Elegie auf Willi Resetarits

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 713

Armin Thurnher
am 26.04.2022

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Willi Resetarits Foto: © Heribert Corn

Willi, ich habe genug von den Elegien. Und jetzt du noch.

So aber geht es: abschneidend kommt es, das Ende, manchmal

schleichend, langwierig quälend ein andermal. Ende, wie immer, du

bist uns gewiss. Willi! Du zäher, hattest gerade

dich von Corona erholt, da ereilt dich das Unglück. Wir weinen.


Unter Glyzinien geh ich, fett in das Frühjahr erblühenden.

In den Frühsommer gehe ich, venezianisch, notiere voll

Trauer Gedanken an dich. Brate Seezunge, nicht zu heftig

(Kochen konntest du nicht, aber Essen, sagtest du mir) und

trinke den Weißwein und weine um dich. Elegien zu

viele in letzter Zeit, und hier ist kein Ende, wenngleich ich

suche es aufzuhalten, per Elegie, ich schreibe sie

eine um die andre, unwillig, unwirsch, unfroh.


Willi, Kurti, Ostbahn, Rater und Tröster, du hast wie

keiner verstanden, das Gutsein erträglich zu machen. Denn gut, das

warst du nun wirklich, durch und durch gut und immer auf richtiger

Seite. Das wäre bei anderen nervig, penetrant oder

lähmend, salbungsvoll, pastoral oder sonst wie. Du aber

warst ein Warmer, warmherzig Warmer. Wärmestrom in der

Linken, so etwas gibt es. An Kälte geht sie zugrunde.

Du aber hattest die Stimme, die Stärke, die Kraft und nimmer ver-

sagte dein Schmäh. Nein, Cool warst du nicht und tatest nie so, als

wärst du’s. Der Schmäh, er machte das Gutsein erträglich vermutlich auch

dir, denn die Kraft, die es kostete, durfte man merken mitnichten.

Kraftvoll warst du auf Bühnen, in jeglichem öffentlichen

Auftritt, immer der Anker, die tiefe, verlässliche, schöne

tonangebende Stimme, zuhause in allen Genres und

Tonlagen. Artmann sangst du berührend, alanich für di, und

trafest doch alle mit deinem Gesang, ob rockig als Kurti, ob

jazzig, ob stubenbluesig, ob wienerisch mit dem Molden, dem

kongenialen. Musiker warst du ein prächtiger, Schmetterling-

aufwärts mit der Proletenpassion bis hin zu den zarteren

Wienerlied-Klängen. Ausklänge waren es, ungern muss ich es

sagen, war’n sie auch nicht so gedacht. Der Ostbahn Kurti

warst du, fleischgewordene Fiktion, doch gewendet

mit ironischer Verve. Ja, die Selbstironie nur

macht das Gute erträglich, den guten Glutkern in dir, den ein

jeder und jegliche spürte, der je es zu tun hatt’ mit dir. Eine

Freundlichkeit gegen Menschen, helfend, niemals ermüdend, auch

wenn es Substanz dich gekostet. Half’s dir, aus kleinen Verhältnissen

kommend, krowodisch erfahren, minderheitsschlau aufwachsend in

Wien, in Floridsdorf, Bruckhaufen, rauer Gegend? Prolet ohne

Kult, aber lebenslänglich ein Linker, heißt helfend den Kleinen und

voller Verständnis für die Leute ganz unten? Viele, die

klein begannen, verloren den Kopf, den zu groß gewordenen.

Willi, du niemals. Warst immer da, warst immer die Stimme, die

Seele guter Proteste. In der Arena Du und

Lukas, dem sangst du beim Staatspreis zur Ehre krowodisch, wie mit der

Mutter beim Lichtermeer. Und wer wär gestanden da ungerührt

ohne die Träne im Auge? Niemand. So war’s oft dank dir und

deiner Stimme, gewärmt aus dem guten Glutkern in dir, Willi. Zu

predigen, das war nicht nötig. Hätte zu dir nicht gepasst. Du

warst es, moralisch, das hat genügt. Exempla trahunt,

sagten die Alten, die Beispiele ziehn, und gezogen hast du,

Zugpferd des Guten, genug. Das Integrationshaus wuchs dir

zu, es wuchs aus dir aus, du wurdest zum Haus, es behauste dein

Leben der Kampf für die Unbehausten bis zuletzt noch.


Ja, sagtest du, man muss ihnen helfen, denen die

flüchten aus der Ukraine, doch sind nicht mehr und nicht weniger

wert sie als andere. Dieser Sinn für Gerechtigkeit klang uns aus

allem, was du getan, gesprochen, gesungen. Gut klang er.

Nein, Musik ist nicht alles, aber alles ist nichts ohne sie. Das

Wunder in Klänge zu wandeln und Klanggewänder zu wechseln und

immer dabei du selber zu bleiben, das hast du geschenkt uns

Abend für Abend. Wer mit dir auftrat – ich durfte ein paarmal – den

nahmst unterm Arm du, nie auf den Arm!, und führtest ihn sicher.

Helfer warst du, ein großer. Jetzt stehn wir da und schaun hilflos.

Allzu jäh gingst du von uns, Willi, und jede Minute die

Lücke wird größer und nimmer wird sie sich schließen. So ist der

Schmerz um die Großen. Adieu, | Willi Resetarits.

Wenigstens in ein paar Zeilen noch nehme ich fast das (dir als

Musiker wär es ja Pflicht) | rechte elegische Maß.


Geh aber nun und begegne dem Charon mit herzhaftem „Grüssi!“

Früher Genosse vielleicht, | grüße ihn bitte von mir.

Komme erst später. Erinn’re ihn daran, was du einst uns empfohlen.

„Grüssi Herr Charon, da war | unter der Zunge die Münz’.

Dunkel hier. Trotzdem loss I, wenn’s recht ist, mir nix gfoin do.“

Kappe keck auf dem Haupt, | stimm ich euch an für die Fahrt,

letztmalig, eines: „Abarakadabara…“, denn

bootmäßig samma zwar gleich, | unbotmäßig bleib ich.


Maßlos ist sie, die Trauer, doch eines vergessen wir Trauernden

nicht: es bleiben von dir | Stimme und Freude doch uns.

 


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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