Resistentia minor. Elegie auf Josef Ramaseder
Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 704
Abonnieren Sie Armin Thurnhers Seuchenkolumne:
Josef Ramaseder! Wir kannten uns lange. Freund von
Freunden. Falter-Gründung, da warst du, schlaksig, groß und mit
riesigen Händen, einem freundlichen Lächeln im übergroßen
Antlitz, Augen, alles groß, und die Kleidung merkwürdig
altmodisch modisch zugleich, und das Lächeln verlegen über den
Spruch, diesen frechen, der dir soeben entkommen. Hast du das
wirklich gesagt? Ja, manchmal schien mir, du warst dir selber nicht
sicher. Siegfried hießest du übrigens damals, das kam dir
gar nicht zupass. Du nanntest dich Josef, mit sehr langem O, und
darauf hast du bestanden. Das bübische „Ramses“ galt dir für
nichts. Medizinstudent, Adresse: Rokitansky-
Gasse, ein Großer des Fachs, wie du wusstest. Studieren sah man dich
nie, und doch hast du jede Prüfung gemeistert mit „sehr gut“.
Rudi Molacek: Josef Ramaseder, 1994, NYC
Genialisch, den Eindruck konnte von sich man nicht weisen, dein
listig-bäurischer Charme schien das noch einmal zu betonen.
Mühe machte das Studium allen, nur dir nicht. Dir aber
ging es um Kunst. Daher auch dein Interesse am Falter.
Josef Ramaseder: Cover für Falter 10/1977
Nie jedoch schriebst du darüber, spartest auch recht mit eigenen
Werken. Ein Cover gab es, zum Thema Krebs, so gefällt’s der
Bizarrerie unsres Schicksals. Damals ging’s gegen Atomkraft, am
Ende holt’ dich der Lungenkrebs. Du wusstest Bescheid, als
Arzt, der du warst, hinterließest die Angelegenheiten in
Ordnung, hattest mehr Zeit dafür als du dir selber
zugemessen, Monate acht, besorgtest noch Pilze für neue
Sporenbilder, und schlossest ab die Ausstellung, letztmals.
Josef, wie frisch war die Welt, als wir beide uns kannten!
Fußball, durch Zufall kam es heraus, du spieltest bei VÖEST in der
Jugend, warst Meister sogar, da warst schon gekapert für unseren
Unterligaverein. Ein paarmal kickten gemeinsam dort
wir. Deine großen Schuhe, dein großer Körper, ungeschlacht
torgierig warst du und unverlegen beim Spiel, erst danach kam die
Scheu, die alte, die listige, wieder zum Vorschein. An ein frühes
Kunstwerk erinnere ich mich, für den Falter zu Weihnachten. Vorn drauf war
Lenin mit Kindern unter dem Baum (das schlechtestverkaufte
Cover aller Zeiten) und drinnen auf Seite zwei ein
zartes Bäumchen aus lauter Schamhaaren, liebevoll aufgelegt
auf den Kopierer. Als du es brachtest, das Blatt, da strahlt’ es, „your
roundy face“. Und mir schenktest du einen Holzschnitt, mit Unschulds-
Miene gegeben. Er zeigte Ulrike Marie, die Meinhof.
So etwas hängte man sich nicht ungestraft an die Wand. Ich
tat es, nicht aus politischen Gründen, wegen der Trauer in
ihrem Gesicht und weil es von dir war, eine Erinnerung.
Julian Schnabel, Portrait of Josef Ramaseder, 1983
Bald danach gingst du fort, nach New York, wo du die große
Laufbahn versuchtest. Zwar glänzend fing’s an, bei Julian Schnabel warst
Schammes du (oder Assistant), aber Assistance zum Ruhm, die gab’s
nicht. Was es gab, war das gruftige Loch auf der Westside, in dem du
aushieltest, Wohnung halb, halb Atelier, der Blues sub terra samt
Substandard, wie für Manhattan gehörig. Ausstellungen gab’s wohl
ehrenvolle, zehn Jahre Abenteuer und durchaus ein
Name, den du dir machtest. Von dem was du maltest, sprachst nun mit
Ernst du und mit Nachdruck. Wenig war da von der alten
Ironie. „Enkaustik“ nennen Ästhetinnen, was du zu
deinem Malprozess machtest, Wachs übers Bild und dieses mit
Feuer gelöst, ein Brandmal des Sehens hätt’ ich als Laie
rasch es genannt, aber du warst lang schon wie alle wichtigen
Maler im Widerstreit mit der eigenen Geste. Schönes zum
Vorschein zu bringen ist nur noch möglich, machen wir dabei dem
Malprozess den Prozess. So sagt man. Ich war nicht dabei, und
kenn deine Kunst aus Berichten, aus deinen und aus den versierten
Schriften von Kennerinnen. Der Markt, auf den alles ankommt, den
hast du wohl nicht bezwungen. Nichtsdestotrotz gilt deine
Kunst als bedeutend; wir hätten wohl gut uns gefunden bei deinen
„Teletext-Bildern“. Schrift, das versteh ich auf Anhieb. SLEEP WELL,
MISTER PROCRUSTES, ein Text, der sich drängt an die Ränder, Schrift als ein
Bild, das mag ich. Schön die Idee deiner Sporenbilder, in
denen gewisse Pilzsporen selbsttätig fortwachsen, zart sich
emanzipierend vom Schöpfer.
Der ist nun nicht mehr bei uns, zu
jung gegangen, der Kunst-Arzt, einer von vielen Künstler-
Ärzten, ich denke an Benn und euer beider Zug zum
Leid. Als Junge sprachen wir manchmal über das Ende.
Locus minoris resistentiae, dieses Wort mir
mitzuteilen, machte dir ein Vergnügen. Es meint den
Ort, an dem der Tod in uns eintritt. Durch die Lunge
hat er nun dich betreten, Josef. Dein Atem fort. In der
Kunst, die du uns gelassen, wachsen weiter die Sporen.
Josef Ramaseder O.T. (Sporenbild, Ausschnitt) 2014
Josef Ramaseder, 12.2.1956 – 23.3.2022
Mein Dank für Hinweise und Hilfe an:
Albrecht Grossberger
Pia Müller-Tamm
Walter Prieschl
Thomas Stelzer
Otto Tremetzberger
Abbildungen (bis auf das Falter-Cover) aus
Josef Ramaseder: HOW ARE YOU? © SCHLEEBRÜGGE.EDITOR 2015
Distance, hands, masks, be considerate!
Ihr Armin Thurnher