt wild gegen Stadtregierung, obwohl zuvor fleißig jahrelang abkassiert wurde. Der Sinnlos-Sender sendet jedenfalls weiterhin. Undank ist der Welten Lohn – vielleicht wäre das ein passender Titel für eine Sendung auf Okto-TV. Viele Jahre lang wurde der Sinnlos-Sender, der quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit absolutes Nischenprogramm liefert, von der Stadt mit insgesamt 17,7 Millionen Euro gefördert. Bis das Subventionsgrab endlich von Finanzstadtrat Peter Hanke (SPÖ) zugeschaufelt wurde. Nun schießen sich die Betreiber auf ihre jahrelangen Förderer ein. Laut Gründer Armin Thurnher wäre die Unterstützung von rund einer Million Euro pro Jahr „ein Leichtes für die Stadt Wien“. Millionen würden anderwertig versickern. Gefährliche Drohung: Okto TV sendet weiter.«

Die Okto ist undankbar, während Christoph Engelmaier von da Krona nicht einmal zitieren kann. Undank ist der Welt Lohn, gewiss, aber man möchte sich dankbar zeigen; ob es eine gute Idee ist, seinen Dank zu zeigen, indem man Stadtrat Hanke als Totengräber hinstellt? Das kommt mir, der ich von Anfang an dabei war, aber Okto nicht gegründet habe,  eher anderwertig vor. Shakespearehaft beinahe. Von „versickern“ habe ich meiner Erinnerung nach nicht gesprochen. Das Inseratengeld für Boulevardmedien landet direkt in den Taschen unserer Oligarcherln.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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