Entgiftung in einer Welt voll Gift – Fasten, die Zweite.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 635

Armin Thurnher
am 25.01.2022

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Es ist hart, in Zeiten zu fasten, da man gern eine üppige Staatsoperette über den aufgeregten Außenminister Schall- und Rauchenberg schreiben würde. Er soll aufpassen, sich nicht die Finger an den glühenden Drähten der Diplomatie zu verbrennen und nicht über die Rute zu stolpern, die er ins Fenster des Vorfelds stellt! Und dass wir uns nicht ins eigene Fleisch schneiden, wenn wir den anderen ins Fleisch schneiden. Wenn schon ORF-Korrespondent Christian Wehrschütz vergleichsweise wie die Stimme der Vernunft klingt, beginnt man sich am Kopf zu kratzen. Mit Metaphern werden wir den „Krieg gegen Putin“ nicht gewinnen. Wir können aber versuchen, ihn herbeizureden.


Fasten heißt nur, sich vorübergehend von der Welt abzusondern, man weiß, man kommt in sieben Tagen zurück. Zumindest habe ich das vor, wiewohl ich weiß, dass nach ein paar Tagen eine sogenannte Fasteneuphorie ausbrechen kann und man gar nicht mehr aufhören will, zu fasten. 40 Tage Fasten sind es bei den Auserwählten, zu denen ich mich nicht zähle. Ich befinde mich auch nicht in der Wüste. Außerdem wäre das ungesund. Jetzt muss ich noch den Seinesgleichen-Kommentar für den Falter zusammenbringen, da komme ich heute um die Berührung mit Klebrigem nicht herum. Sonst aber soll man beim Fasten soviel wie möglich vom Schmutz der Welt ausblenden, ruhen und sich erholen. Einerseits ist es, gerade am Anfang, nicht ohne Anstrengung, plötzlich auf Essen zu verzichten und zur Teetasse zu greifen, wenn man Hunger spürt. Andererseits ist erstaunlich, wie leicht es geht. Was ich aber unbedingt erwähnen muss: Don’t try it at home! Unfachgemäß ausgeführt, kann man damit mehr Schaden als Nutzen ausrichten. Einfach Drauflosfasten ohne Reinigung bringt nicht nur nichts, es kann sogar schaden. Auch medizinische Betreuung sollte zumindest greifbar sein, ein Check vor dem Fasten ist ebenfalls zu empfehlen. Ich habe wie gesagt das Privileg des Fachwissens im Haus. „Das Beste am Fasten nach Buchinger ist ja der enorme Energiegewinn und die einhergehende Klarheit im Kopf so ab dem 3. Tag. Es ist also mit literarischer Illumination noch vor dem Wochenende zu rechnen“, schrieb mir ein freundlicher Zeitgenosse auf Twitter. Stimmt. Und danke für all die guten Wünsche, aber vor die Illumination haben die Fastengötter die Entgiftung gesetzt. Die ist nicht ganz ohne. Gestern habe ich erzählt, wie das die Inder machen, also zumindest unsere Inder in Südkerala. Jeder hat von seiner Ayurvedakur anderes zu erzählen. Manchmal ist die Kommunikation dort nicht ganz einfach, vor allem, weil sie nicht gern Nein sagen (abgesehen davon, dass Kopfschütteln Ja bedeutet). Bis ich kapiert hätte, das sich auf freundliche Anfrage niemals einen zweiten Tisch in mein Zimmer bekommen würde, sondern nur das überaus freundliche Versprechen der Aufstellung dieses Tisches, vergingen einige tischlose Tage. Dann erwischte ich einen günstigen Augenblick, als Eigentümer, Chefmanager und Ashrammanager im Essensraum beisammensaßen. Ich ging zu ihnen und sagte mit sehr bestimmter Stimme, es sei nun endlich Zeit für den Tisch, ich brauche ihn jetzt, und dieser hier sollte es sein. Der Ausdruck auf dem Gesicht des außerordentlich geschmeidig-charmanten Ashrammanagers war trostlos, ich hatte ihn eines fortgesetzten Frage-Antwort-Spiel beraubt, aber ich bekam meinen Tisch. Die indische Art der Kommunikation setzte uns am Anfang ordentlich zu. Sei es, das wir nicht aufgepasst hatten, sei es, dass die Inder nicht deutlich gewesen oder einfach vergessen hatten es zu erwähnen, jedenfalls tranken wir während der Entgiftung zu wenig. Die Folgen waren grausam. Muskelschmerzen einer nicht gekannten Art, der ganze Körper schien sich zusammenzuziehen, an Schlaf war nicht zu denken. Ich konnte wenigstens noch liegen, schaffte es aber kaum, mich umdrehen. Jeder Millimeter Bewegung ein ziehender Ganzkörperschmerz. Irena konnte nicht einmal liegen, sie musste herumgehen, aber vorsichtig, um die Muskeln nicht anzuspannen. Mittlerweile wissen wir es besser und trinken während der Entgiftungsphase wie die Bösen. Und wie funktioniert die Entgiftung hier? Relativ pragmatisch-westlich. Irena rührt mir einen halben Liter Wasser mit Glaubersalz an, das trinke ich morgens innerhalb von 20 Minuten aus, die angebotenen Zitronenspalten zur Geschmacksneutralisierung brauchte ich nicht. Noch vor Mittag zeigt sich die Wirkung. Der Darm wird flott entleert.

Auch Blüten von diesem Weißdorn kommen in unseren Tee. Bald blüht er wieder. Foto © Irena Rosc

Zugleich trinken wir Kräutertee, dessen Zutaten wir vorsorglich (nicht nur für die Fastenkur) im vorigen Frühjahr gesammelt haben. Oder Tee von den vorzüglichen St. Georgener Bergkräutern in St. Leonhard/Forst (02756-29243) , die auf Wunsch auch persönliche Mischungen anfertigen. Die Teemenge pro Tag beträgt drei Liter. Auch Nahrung nehmen wir auf, allerdings in flüssiger Form. Darüber morgen mehr. Schon fällt der Schnee. Wir gehen hinaus, denn wer fastet, der muss sich bewegen.


Distance, hands, masks, be considerate! Ihr Armin Thurnher @arminthurnher thurnher@falter.at

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