Federn lassen oder Federn führen? Frau Raab macht jetzt Medienpolitik.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 648

Armin Thurnher
am 09.02.2022

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Einer Presseaussendung der Medienministerin Susanne Raab entnehme ich, dass die Bundesregierung unter deren „Federführung“ von Mitte Februar an „Medienkonferenzen“ startet. Ist das eine gute Nachricht? Und was bedeutet das, Medienkonferenzen? Ich darf einmal mit einem Misstrauensvorschuss loslegen. „Die Bundesregierung startet ab 17. Februar ,Medienkonferenzen‘, bei denen sie in Arbeitssitzungen zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Medienbranche sowie mit Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Wirtschaft und Recht aktuelle medienpolitische Herausforderungen diskutiert.“ Das klingt ja ganz super, da fällt mir gleich Friedrich Heers Wort vom „Papierkorb Österreich“ ein. Wie oft habe allein ich an so etwas teilgenommen! Was wird dabei passieren, außer dass diejenigen beruhigt werden sollen, von denen schon jetzt feststeht, dass sie weiterhin zu kurz kommen werden? „Konkret soll, wie im Ministerratsvortrag vom 12. Jänner vereinbart, ein breit und transparent angelegter Prozess unter Federführung von Medienministerin Susanne Raab gestartet werden. In mehreren Sitzungen mit unterschiedlichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern soll ein Überblick über die aktuelle Situation in der österreichischen Medienpolitik gegeben sowie daraus mögliche Ableitungen und Empfehlungen erarbeitet werden.“ Ich darf hier vorgreifend anmerken: die Situation in der österreichischen Medienpolitik ist völlig klar. Sie ist auf kurzem Weg (har har) durch Korruption ersetzt worden. Ein Gespräch mit einem der Herren Trappel, Hausjell oder wie immer sie heißen, kann Ihnen die Problemlage in knapp 30 Minuten erläutern. Medienpolitik ist endemisch korrupt, gekennzeichnet durch die Interessen von Pfründnern, die nichts im Sinn haben, was mit medialem Gemeinwohl oder Öffentlichkeit zu tun haben könnte, sondern die nur ihre eigenen Schäfchen ins Trockene bringen wollen. Um das zu erkennen, brauche ich keine Konferenz. Diese Pfründner sind, wie Sie wissen, Frau Minister, auf politischer Seite vor allem die Türkisen, die nichts anderes wollen, als ihren Einfluss abzusichern, aber auch andersfarbige Regionalkaiser(innen), denen es um nichts anderes geht. Auf medialer Seite dreht sich fast alles um die Gier einzelner Akteure. Worauf, Frau Minister, liegen also Ihre Schwerpunkte? Sie wollen sich das alles einmal erst anhören, ein Bild machen, damit Sie sich auskennen, was? „Die Schwerpunkte liegen dabei auf der Neustrukturierung der Medienkooperationen durch die öffentliche Hand, der Medientransparenz, den Medienförderungen sowie der Stärkung des Medienstandorts Österreich.“ Bereits mehrfach habe ich davor gewarnt, die Neuordnung der Medienförderung bereits als Medienpolitik zu begreifen. Es geht vielmehr darum, einen Medienmarkt zu ordnen, und zwar so, dass die Vorteil der starken Marktteilnehmenden zugunsten der Schwächeren korrigiert werden. Den Medienmarkt nicht als besonderen Markt zu betrachten, verfehlt einmal schon das Ganze. Wo sind die Interessen des Publikums? Wo jene von Medienpädagogik? Wo jene der Forschung? Das Wort vom „Medienstandort Österreich“ legt nämlich den schlimmen Verdacht nahe, dass Ihnen der Doppelcharakter medialer Ware als kommerzielle und demokratiepolitische wurscht ist. Das unerträgliche Wort vom „Standort“ – was soll denn das heißen? Etwa, dass Sie Investitionen von großen Konzernen anziehen wollen? Private-Public-Partnerships mit den Big Four? Frau Ministerin, haben Sie verstanden, dass Europa in einem Handelskrieg mit den USA seit Jahren nur verliert, dass die Tech-Konzerne uns abzocken ohne Ende, dass unsere Verleger im großen und ganzen nichts anders tun können, als bei ihrem eigenen Abgezocktwerden mitzuspielen? Dass öffentlich-rechtliche Gegenpositionen EU-weit aufgebaut werden müssen, statt den ORF einerseits zum vorgeblichen Vorteil privater Konkurrenz zu behindern und ihn andererseits in fragwürdige Social-Media-Aktivitäten hineinzutreiben? Haben sie eine Ahnung, wie deren Algorithmen die Kommunikation einer Gesellschaft untergraben, verhunzen, zerstören – bis zur Abschaffung von Demokratie und der Zerstörung von Wahrheit als Basis gesellschaftlichen Gesprächs, wie wir es in den USA, aber auch im globalen Süden sehen? Wie wollen Sie es denn anlegen? Werden die Gespräche, diese ominösen Konferenzen so transparent sein, dass wir sie öffentlich mitverfolgen können? Läuft das wie eine Bundesliga-Konferenz auf Sky? Sind die Stakeholder aka Pfründner dazu bereit? Warum wählen Sie nicht die Form einer parlamentarischen Enquete, unter der Voraussetzung dass der Herr aus Waidhofen draußen bleibt? „Als Teil der Medienkonferenzen finden mehrere Arbeitsgespräche und ,working sessions‘ mit den unterschiedlichsten Stakeholder-Gruppen statt“ – verzeihen Sie, aber in meinen Ohren klingt das wie eine gefährliche Drohung. „Unter anderem wird es Termine mit den Mediensprechern aller Parteien, Expertinnen und Experten aus der Wissenschaft und Forschung, Unternehmen, die sich um die Aus- und Weiterbildung von Journalistinnen und Journalisten kümmern, sowie Runden mit Vertreterinnen und Vertretern von heimischen Print-, TV-, Radio-, Online- und Podcast-Unternehmen geben.“ Jaja, schon recht – und was ist das zentrale Anliegen? Medienministerin Susanne Raab: „…Im Mittelpunkt stehen die Neustrukturierung der Einschaltungen durch die öffentliche Hand auf der einen Seite sowie die Medienförderungen auf der anderen Seite. Klar ist jedenfalls: Es braucht Reformen in der heimischen Medienpolitik. Ich will den Medienstandort Österreich im digitalen Wettbewerb stärken. Ein objektiver und unabhängiger Journalismus in Österreich muss weiterhin möglich sein und die Pressefreiheit als oberstes Gut im Journalismus unantastbar bleiben.“ Das ist ja rührend, dass ein objektiver und unabhängiger Journalismus in Österreich weiterhin möglich sein muss. Noch stärker vertrauensbildend ist nur die beigepackte Wortmeldung der Koalitionspartnerin, der Klubobfrau der Grünen, Sigi Maurer. Schön, dass diese „den Konferenzen ebenfalls sehr zuversichtlich entgegen sieht“ und uns versichert: „Der Prozess ist sehr umfassend aufgesetzt und bildet das vielseitige medienpolitische Verständnis dieser Regierung ab. Von Print über Rundfunk, den Kommerziellen wie Nichtkommerziellen bis hin zu reinen Onlinemedien, Podcasts und Straßenzeitungen sollen alle Player der Branche sowie die Wissenschaft und Forschung einbezogen werden. Ich bin froh, dass diese Konferenzen in kürzester Zeit mit der neuen Medienministerin konzipiert werden konnten und damit dieser so wichtige Prozess eingeleitet wird.“

Sollte ich je zu einer solchen Konferenz eingeladen werden (wovon ich nicht ausgehe) bestehe ich auf einem Tisch, wie ihn Waldimir Putin bei seinen äußerst fruchtbaren und maximal transparenten politischen Konferenzen aufbietet. Schließlich geht es bei Medienfragen nicht um Frohsinn. Sondern um nicht mehr und nicht weniger als um Existenzfragen der Demokratie. Da darf man schon ein bisschen Distanz fordern. An potemkinschen Kulissen wird es gewiss nicht fehlen.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher @arminthurnher thurnher@falter.at

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