Danke, Elli! Die Seuchenkolumne erinnert sich an Ministerin Köstinger.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 725

Armin Thurnher
am 10.05.2022

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Es gab ja so viele schöne Momente. Die Parlamentspräsidentin, ihr Lebenstraumjob (dauerte wenige Wochen). Die Parkschließerin von Wien (dauerte wenige Wochen). Die TV-Diskutantin („Elli, es ist vorbei“). Die Seuchenkolumne wählt hier drei Szenen aus, die leicht gekürzt wiedergegeben werden. Die ungekürzten Texte finden Sie bei Bedarf im Register. Danke für nichts, Frau Minister.


1. Die Wintersaison. – Also sprach Frau Elisabeth Köstinger, tatsächliche Ministerin der Republik Österreich, zuständig für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus samt ein paar zusätzlichen Agenden: „Ich halte überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers – ganz im Gegenteil. Wir hatten gestern ja auch eine Konferenz mit den Landeshauptleuten und da haben sich alle unisono dafür ausgesprochen, dass es weiterhin größtmögliche Freiheit für Geimpfte und Genesene braucht.“

Es war ein Köstinger-Moment. An diesen ist die Zeitgeschichte bereits so überreich, dass man sich fragt, warum nicht diese Prachtfrau am Ballhausplatz herrscht, sondern der farblose Wohlartikulierer Alexander Schallenberg. (…)

Frau Köstingers Sätzchen sind näherer Betrachtung wert. „Ich halte überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers – ganz im Gegenteil.“ Hat man in einer Regierung, selbst in dieser, je solchen Klartext gehört, der zugleich semantischen Stumpfsinn darstellt? Was sie wirklich sagt ist ja, dass sie von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers alles halte. Nämlich: „Ich halte überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers – ganz im Gegenteil, ich halte alles von ihnen“.

Aber wir wissen, was sie meint, Übersetzungen aus politischem Stumpfsinn sind unser täglich Brot geworden. Sie meint natürlich: „Ich halte überhaupt nichts von den Wortmeldungen des Gesundheitsministers – es ist immer das Gegenteil dessen wahr, was er sagt.“ Item: Wir stehen in einer Pandemie, deren Konsequenzen der Kurz-Volkspartei offenbar wurscht sind. Sie nimmt in Kauf, was so geschieht, denn sie hat andere Prioritäten.

Was geschieht? Überlastete Intensivstationen, verschobene dringende Therapien schwer kranker Menschen, Konfusion der Bevölkerung, Anheizen der Spaltung derselben. Was sind die Prioritäten? (…)

Elisabeth Köstinger und Alexander Schallenberg (…) wollen „unsere Freiheiten“ retten, die Freiheit eh nicht. Bloß, wer krank oder tot ist, braucht nicht mehr viel davon. Sie kämpfen nicht für unsere Gesundheit, sondern für eine Wintersaison. Schneemänner sind wir.

Statt alle Anstrengungen zu bündeln und eine verantwortungsbewusste Pandemiepolitik zu machen, entblöden sich Köstinger und Schallenberg samt den Kurzisten Haslauer und Stelzer nicht, ihre fragwürdigen, von Kurz noch immer ausgegebene Freiheitenphrasen zu präsentieren: Freiheit für Geimpfte und Genesene. Freiheit statt Sozialismus, das klingt doch altvertraut. Freiheit für das Coronavirus kommt der Sache leider näher. Denn Impfungen jetzt, nachdem man den besten Zeitpunkt versäumt hat, wirken erst in vergleichsweise weiter Zukunft und dämmen das exponentiell wachsende Virus jetzt nicht ein.

(…) Wer vorbereitet uns auf die Seuche? Wozu alle Anstrengungen, Frau Köstinger? „Um einen Lockdown für die Wintersaison zu vermeiden, treten mit 8. November die Maßnahmen der Stufe 2., 3. und 4 gemeinsam in Kraft“, erklärt die Website ihres Ministeriums.

Nicht um Leben zu retten, nicht um das Virus einzudämmen, nein, um die Wintersaison zu retten. Wer so denkt, darf sich nicht wundern, dass sich die oberste Gesundheitspolitik im Land darauf beschränkt, den Gesundheitsminister zu konterkarieren und zu demontieren.

Was heißt das in einer uns alle nervenden, bedrohenden, destabilisierenden Situation? Das heißt, wir haben eine Regierung, die sich nicht auf die Bekämpfung dieser Gefahr fokussiert, sondern sie noch immer vor allem für einen Zweck nützt: der Beförderung der Interessen des Sebastian Kurz und dessen Rückkehr ins Amt. Man bringe die nassen Fetzen. (17.11.2021)


2. Elli im Prater – ein Köstinger-Moment. – Ich sah sie vorgestern, am neuen österreichischen Nationalfeiertag, dem 19. Mai, dem Tag der pandemischen Freiheit, den die Regierung im Schweizerhaus beging. Vizekanzler Werner Kogler und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer saßen mit Kanzler Sebastian Kurz und Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger an einem Tisch, beschützt von zahlreicher Polizei, während hinter der lebenden Absperrung Covidioten und Neonazis ihren Protest grölten. Das Quartett fremdelte angesichts von Stelze, Kartoffelpuffer und Bier. Vermutlich dachten einige von ihnen an Sushi.

Es war eine bizarre Szene. Das Schweizerhaus, jener Ort, der deswegen so schön ist, weil sich hier das Volk durchmischt und scheinbar unterschiedslos dicht an dicht drängt, wurde plötzlich zum Raum, da man einen Tisch isolierte, heraushob und beschützte. Und die meisten Leute an diesem Tisch schätzten weder eine einzige der deftigen Speisen, die das Haus zu bieten hat, noch das einzigartige kohlensäurefreie Budweiser. Besser könnte man Verlogenheit als Theaterszene kaum inszenieren.

Dann fiel mir noch ein Radio-Interview ein, das ich gehört hatte und in dem sich Frau Köstinger wie so oft als Sprechpuppe des Amts für die Verlautbarung sprachlicher Wahrheit betätigte, wie das Kanzleramt unter Sebastian Kurz neuerdings heißt (…).

Der Ö1-Redakteur Franz Renner stellte im Morgenjournal am Tag der pandemischen Freiheit Köstinger viele Fragen, und am Ende des Interviews folgte diese Passage, die sich mir ins Hirn eingebrannt hat, als Köstinger-Moment, als Augenblick, in dem die ganze unverschämte Oberflächlichkeit und hirnstoppende Arroganz des Systems Kurz in dieser seiner Adorantin offenbar wurde.

FRANZ RENNER: Frau Ministerin, zwei letzte Fragen wären… sie wären mit Ja oder Nein zu beantworten, worum ich sicher hiermit bitte. Die erste an Sie als ehemalige Nationalratspräsidentin. Die Wahrheitspflicht in U-Ausschüssen steht weiter zur Debatte, wie Sie gesagt haben?

ELISABETH KÖSTINGER: Es ist generell immer die Wahrheit zu sagen, aber das Instrument des Kontrollausschusses und des Untersuchungsausschusses muss weiterentwickelt werden. Das ist vollkommen klar.

RENNER: Und die zweite zur innenpolitischen Causa prima: Sollte – Betonung auf „sollte“ – Bundeskanzler Kurz wegen Falschaussage im Ausschuss verurteilt werden, tritt er dann zurück?

KÖSTINGER: Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass in Österreich jemand für etwas verurteilt wird, dass er nicht getan hat.

RENNER: Und wenn ja?

KÖSTINGER: Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand für etwas verurteilt wird, dass er nicht getan hat.

RENNER: Die Frage möchten Sie noch offen stehen lassen. Meine allerletzte Frage: Sie werden heute im Schweizerhaus mit der Bundesregierung zu Mittag essen? Stelze und Bier?

KÖSTINGER: Wir freuen uns alle schon unglaublich, dass es jetzt wieder losgeht, dass die Betriebe wieder öffnen. (22.5.2021)


3. Adventskerzen. – Wir befassen uns mit dem wirklich Wichtigen, mit der Kerze. Mit der Adventskerze. Mit der Adventskranzkerze. ZZZ. Das Spitzenpersonal der ÖVP fiel einem reizenden Einfall zum Opfer. Klubobmann Wöginger, Ministerin Schramböck, Ministerin Köstinger und Minister Kocher, allesamt innerstes Fleisch vom Fleische des Kurzismus, versammelten sich nacheinander um einen Adventskranz, zündeten ein Kerzlein an und sagten ein paar nette Worte zur Jahreszeit und überhaupt.

Das Merkwürdige daran war der Adventskranz. Die Ministerinnen und Minister und der Klubobmann waren Wachs in den Händen des Messagemeisters Gerald Fleischmann, dieses Oberkerzenziehers, Kerzenoberziehers oder Kerzenzieheroberst. Sie setzten sich, wie sogleich allgemein bemerkt wurde, an den nämlichen Adventskranz. Türkise Kerzen sind selten. Das populäre Möbelhaus, das dem XX-Kanzler ein X voraushat, der XXX-Lutz, zeigt keine türkisen Kerzen. Selbst bei der Auswahl der nichtgezeigten Farben gibt es nur ein Grün. Klerikal gesinnte Feinspitze würden in dieser Zeit des Kirchenjahrs ohnehin zu Violett greifen, der proletaroide Durchschnittstepp meiner Machart griffe zu Knallrot. Aber Türkis?

Türkis. Damit man merkt, die Sache lebt. Fleischmann, der alles berechnet, hatte naturgemäß auch berechnet, wie die Adventskranzversammlung der ministeriell Dilettierenden und des als Klubobmann kostümierten Dialektdichters auf den Twitterpöbel wirken würden, und ich stelle mir vor, wie Gerald Fleischmann sich die Hände reibt, dass es genauso kam. Adventskranz statt WKStA und Korruption! (1. 12. 2021)


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher

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