Sobotka? Was soll man über den noch sagen?

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 691

Armin Thurnher
am 31.03.2022

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Was soll man über Österreichs größtes lebendes Antipathie-Mahnmal noch schreiben? Was soll ich schreiben, der ich glaube, über dieses alles geschrieben zu haben, und alles an diesem Monument der Unzumutbarkeit abgleiten sehe? Soll ich die Zweizeiler Revue passieren lassen, die seit bald zwei Jahren jeden neuen Tag begrüßen und sei einiger Zeit von einem wachsenden Reimkonzert Gleichgesinnter ihr Echo erhalten, sodass an manchen Tagen etwa zehn Gedichte gegen diesen Menschen erscheinen, zusammen bisher gewiss mehr als 5000?

Wer vermöchte es, sich diese poetische Riesenlast den Buckel hinunterrutschen zu lassen, als wäre es „die dreieckige Masse Siziliens“, wie das der griechische Dichter Kallimachos ausdrückte? Wer vermöchte dem allem standzuhalten mit einem Grinsen, das einem Schuldbekenntnis gleichkommt und im gleichen Moment einen Aberwitz an Unverschämtheit ausdrückt, den entfesselten Übermut eines Menschen, der sein Publikum wissen lässt, dass er sich für über alles, wirklich alles erhaben hält?

Wer vermöchte seine eigenen Worte in der Zeitung zu lesen, diesen im Regelfall unentwirrbaren Wust aus Sobotkinesisch, der oft genug nicht einmal das Gegenteil dessen besagt, was er sagen wollte, sondern einfach irgend etwas; der den hellen, frechen Wahnsinn aus sich sprechen hört und glaubt, es sei der Inbegriff der Vernunft, geäußert nicht von einem außer Kontrolle geratenen Musiklehrer, sondern von einem kristallklar artikulierenden Kulturmenschen? Wer möchte da nicht vor Scham in der Erde versinken? Dieser nicht. Im Gegenteil, der sonnt sich auf dem imaginären Podest seines knochenharten Narzissmus.

Wer vermöchte vor solcher öffentlich sichtbarer Unvereinbarkeit von Tatbestand und Wahrnehmung den Verstand behalten?

Und: Wer vermöchte dem parteiischsten Nationalratspräsidenten der Zweiten Republik in den Arm zu fallen, der sein Amt nicht nur durch seine Person und sein Benehmen herabwürdigt, sondern eine Art ostentatives Pülchertum an den Tag legt, das Mitabgeordnete etwas so anredet: „Wos wüstn scho wieda?“

Wer vermöchte diesem Choleriker, dessen Bild mit dem zornesroten Plutzer zur Ikone der Unbeherrschtheit wurde, etwas über die mäßigende Aufgabe zivilisierter und zivilisierender Amtsführung in diesem Hohen Haus beizubringen, das er durch sein Verhalten täglich neu erniedrigt?

Wer vermöchte ihm zu erklären, dass Korruption kein erfreuliches und durchaus übliches Gegengeschäft, dass die freie Presse kein auf Sankt Pölten vereidigter Dienstleister und ein Sozialdemokrat kein Rotes Gfries ist?

Wer vermöchte diesem Bramarbaseur klarzumachen, dass er in jeder Sekunde fehl am Platz ist, wenn er versucht, eine repräsentierende Rolle einzunehmen, gleich ob er sich von Hindunationalisten Blumenkränze umhängen lässt oder ob er die Ukraine mit dem von Hitler annektierten Österreich vergleicht?

Wer vermöchte ihm klarzumachen, dass es wurscht ist, ob er dann eine seiner Peinlichkeiten zurückzieht, wenn er sich nicht gänzlich selbst zurückzieht?

Wer vermöchte ihm die Unmöglichkeit eines zum Gebet im Nationalrat aufrufenden, die Peinlichkeit eines mit seiner Bürolosigkeit angebenden, die feile Niedrigkeit eines mit Wolfgang Fellner in dessen „TV“ feixend Einverständnis signalisierenden Nationalratspräsidenten klarzumachen?

Wer vermöchte diesem Büttel zu verdeutlichen, dass er schon als Minister Destructivus im Kabinett Kern, seinen eigenen Vizekanzler Mitterlehner im Dienste der Herren Pröll und Kurz sabotierend, jeden Anspruch verwirkt hat, auch nur einen Hauch von Anstand beanspruchen zu können? Dass es dazu nicht der peinlichen , aber erfolgreichen Versuche als Vorsitzender im Ibiza-Ausschuss bedurft hätte, den Sebastian Kurz & Co befragenden Abgeordneten durch Verfahrenstricks die Fragezeit zu stehlen? Solcherart sich als Anwalt der Auskunftspersonen profilierend, die Arbeit des eigenen Ausschusses derart sabotierend, dass dafür das Wort „Sobotage“ in Schwang kam?

Wer vermöchte diesem Menschen beizubringen, dass „befangen“ in juristischer Auffassung ist, wer nur den Anschein von Befangenheit erweckt, und dass es nicht an dem ist, auf den dieser Anschein fällt, ihn einfach wegzuleugnen? Dass vielmehr der, auf den ein solcher Anschein fällt, und der fiel mit der Präsidentschaft des von Novomatic mitfinanzierten Alois-Mock-Instituts pechschwarz auf Herrn Sobotka, dass es an dem ist, sich für befangen zu erklären und die Leitung des Ausschusses aufzugeben?

Wer vermöchte so einem nun endlich klarzumachen, dass man keinen Untersuchungsausschuss leiten kann, wenn die Justiz tatsächlich gegen einen ermittelt?


Ich nicht.

Auch sonst niemand, fürchte ich.

Und die österreichische Öffentlichkeit, die nicht unüberhörbar laut in den Chor dieser hier nur kursorisch und unvollständig zusammengestellten Befunde einstimmt, schon gar nicht.

So kommt es, dass diese Ungestalt im Amt des Nationalratspräsidenten uns noch immer erhalten ist, als Mahnmal des Verfalls aller politischen Sitten, als Fragezeichen an der Spitze einer Demokratie, die, wenn sie solche Erscheinungen nicht ohne ein juristisches Strafverfahren ins Privatleben zurückzuschicken imstande ist, ihre Überlebensfähigkeit selbst in Frage stellt.

Herr Sobotka, treten Sie endlich und unverzüglich von allen Ämtern zurück!


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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