Was ist das, Hanger? Und noch etwas über Medienkorruption

Seuchenkolumne. Nachrichten aus der vervirten Welt 554

Armin Thurnher
am 22.10.2021

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„Menschen, die der ÖVP nahe stehen, die derzeit aktiv sind oder aktiv waren und die mit uns über die aktuelle Situation sprechen wollen, sind im Moment kaum zu finden“, sprach die Moderatorin Lou Lorenz-Dittlbacher im Fernsehen und präsentierte uns Andreas Khol. Der spricht immer.

Es dauerte keine Woche, da steckte Andreas Hanger seine Abrissbirne in den Bildschirm und redete zu uns. Man kann das nicht eigentlich Reden nennen, es ist mehr ein Anbellen von Tatsachen in der Hoffnung, dass diese sich verziehen. Das Hanger-Gebell hat den Vorzug, dass man an ihm den Verfall der öffentlichen Rede beobachten kann, oder den Grad ihrer Zerstörung, und diesem Gradmesser haben wir es zu verdanken, dass in der NSO, der neuen Staatsoperette (eine legendäre, skandalöse gab es ja schon) eine Pause eintritt, was sage ich Pause, ein Cliffhanger monumentalen Ausmaßes, denn in der letzten Szene sahen wir Sebastian Kurz, wie er sich das legendäre Video von seiner oe24 Diskussion mit Heinz Christian Strache unter Leitung von Wolfgang Fellner bestellte, um sein Gemüt aufzuheitern.

Die Operette, ob die reale oder die von mir zusammengefasste, trägt offenbar dazu bei, dass die Zahl derer, die diese Kolumne abonniert haben, täglich steigt. Den neu Hinzugekommenen muss ich gestehen, dass ich zum Antizyklischen neige. Das heißt, wenn etwas besonders erfolgreich ist, mache ich gern ein kleines Päuschen, gehe einen Schritt zurück und füge etwas anderes, weniger Populäres ein. So auch heute. Hanger also.

Andreas Hanger bei seiner Pressekonferenz zum Thema Scheinheiligkeit, 21.10.21 Foto: Screenshot @ ORF

Was ist das, Hanger? Die ÖVP-Propaganda ist ja etwas vom Feinsten. Ersonnen vom Inneren Kreis der Consulting Boys um St. Seb, Totalitarismus mit Zuckerguss, betrieben von 59 Mediensklaven und bezahlt mit Steuergeld, wurde dieses luxuriöse Gefährt, dieses metaphorische Papamobil des Altaltbundeskanzlers in einen schweren Unfall verwickelt. Totalschaden. Seitsturz. Das Luxusfahrzeug war mit überhöhter Geschwindigkeit auf die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die Gebrüder Fellner und gefälschte Meinungsumfragen geprallt. Die man übrigens, Nomen est omen, frisierte Meinungsumfragen nennt. Deswegen spielt der Frisör in der Staatsoperette eine wichtige Rolle, aber das nur nebenbei.

War die Fleischmann-Frischmann-Schmid-Propaganda das Luxusfahrzeug, ist Hanger das Paket, das aus ihm wurde, nachdem es die Presse auf dem Schrottplatz verlassen hat, wie man es aus Krimis kennt. Hanger ist der reine Schrott.

Er redete über Inserate, und der Succus seiner Rede war: die anderen machen’s genauso. Ich habe nicht vor, Hanger zu widersprechen oder auf ihn einzugehen, möchte aber ein, zwei Anmerkungen zum Thema Inserate machen. Jetzt reden ja alle darüber, die meisten fast so ahnungslos wie Hanger, aber, noch gefährlicher, voller guter Absichten.

Die Inseratenkorruption ist seit den 1980er Jahren das politische Gleitmittel der Zweiten Republik. Kämpfe um Medien prägen sie schon länger. Es stimmt, die Sozialdemokratie und das Rote Wien waren bei Inseratenkorruption aktiver als die Schwarzen. Sie glaubten, keine Alternative zu haben. Die Schwarzen nämlich verfügen in Österreich über die sichere Mehrheit bei den Medien-Eigentümern. Bis zum Aufkommen der Gebrüder Fellner gab es keine Verleger, die nicht schwarz waren.

Mit Ausnahme der Kronen Zeitung! Diese Zeitung hatte die SPÖ in Gestalt des Franz Olah selbst gegründet; da Olah aber sein eigenes Spiel spielte, konnte die Partei ihr Eigentum an der Krone nicht nachweisen und verlor die Zeitung an die beiden Männer, die sie führten. Hans Dichand und Kurt Falk brachten diese Bonanza mit relativ geringen Mitteln ganz an sich, und die SPÖ stand wieder ohne Medium da.

Der Kampf gegen die Krone kostete sie nicht nur die Zeitung, die sie nach einem Gerichtsurteil kurzfristig sogar kommissarisch leitete. Ein Streik der Redaktion für Presefreiheit (!) machte dem ein Ende, und die Krone sorgte dafür, dass die SPÖ die nächste Wahl verlor. Es kam zur ersten ÖVP-Alleinregierung (1966). Das hat sich die SPÖ für immer gemerkt

Wie also sollte die Partei Einfluss nehmen? Die Arbeiterzeitung verlor selbst bei der eigenen Klientel an Wirkung, man trachtete nur, sie loszuwerden. Richtig: indem sie Inserate schaltete und zu allerlei Kooperationen griff. Der Unterschied zu dem, das jetzt die Staatsanwaltschaft der Neuen Volkspartei, Sebastian Kurz, seinen Mitarbeitern, Frau Beinschab, Frau Karmasin und Wolfgang Fellner zur Last legt: Medienkorruption, also der Kauf günstiger Stimmung durch Inserate war kein strafrechtlicher Tatbestand.

Selbst Werner Faymann, ein Champion der Medien„vergabe“, konnte nachweisen, dass die von den ÖBB zur Mehrung eines Ruhms (als „Ombudsmann“) in der Krone geschalteten Inserate auch den Ruhm der ÖBB mehrten, also geschäftlich zu rechtfertigen und insofern nicht strafrechtlich relevant waren.

Da ich mich unter anderem dieses Themas wegen, nämlich der Verzerrung von und dem Gezerre um Öffentlichkeit ein ganzes publizistisches Leben lang betätige, bin ich froh, dass nun endlich kompetente Menschen eine gesetzliche Lösung vorlegen werden, die alle Probleme löst.

Im übrigen habe ich vor, demnächst ein paar Dinge zusammenzufassen, die beim Abfassen eines solchen Gesetzes nützlich sein könnten. Ich deute nur axiomhaft an:

  1. Jede Gesellschaft hat die Medien, die sie verdient. Jede Gesellschaft hat die Medien, die sie zum Ausdruck bringen.

  2. Die meisten Inserate sind Medienförderung und dienen der Bereicherung einiger weniger Verlegerinnen und Verleger und dem Fortkommen einiger weniger Politikerinnen und Politiker.

  3. Medienförderung als Gewinnförderung von Medienkapitalisten sollte umbenannt werden.

  4. Politische Inserate sind nie nur der Sündenfall einer Politik, die eine ehrenwerte Publizistik korrumpiert. Ihnen steht auf Seiten der Medien extraktive, oft auch erpresserische Energie gegenüber. Journalismus tendiert außerdem dazu, sein eigenes Tun zu verkennen und zu glorifizieren, indem er kriminelle Einzelfälle herausstellt.

  5. Der Medienmarkt ist selbst hochkorrupt und korrumpierend, er bedurfte nicht der Politik, um es zu werden.

  6. Medienförderung hat nicht den Markt weiter zu verzerren, sondern seine durch mangelnde Marktregelungen entstandenen Verzerrungen auszugleichen. Es muss ihr erstes Prinzip sein, auszuschließen, dass denen gegeben wird, die haben, und nicht denen, die es brauchen.

  7. Medienförderung braucht Kriterien. In den entscheidenden Punkten kommt es aber auf Personen an, die beurteilen, wie diese anzuwenden sind. Sie müssen ihr Urteil nachvollziehbar öffentlich begründen. Der Druck, dem sie standzuhalten haben, wird beträchtlich sein.

  8. Gegen die digitale Extraktion ist die österreichische Medienkorruption ein liebenswerter Atavismus.


Nun zu etwas ganz anderem: Der Epidemiologe liegt auf der faulen Haut. Besser gesagt, er klettert auf dem Rennrad Passstraßen hinauf und sieht mit grimmigem Unbehagen zu, wie sich seine pessimistischen Prognosen bewahrheiten.

Morgen gibt’s wieder Operette.


Distance, hands, masks, be considerate!

Ihr Armin Thurnher

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