Die Zeit mit Kurz, wie sollen wir sie nennen? Eine Ent-Ärung.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 731

Armin Thurnher
am 17.05.2022

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Abschied von einem Intermezzo, das begann wie ein Sturm und endete wie ein Lüfterl. Stadthalle, 2017 Foto © Christian Fischer

Hey, Sebastian, alles ist vorbei. Mitnichten. Es gibt jetzt Stimmen, sogar von Leuten, die zu den Bewunderern des nunmehr Abgehalfterten zählten, die behaupten, es sei gar keine Ära gewesen, also könne auch nicht alles vorbei sein. Zum Beispiel Christian Rainer im Profil, der auch lautmalerisch einiges leistet, nicht nur analytisch. Die Mär von der Ära war nur Chimära oder so, das ist gut und es stimmt. Die Ära ist „äh weg“, wie einst der unvergessene Hansjörg Schimanek von der FPÖ über den jüngst verwichenen Künstler Herrmann Nitsch sagte, dessen Kunst wolle man „äh weg.“

Nun ist Kurz weg, aber natürlich bleibt er uns und der Volkspartei immer erhalten, als stetige Drohung, er könne messianisch auf uns und auf sie wiederkommen. Ära oder Nicht-Ära, am Ende wird davon nichts übrig bleiben als jene 37 Prozent unseligen Angedenkens, ja, jene beinahe 50 Umfrage-Prozent nach dem ersten Lockdown, denen eine marginalisierte Volkspartei nachträumt.

Als Hauptbeweis, es sei keine Ära gewesen, zieht Rainer übrigens die fehlende Ideologie der Unära Kurz heran. Diese habe nur aus Marketing und Machterhalt bestanden. Sie sehen, wir sind heute ärabedingt onomatopoetisch gestimmt. Wenn es eine Ideologie gegeben habe, dann „bestand (sie) aus nicht viel mehr als aus einer Ablehnung der Sozialdemokratie bis hin zum ,Sozi‘-Hass.“

Da mag was dran sein, aber ich sähe schon noch mehr. Darauf will ich mich heute nicht einlassen, weil auch mich wie Rainer und einige andere der Begriff „Ära“ kränkt und ich etwas dazutun will, diesen Begriff vom Namen Kurz zu reinigen, und diesen selbst zu ent-ären.


Ich weiß nicht, ob Sie Latein hatten, aber bei der Ära klingt mir das Erz im Ohr, „aere perennius“, genauer gesagt „exegi monumentum aere perennius“. „Ich habe mir ein Denkmal errichtet, dauerhafter als Erz“, so schrieb der Dichter Horaz und hatte recht. Auch Horaz bringe ich nur zögerlich in Verbindung mit Kurz, aber die Entärung erfordert es.

Lieber als Horaz würde ich ja Frank Zappas Muffin Man zitieren, „He thought he was a man, but he was a muffin. He hung around till you found that he didn’t know nothing.“

Das ändert sich bekanntlich jetzt, weil Kurzens Lernkurve so steil nach oben schießt wie die Corona-Infektionskurven unter seiner Kanzlerschaft. Das mit der Lernkurve entnehme ich der Kronen Zeitung, die ihm noch immer überaus wohlgesonnen ist (so viel Kohle kommt aus Nehammerland nimmer rüber), weshalb sie dem neuen Kanzler in entschlossener journalistischer Skepsis gegenüber steht.

Die Krone-Herausgeberbriefe, die ich täglich lese, lassen mich vor Besorgnis für Karl den Kühnen erschaudern. Karl der Kühne heißt er bei mir, weil er sich von seiner Frau und von Wolfgang Sobotka beraten lässt, der bekanntlich das historische Modell des Théodenberaters Grima im Herr der Ringe vorstellt, was aber wurscht ist, da er eh bald zurücktritt.


Wo war ich? Ah ja, Horaz und Kurz. Ich verlaufe mich zwischen Oden und Epen. Wäre ich Kurz, hätte ich meinen Sohn ja nach Horaz benannt, nicht nach Konstantin dem Christenkaiser. Horace K. Kurz hätte sich in Amerika, Dubai, Abu Dhabi und Jerusalem besser gemacht, aber das geht mich nun wirklich nichts an. Es geht mir um den Begriff der Ära.

„Von einer neuen Ära spricht man, wenn ein bedeutendes Ereignis oder eine Entdeckung oder Erfindung das bisherige Leben bzw. die Lebensumstände vieler oder gar aller Menschen nachhaltig verändert. Es beinhaltet meistens eine positive oder neutrale Bewertung dieses Zeitalters. So läutete die Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus 1492 eine neue Ära ein, die Eroberung und Besiedelung Amerikas durch Europäer. Auch mit dem ,Thesenanschlag‘ Martin Luthers zu Wittenberg 1517 begann eine neue Ära: das Zeitalter der Reformation.“ So weit Wikipdia, die auch das Atomzeitalter oder den Fall des Eisernen Vorhangs als Beispiele anführt.

Was positive und neutrale Bewertung eines Zeitalters von vier fünf Jahren betrifft, das die Lüge in der Politik zum professionellen Glanz bracht, sich mit Hilfe von Schwindeleien die Macht erschlich und all das mit Geld aus Steuern finanzierte, brauchen wir uns keine Gedanken zu machen.

Noch einmal Wikipedia: „Vom Ende einer Ära ist oft die Rede beim Ausscheiden einer Persönlichkeit aus einem Amt oder bei deren Tod, die zu ihren Lebzeiten die Politik, die Wirtschaft, die Musik usw. maßgeblich mitgeprägt hat.“ Hiermit ist Sebastian Kurz äratisch endgültig ausgeschieden.

Lautmalerisch fixiert, wie ich als Poesiefex nun einmal bin, möchte ich statt der Ära das Intermezzo vorschlagen: Intermezzo Kurz. Belanglos, aber nicht folgenlos wehte es an uns vorüber. Als Kreuz der Volkspartei bleibt es erhalten: als Mahnmal, was Hybris an der Macht ausmacht. Sie kann Macht ausmachen, aber sie kann auch machen, dass es aus ist mit der Macht.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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