Krieg den Nichtshinkriegern, Friede den Hinkriegern!

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 618

Armin Thurnher
am 05.01.2022

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„bemerkenswert, wenn sich hier die versammelten nichtshinkrieger über ein genie wie Peter Thiel erheben und einen brillanten kopf wie Sebastian Kurz“ (Tweet von Ulf Poschardt, 30.12.2021)

Ich entschuldige mich bei allen Leserinnen und Lesern, denen die Poschardt-Thiel-Kurz-Chose bereits auf die Nerven geht. Aber ich war es meinen Nerven schuldig, sie noch schnell von dieser Last zu befreien, ehe die Heiligen Drei Könige kommen.

Leopold Kupelwieser, Die Reise der Heiligen Drei Könige, 1825 Österreichische Galerie Belvedere, Wien – Foto: Wikimedia Commons

Der Hinkrieger Ulf Poschardt, der über unsereinen sagt, wir seien „Nichtshinkrieger“, weil wir uns kritisch über das Überlaufen des Sebastian Kurz von der Demokratie zur Oligarchie zu äußern wagten, ist GF WELT, also Geschäftsführer der Welt, also, da es dort mehrere leitende Personen gibt, etwas Wichtiges im Reich der Springerpresse.

Poschardt schreibt übrigens „Welt“ nicht in Anführungszeichen, aber damit hat man in einem Land zu leben, das eine Zeitung mit den Namen „Österreich“ ertragen muss. Denkt man darüber nach, gelangt man unweigerlich zum Schluss, dass es dieses Land verdient, von Wolfgang Fellner geführt zu werden, wahrlich geschickt geführt zu werden, vielleicht auch nur geschickt zu werden, wohin auch immer, vielleicht in den immerwährenden April.

Als Nichtshinkrieger, der ich von Poschardt mit anderen Nichtshinkriegern versammelt werde, zu denen gewiss auch die Nichtshinkriegerinnen zählen, die ich als „alter Sexist“ hier keineswegs ausgrenzen will, sei es fern von mir, Herrn Poschardt mit Beweisen zu beglücken, dass ich vielleicht doch das eine oder andere hingekriegt habe. Auch widersage ich der Versuchung, ihm nachzuweisen, was er alles nicht hingekriegt hat, obwohl das möglicherweise eine beachtliche Liste ergäbe.

Nein, ich gedenke für heute bei diesem vorzüglichen Wort zu bleiben, das Poschardt da hingekriegt hat: „Nichtshinkrieger“.

Es ist schwer zu übersehen, dass hier offenbar ein Krieger diesen Nichtshinkriegern den Krieg erklärt, mindestens einer, der dem Leben als ganzem entschlossen-männlich gegenübersteht, sozusagen tätig mit der Waffe in der Hand, bereit als erster abzudrücken, nicht wie diese lahmen pazifistischen Nichtshinkrieger, die keine Waffe haben, und wenn doch, sie nicht rechtzeitig hochkriegen, diese Nichtshochkrieger, und wenn doch, Ladehemmung haben.

Wer etwas kriegen will, muss kriegen, das heißt, den Krieg wollen. Der Hinkrieger geht hin und scheut nicht davor zurück, Blut zu vergießen und über Leichen zu gehen. Und sei es bloß metaphorisch, was der Hinkrieger, siehe oben, besonders gut hinkriegt.

Der Hinkrieger zeichnet sich weiters dadurch aus, dass er etwas hinkriegt. Das soll heißen, er bekommt es hin, er schafft es. Aber in diesem „hin“ steckt auch das Gegenteil, das Kaputte. Der Hinkrieger ist mithin ein Kaputtkrieger, was aber mit dem Hinkriegen wiederum so in Zusammenhang steht, dass er als Hinkriegsgewinnler, nachdem er hinreichend Dinge und Menschen kaputtgemacht hat, dadurch reüssiert, dass er nun etwas anderes anbietet, ein neues Ganzes, das die Nichtshinkrieger nur aus seiner Hand empfangen können, da sie selbst es ja nicht einmal hinkriegten, etwas hinzukriegen. So kann es der Hinkrieger hinkriegen, sich selbst als Zerstörer und Heiler in einem zu präsentieren. Was für ein Präsent! Move fast and break other people’s legs.

Der Hinkrieger verhält sich also den Nichtshinkriegern gegenüber als Alleshinkrieger, er ist ihnen in jeder Hinsicht über. In einer neueren Variante, nachdem der Genitiv, das Reflexivpronomen, die Anführungszeichen und die Umlaute unter dem Stiefel des Hinkriegers dahingingen, sollten wir vielleicht nicht mehr vom Übermenschen, geschweige denn vom Hinübermenschen, sondern vom Ubermenschen sprechen.

Der Ubermensch ist imstande, einem Uberchauffeur dessen depravierte Existenz so auszumalen, als sei er nicht bloß die Karikatur eines ausgebeuteten und vollends entrechteten Arbeitnehmers, der das Schlechteste aus beiden Welten kriegt, sondern ein stolzer, freier Unternehmer. Muss man erst mal hinkriegen, sowas.

Gleichwie, Ubermensch Ulf Poschardt ist den Uberhinkriegern sozusagen ein Unter. Denn im Hinkrieger, man vermag es in norddeutscher Aussprache besonders gut zu hören, verbirgt sich bei Bedarf auch der Hinkriecher, der den begnadeten Philosophen Peter Thiel servil als „genial“ und dessen Neoministranten Sebastian Kurz dienstfertig als „brillant“ beschreibt.

Nun habe ich die böse Bemerkung des Philosophen Ernst Bloch im Ohr, er kenne keine andere Herleitung von „brillant“ als von Brillantine, aber Poschardt hat hier gewiss nur eine kleine ehrerbietige Anspielung an das legendär makellose Grooming des Exkanzlers hingekriegt, vielmehr hingekrochen, und bei Thiel nichts anderes als die andächtige Evozierung eines romantischen Geniebegriffs, mit dem er schwärmerisch den Uberhinkrieger zum Alleshinkrieger stilisiert.

Angesichts der Trias der Hinkrieger Poschardt, Thiel und Kurz scheint es aber doch süß und ehrenvoll, Nichtshinkrieger zu bleiben.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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