Medienpolitik ist wurscht. Jetzt kommt die NÖMP.

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 628

Armin Thurnher
am 13.01.2022

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Die Medienpolitik ist nun bei der Ministerin Susanne Raab gelandet, einer der vielen in der Regierung verbliebenen Türkisen. Sie erhält somit Gelegenheit, sich als Weltmeisterin im medialen Herumeiern zu positionieren. Undenkbar, so eine Chance ungenützt zu lassen. Jetzt kommt NÖMP, die neue österreichische Medienpolitik.

Man könnte meinen, es ist völlig wurscht, was ein kleiner, gieriger, fetter Staat wie Österreich medienpolitisch tut.

Und wissen Sie was? Es ist völlig wurscht.

Andererseits ist es NIE wurscht, was IRGENDWER tut. Ich las einmal, würden in einer total korrupten und verkommenen Gesellschaft nur drei Gerechte leben, könnten diese drei das Heil jener Gesellschaft retten. Vielleicht, ich weiß es wirklich nicht mehr, war es auch die Anekdote, die Alliierten hätten lange Zeit von einer Bombardierung Freiburgs abgesehen, weil sie wussten, dort lebte der katholische Schriftsteller und Nazigegner Reinhold Schneider. Am Ende fielen zwar doch die Bomben, aber der Turm des Freiburger Münsters blieb stehen, wie von Schneider vorhergesagt.

Es ist also vielleicht doch nicht alles wurscht.

Deswegen möchte ich ein paar Dinge sagen, die sich die Ministerin Susanne Raab nicht zu sagen leisten kann oder will. Weil sie vom Thema keine Ahnung hat, weil sie dafür nicht qualifiziert ist, weil es sie kalt lässt, weil sie noch nicht darüber nachgedacht hat – was man jeweils daran erkennt, dass uns keine Äußerungen von ihr dazu bekannt sind.


Politik wird in Österreich von Interessenten gemacht. Das ist überall auf der Welt so. In manchen Bereichen versucht man da und dort den Anschein aufrechtzuerhalten, als bestünde Politik noch in der Ordnung und Gewichtung dieser Interessen.

In Österreich haben wir uns seit Jahrzehnten daran gewöhnt, dass die Medien den Preis ihrer Ordnung festlegen und ihn von der Politik öffentlich als Bakschisch einziehen. Ein korrupter Basar, wobei die Basar-Zuständigen von Fes bis Istanbul, von Bagdad bis Allahabad gegen diese Bezeichnung protestieren müssten.

Medien sind in Österreich vor allem ein Extraktionsgewerbe. Medienunternehmer zu sein, heißt ans Geld heranzukommen, auch und gerade ans öffentliche, zum Zweck der Mehrung des Familiensilbers der Verlegersippe.

Öffentliche Medien sind wiederum Extraktionstöpfe für die Politik: dort holt man sich Präsenz und Geltung, von den Bundesländerstudios bis zu Licht ins Dunkel.

Ohne die geringste Hoffnung, daran irgend etwas ändern zu können, möchte ich in aller Kürze andeuten, worum es ginge.


Medienpolitik schafft die Medienordnung eines Landes (sollte sie schaffen).

In der Medienordnung eines Landes entscheidet sich, wer mit welcher Glaubwürdigkeit spricht.

In der Demokratie sorgt Medienordnung dafür, dass zumindest glaubwürdige Reste öffentlicher Kommunikation erhalten bleiben.

Solche Reste überleben in Massengesellschaften vor allem (aber nicht nur) in Medien, in traditionellen und in Social Media.

Gerät die Medienordnung eines Landes aus der Balance, weil Interessen zu stark werden, gleich ob kommerzielle oder politische, gerät auch die Demokratie in Gefahr.

Warum?

Weil Kommunikationsordnung und Extraktionsordnung ständig im Streit miteinander stehen.

Die Kommunikationsordnung müsste so weit für Orientierung sorgen, dass das Publikum glaubwürdig Wahrheit von Unwahrheit unterscheiden kann.

Versagt Medienpolitik, indem sie es verfehlt, den Kommunikationsmarkt zu ordnen, behalten die Extraktionskräfte (vulgo Taschlzieher, vulgo landläufige Verleger) die Oberhand, und dann kommt die Demokratie selbst in Unordnung.


Was kann das bedeuten?

Das kann bedeuten, dass Medienpolitik verstehen sollte, dass sie es nicht nur mit einem Markt zu tun hat, sondern mit der Funktionsweise der Gesellschaft selbst.

Marktordnung ist Teil davon.

Bildung ist ein Teil davon.

Öffentlich-rechtliches Wesen ist ein Teil davon.

Und natürlich ist auch die Politik ein Teil davon.

Sie wird ihren Arsch nicht retten, indem sie ihn an die Taschlzieher verkauft. Wenngleich genau das geschieht, wenn Politiker und ja, Politikerinnen auch – wir sind ja keine Sexistinnnen hier, Frau Minister – ihren, also unseren Arsch verkaufen.


Ich höre schon wieder auf.

Obwohl ich eine Dissertation schreiben könnte.

Über Dissertationen reden wir ein andermal.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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