Das komplizierte Ringen um eine Covid-Immunität

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 690

Armin Thurnher
am 30.03.2022

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Diesmal gibt uns Epidemiologe Robert Zangerle Einblick, wie er zu seinen Entscheidungen kommt. Etwa zu der, sich vor dem Sommer eine zweite Booster-Impfung zu holen. Er erklärt, was dafür spricht, was es an Untersuchungen dazu gibt, und was wissenschaftlich sonst so im Gang ist, um die Immunität gegen Covid zu verbessern A. T.

»Im Februar noch war ich mir sicher, dass die 3 Impfungen (2x Pfizer/BioNTech und einmal Moderna mit 100 µg) in optimierten Abständen (4 Wochen und exakt 6 Monate) mich mit ausreichend T Zellen und Memory B Zellen für einen langen Schutz vor schwerer Erkrankung gerüstet hätten. Deshalb dachte ich für eine 4. Impfung erst an den Herbst. Was hat mich bewegt, mir letzten Samstag nach 5,5 Monaten doch eine 4. Impfung verabreichen zu lassen?

  1. In meinem Umfeld haben sich in den letzten Wochen doch einige Leute mit der Omikron Variante infiziert. Die haben mir schnöde mitgeteilt, dass auch die Queen und andere Promis sich gerade infiziert haben, um mir so durch die Blume mitzuteilen, dass ich inzwischen zum noch nicht infizierten Coronapöbel gehöre. Gut, Diskriminierung war ich schon von HIV her gewohnt, aber nach und nach dämmerte mir, die sind alle dreifach geimpft und nach Monaten holten sie sich eine Infektion mit der Omikron Variante und symptomatisch waren sie auch, also sicher mit einer Reaktion des Immunsystems. Für 3x Geimpfte wirkt eine Infektion mit der Omikronvarinate wie ein „Booster“ mit einem angepassten Impfstoff. Sie brauchen deshalb keine 4. Impfung und haben jetzt eine „breitere“ Immunantwort, oder eine „Superimmunität“, wie Florian Krammer das bezeichnete. Das will ich auch. Aber nicht in weiter Ferne. Aus einer Studie bei Makaken wusste ich, dass dies auch möglich sein könnte, wenn man sich mit der Impfung gegen das Ursprungsvirus „auffrischt“, weil das gleich gut wirkt wie die „Auffrischung“ durch einen auf Omikron angepassten Impfstoff  (Details siehe weiter unten). Dass ich kein Makake bin, ist jetzt nicht von Interesse.

  2. Die Wahrscheinlichkeit, mich bis zum Herbst (also vor der 4. Impfung) anzustecken schätze ich sehr hoch ein, nicht so wie Mathematiker in Österreich, die ab Mitte Mai neue Infektionen gegen Null sehen. Als pensionierter Kliniker habe ich „Null“ immer als recht wenig angesehen, aber zur genauen Beurteilung einer Null fehlt mir die Ausbildung. Tatsächlich teilen einige „Experten“ meine Meinung (paywall), dass Öffnungsschritte die Fallzahlen hochtreiben. Die dadurch entstehende Immunität treibt sie wieder runter, das allmähliche Nachlassen des Immunschutzes treibt sie wieder hoch, das wärmere Wetter treibt sie runter. Deshalb kehren wir nicht mehr zu dem Punkt zurück, an dem wir im Frühsommer 2021 waren, als die Fälle sehr, sehr niedrig waren (Adam Kucharski). Im Unterschied zu den anderen Atemwegsinfekten werde das Virus im Sommer vorerst nicht verschwinden, auch nicht aus den Spitälern (Christian Althaus). Auch Christian Drosten sieht das so, zum Sommer hin „wird das Geschehen abgemildert sein. Aber es wird auch nicht komplett stoppen wie im letzten Jahr.“ Also je nach Infektionsgeschehen mitten im Sommer impfen? Nein, das will ich auch nicht. Wäre ich so für Herbst oder Winter gut gerüstet?

  3. Eine solche Situation war für mich vergleichbar mit der Grippeimpfung: Erstens habe ich, unter scharfer Beobachtung der Influenzaaktivität, hier  und hier, versucht, mich später zu impfen (Ende November), um möglichst gut für eine heftige Welle später im Winter gewappnet zu sein. Zweitens habe ich mich gegen Grippe geimpft (stimmt grammatikalisch!), nicht weil ich mich fürchtete, an der Grippe zu sterben, sondern weil es nicht angenehm ist, eine Woche mit starken Symptomen im Bett zu liegen. Die Schilderungen aus meinem Umfeld (sehr sportlich und zwischen 55 und 70 Jahre alt) zu Covid durch die Omikron Variante (und 3x geimpft) gingen in eine solche Richtung, eine ganze Woche war niemand im Bett. Skitouren wurden um etwa 14 Tage verschoben. Die lassen sich nichts sagen, wo doch frühestens Tag 17 in Betracht käme.

  4. Studien, die mich überzeugten? Bei der Anmeldung zur Impfung am 3. März lag nicht viel vor, zwei Berichte aus Israel, damals noch nicht begutachtet. Eine der beiden Studien bei Gesundheitspersonal vom Sheba Medical Center war sehr klein (154 Probanden mit Pfizer/BioNTech und 120 mit Moderna, die jeweilige Kontrollgruppen, 308 und 239 Probanden), sodass sie deshalb ungeeignet war, klinische Wirksamkeit überhaupt valide zu überprüfen, andererseits aber zeigte sie einen klaren Anstieg an Antikörpern, wenn auch die Beobachtungdauer kurz war. Die zweite Arbeit mit Daten des israelischen Gesundheitsministeriums präsentierte eine Art Schnappschussaufnahme von Ende Jänner (12-tägige Periode), in der sowohl Infektionen mit SARS-CoV-2 (Omikron höchst wahrscheinlich) und schwere Erkrankungen nach einer vierten Impfung weniger häufig als nach 3 Impfungen auftraten, und zwar halb so oft bzw. vierfach seltener. Mehr davon unten. Sagen wir mal so, diese Daten hielten mich vor der 4. Impfung nicht ab.

  5. Anfang April begebe ich mich ich nach 2 Jahren wieder ins Schwimmtrainingslager im südlichen Ausland. Da könnte ein vorübergehender Infektionsschutz durchaus motivierend sein. Weiß schon, das ist ein wenig naiv bis dümmlich. Aber zu behaupten, dass die Impfungen nur vor schwerer Erkrankung und nicht vor Infektion schützen ist gesichert falsch, wenn man will, auch dumm. Da spielt das jeweilige Expositionsrisiko doch auch eine wesentliche Rolle.

  6. Ob ich mir mit der 4. Impfung geschadet habe? Solide Berechnungen zur Gegenüberstellung vom Nutzen einer 4. Impfung gegenüber unerwünschten Nebenwirkungen durch die 4. Impfung fehlen. Persönlich sehe ich praktisch nur den Nutzen. Am Tag nach der 4. Impfung hatte ich leichte Muskelschmerzen und ein bisschen mehr um die Einstichstelle. So what?

  7. Bedenken zu einer möglichen Erschöpfung des Immunsystems durch eine 4. Impfung sind von Marco Cavaleri von der Europäischen Arzneimittel-Agentur ins Spiel gebracht worden, das wird von vielen Experten entkräftet, so z.B. Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie: „Man müsste schon einige Male hintereinander im Abstand von nur wenigen Monaten boostern, bis eine Erschöpfung einsetzt. Mit einer vierten Dosis macht man erst einmal nichts kaputt“. Marco Cavaleri ist Pharmakologe und nicht Immunologe und hat mit seiner Aussage das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Jetzt geht es vorerst darum, ob der „vulnerablere“ Teil der „Geboosterten“ (die mit der 3. Impfung) 2022 ein- oder zweimal geimpft werden sollte.

Zu letzterem Einwand möchte ich anhand der schon erwähnten Studie bei Makaken ein wenig ins Detail gehen. Makaken wurden zweimal im Abstand von vier Wochen mit dem Impfstoff von Moderna geimpft und 41 Wochen später erhielt eine Gruppe die 3. Impfung mit demselben Impfstoff, während die Vergleichsgruppe die 3. Impfung mit einem an Omikron angepassten Impfstoff erhielt. Tests auf neutralisierende Antikörperspiegel, B-Zell-Expansion und Reaktion auf einen Infektionsversuch („Challenge“) mit der Omikron-Variante zeigten, dass es keinen Unterschied zwischen den beiden Gruppen gab. In vielen Medien wurde das fälschlich als Misserfolg des angepassten Impfstoffs kolportiert. Die Makaken zeigten während des neunmonatigen Intervalls bis zur 3. Impfung abnehmende Antikörpertiter, und beide 3. Impfungen brachten diese wieder sehr stark nach oben (und tatsächlich auf höhere Werte als je zuvor). Obwohl sich Omikron sehr von der Ursprungsvariante unterscheidet (um die 50 Mutationen!) wurden Antikörper mit sehr ähnlichen Spezifitäten für die Rezeptorbindungsdomäne des Hüllproteins („Spike“) gebildet.

Die Autoren glauben, dass dieses Verhalten höchstwahrscheinlich auf ein Phänomen zurückzuführen ist, das einprägsam als Antigenerbsünde („original antigen sin“) oder weniger mitreißend, aber korrekter als Antikörper-Imprinting bekannt ist. Es bedeutet, dass die erste Exposition einer Person gegenüber einem Virus oder Virusbestandteil (Impfung) sich spürbar auf ihre späteren Reaktionen auf ähnliche Viren auswirken. Dies lässt sich am einfachsten mit Grippeviren demonstrieren, die sich notorisch von Jahr zu Jahr innerhalb einiger großer Familien (Influenza A und B) ändern. Die erste Grippe, die wir als Kind bekommen, prägt uns, wie wir auf verschiedene spätere Varianten reagieren, aber es gilt zu betonen, dass dies sowohl eine robustere als auch eine weniger robustere Reaktion sein kann. Deshalb ist der Begriff der „Erbsünde“-Formulierung abzulehnen, weil sie so klingt, als ob es sich um eine Art irreparabler Wunde handelte. Natürlich besteht die Möglichkeit, dass die Wirksamkeit von „Auffrischimpfungen“ in Zukunft noch weniger vorhersehbar und effektiv sein könnte. Abstände zwischen den Impfungen spielen vermutlich eine wichtige Rolle, es gibt dazu aber wenig Zuverlässiges.

Zurück zur Wirksamkeit der 4. Impfung: Inzwischen sind vier Arbeiten zur Wirksamkeit der 4. Impfung erschienen, eine, die oben schon erwähnte Studie bei Gesundheitspersonal vom Sheba Medical Center, ist inzwischen begutachtet. Ein Vergleich der Antikörperkonzentrationen in den Wochen folgend der vierten Impfung (folgende Grafik oben, IgG Titers) mit den Konzentrationen unmittelbar nach der 3. Impfung zeigt keinen Unterschied, während die höchsten Konzentrationen nach der 3. Impfung deutlich über dem Maximalwert nach der 2. Impfung lagen. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass mit den jetzigen Impfstoffen die maximale Immunogenität von mRNA-Impfstoffen nach drei Impfungen erreicht wird und dass die Antikörperspiegel durch eine vierte Impfung wiederhergestellt werden können. Ganz analog die Ergebnisse bei den Neutralisationstests, beide Impfstoffe induzierten eine Zunahme der Neutralisierung der Omikron-Variante und anderer Varianten etwa durch den Faktor 10 (Grafikmitte, Live Virus Neutralisation Efficacy), ähnlich wie die Maximalreaktion nach der dritten Impfung (Daten nicht in der Grafik).

Aufgrund der extrem hohen Infektionshäufigkeit während der Studienperiode und der sorgfältigen aktiven Überwachung mit wöchentlichen SARS-CoV-2-PCR Tests konnte auch die Wirksamkeit der Impfstoffe gegenüber einer Infektion mit SARS-CoV-2 angeschaut werden. Es wurde eine geringe Wirksamkeit des Impfstoffs gegen Infektionen innerhalb der wenigen Wochen der Beobachtung gefunden (Grafik unten). Die meisten Infizierten berichteten von vernachlässigbaren Symptomen, sowohl in beiden Kontrollgruppen und beiden Interventionsgruppen. Die meisten der infizierten Teilnehmer wiesen eine relativ hohe Viruslast auf, also möglicherweise ansteckend. Daher kann eine vierte Impfung gesunder junger Gesundheitsfachkräfte nur marginale Vorteile haben. Ältere und gefährdete Bevölkerungsgruppen wurden nicht bewertet. Innerhalb der breiten Konfidenzintervalle der Berechnungen betrug die Wirksamkeit des Impfstoffs gegen symptomatische Erkrankungen jedoch höchstens 65 %, letztlich ist die Studie zu klein um eine genaue Bestimmung der Impfstoffwirksamkeit zu ermöglichen. Die 4. Impfung wurde gut vertragen.

Vergangene Woche sind zwei weitere Arbeiten über die 4. Impfung in Israel erschienen. Sie stammen von zwei der vier Krankenkassen (Kupot Holim), nämlich Clalit (versorgt etwa die Hälfte der Bevölkerung) und Maccabi. Zuerst ganz kurz zur Arbeit von Sivan Gazit et al, wobei an die 100 000 Maccabi-Mitglieder ab 60 Jahren untersucht wurden, Voraussetzung mindestens ein PCR Test 7 Tage nach Studienbeginn. Eine vierte Dosis bot einen erheblichen zusätzlichen Schutz gegen beide Endpunkte, SARS-CoV-2 Infektion und schwere Krankheit (definiert als Krankenhausaufenthalt oder Tod) im Vergleich zu drei Impfungen. Die Wirksamkeit der 4. Impfung gegen schwere Erkrankung im Vergleich zur 3. Impfung (das muss immer wieder betont werden!) blieb, während die Wirksamkeit gegen Infektionen variierte. Sie erreichte den Maximalwert in der dritten Woche mit 64 % und nahm bis zum Ende der Beobachtungszeit auf 29,2 % ab. Die Autoren folgerten deshalb, dass die Wirksamkeit der vierten Dosis gegen Infektionen früher als bei der 3. Impfung nachlässt. Klingt plausibel und könnte natürlich auch zutreffen, aber ein Studiendesign, das lediglich einen einzigen PCR Test verlangt, ist nicht gut geeignet, diese Frage zu beantworten. Mehrmals wurde hier festgestellt, dass sich solche Fragestellungen fast nur bei Gesundheitspersonal untersuchen lassen, weil dieses leichter systematisch getestet werden kann. Abschließend zu dieser Studie: wie so oft mit Kommunikation klinischer Studien muss auch hier darauf hingewiesen werden, dass die Wirksamkeit (die Reduktion des Auftretens von schwerer Erkrankung) als relatives Risiko gemessen wurde. Schwere Erkrankungen waren in dieser Studie nämlich relativ selten zu beobachten, sie machten weniger als 1 % aus, sowohl nach der vierten als auch der dritten Impfung.

Die vierte Studie zur Wirksamkeit einer 4. Impfung, ebenfalls aus Israel, ist eine retrospektive Kohorten-Studie, die im Prinzip alle Mitglieder der Clalit Krankenkasse im Alter von 60 bis 100 Jahren umfasste. Endpunkt der Studie mit 560 000 Teilnehmern war Sterblichkeit aufgrund von Covid, verglichen wurde mit Personen, die nur eine 3. Impfung erhielten. Während der Studie starben 92 Personen mit einer 4. Impfung und 232 mit einer 3. Impfung an Covid, was eine adjustierte Hazard Ratio für den Tod durch Covid für die Empfänger einer 4. Impfung von 0,22 (95 % Konfidenzintervall: 0,17-0,28) ergab. Die Hazard Ratio entspricht dem Verhältnis der Hazard Raten (hier Tod, dem Risiko) zweier Gruppen, eine Hazard Ratio = 1 bedeutet, dass es keinen Unterschied zwischen zwei Gruppen gibt. Hier gibt sie an, um wie viel die Sterberate in der einen Gruppe höher ist im Vergleich zu der Sterberate der anderen Gruppe. Ein Wert unter 1 ist also eine Reduktion, 0,22 entspricht eine Reduzierung des Risikos um 78% mit einer 4. Impfung (Second Booster), wiederum im Vergleich zu 3. Impfung (First Booster), das macht die Beurteilung noch einmal schwerer. In der nächsten Grafik ist die kumulative Sterblichkeitsrate über die 40-tägige Beobachtungszeit aufgetragen. Solche Kurven sind oft nicht trivial zu lesen, hier aber trügt der erste Eindruck nicht, diese Kurve ist also ausnahmsweise leicht zu lesen.

Die nachfolgende Tabelle zeigt, dass ultraorthodoxe Juden, Menschen höheren Alters, männlichen Geschlechts, chronischer Herzinsuffizienz, chronisch obstruktive Lungenerkrankung und mit Diabetes unabhängig voneinander ein signifikant erhöhtes Risiko für Tod durch Covid hatten. („Second Booster“ = 4. Impfung.)

Alle Studien zur 4. Impfung waren Observationsstudien, die anfällig für Verzerrungen sind. „Confounding“ ist die Verzerrung durch eine Störgröße, wenn der Endpunkt A (hier der Tod) nicht (mono)kausal mit der Größe B (3. oder 4. Impfung) zusammenhängt, sondern durch eine dritte Größe C (den sogenannten Confounder) mitverursacht wird. Es könnte nur durch Randomisierung vermieden werden. „Randomisiert“ bedeutet: nach dem Zufallsprinzip den zu vergleichenden Gruppen zugeteilt (Beispiel: geimpft vs. ungeimpft). In einer randomisierten kontrollierten Studie werden die Teilnehmenden per Zufall den unterschiedlichen Gruppen zugeordnet.

Das ist im Falle einer 4. Impfung für zeitgerechte Ergebnisse praktisch kaum durchzuführen und stellt zudem fast unüberwindliche ethische Hürden. Die signifikanten Ergebnisse der Clalit Studie zur 4. Impfung sind jedoch eine wichtige Hilfe zur Einschätzung von schwerwiegenden Folgen durch Covid. Studien mit längerfristiger Beobachtung sind jedoch unverzichtbar, um die Dauerhaftigkeit der Wirksamkeit und auch der Sicherheit einer 4. Impfung zu gewährleisten. Und entscheidender wären weitere Erst-, Zweit und Drittimpfungen. Aber man könnte das eine tun, ohne das andere zu lassen.

Das Beratungskomitee zu Impfungen (VRBPAC) der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA wird am 6. April in öffentlicher Sitzung zusammentreten, um Überlegungen zur Verwendung von Covid Auffrischungsimpfungen und zum Verfahren zur Auswahl von Covid Impfstoffen zu erörtern, um aktuelle und neu entstehende Varianten zu berücksichtigen. Da gab es aber gestern eine Überraschung, weil nämlich die FDA, aufgrund einer Direktive des Weißen Hauses, eine 4. Impfung für alle 50-Jährigen und Älteren freigegeben hat, ohne sich mit dem VRBPAC darüber beraten zu haben. Man spricht von einer „permissive recommendation“, was am ehesten als großzügiges Angebot, aber nicht als rigide offizielle Empfehlung zu Verstehen ist.

Einige Impfexperten in den USA finden, dass noch nicht genügend wissenschaftliche Erkenntnisse zur Verfügung standen, um eine solche Entscheidung zu stützen. Das ist in vielen anderen Ländern auch so, weshalb es erst wenige Staaten gibt, die Regeln herausgegeben haben. Am weitesten gediehen sind die 4. Impfungen in Israel und Chile. In vielen Ländern ist mit 4. Impfungen begonnen worden, ohne dass es dazu öffentlich leicht zugängliche Vorgaben gibt. In der Tabelle ist eine kleine willkürliche Auswahl zu finden:

Noch sind die neuen Anwendungsempfehlungen des nationalen Impfgremiums nicht veröffentlicht worden. Man kann also nicht sehen, ob bei einem Wunsch aus individuellen Gründen eine zweite Auffrischimpfung einfach möglich sein sollte. Und dass beim Abstand von 6 Monaten zur 3. Impfung ein Spielraum toleriert würde. Es braucht pragmatische, nicht dogmatische Richtlinien.

Wir leben in einer prekären Balance, die durch mehrfache „mRNA-Booster“ gehalten zu werden scheint, um die Fallzahl von Covid „überschaubar“ zu halten. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass dies nicht nachhaltig sein könnte und dass eine Strategie, die einfach aus ewigen Boostern besteht, möglicherweise nicht zweckmäßig ist. In einem kürzlich in der Zeitschrift Science veröffentlichten Artikel wurde die schützende (protektive) Immunität zwischen Personen verglichen, die in der ersten Welle mit dem ursprünglichen Stamm und in der zweiten Welle mit der Alpha-Variante infiziert wurden. Bei Personen, die in der zweiten Welle infiziert wurden und zwei Impfdosen erhielten, führte dies zu geringeren schützenden (also neutralisierenden) Antikörpern gegen die ursprüngliche Wuhan- und Beta-Variante, jedoch zu höherem Schutz gegen die Deltavariante. Angesichts der Anzahl von Impfstoffen und Virusvarianten sind solche Wechselwirkungen unvorhersehbar, werden aber bestimmen, wie unsere Immunität für zukünftige Wellen hält.

Das bedarf weiterer Untersuchungen und eines intelligenten Blicks in die Kristallkugel. Mehrere Ansätze müssen gesucht und evaluiert werden, dazu gehört die Fortführung der „Boosterimpfungen“. Andere haben sich darauf konzentriert, die Omikron-Variante ins Visier für Impfstoffe zu nehmen. Wiederum andere arbeiten an polyvalenten Impfstoffen („Universalimpfstoff“), die mehrere verschiedene Versionen des Hüllproteins („Spike“) einschließen, oder an cleveren strukturellen Ansätzen, um auf jene Teile des Spikes abzuzielen, die in allen vergangenen und zukünftigen Varianten gleich wären, und vielleicht sogar in jenen Coronaviren, die noch auf eine Übertragung von Fledermäusen und anderen Tieren warten. Es gibt auch Programme, die eine intranasale – Nasen – Impfung anstreben, um eine lokale Schleimhautimmunität zu erreichen, die die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Übertragung von SARS-CoV-2 an dieser Stelle insgesamt blockiert wird.« R. Z.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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